Autor: Frank Meuser, Geschäftsführer Politik beim Deutschen Tierschutzbund
Wir haben mit unserer Kampagne „Bundestagswahl ist #Tierschutzwahl!“ deutlich gemacht, was wir von der nächsten Bundesregierung erwarten: Der Tierschutz muss endlich die politische Bedeutung erhalten, den das Staatsziel Tierschutz bereits seit 15 Jahren vorschreibt. Das geht nur mit einem politischen Paradigmenwechsel: Wo immer es politisch um den Umgang mit Tieren geht, müssen künftig die Interessen der Tiere Vorrang haben und nicht länger ihr ökonomischer Nutzwert. Solange es ein Tierschutzgesetz gibt, das nicht den ethisch motivierten und als Ziel der Gesellschaft vereinbarten Schutz der Tiere regelt, sondern deren wirtschaftliche Nutzung als Rohstofflieferanten und Produkte, ist jedes Bekenntnis der Politik zum Tierschutz eine Farce.
Mit unserem Tierschutz-Check hatten wir die Parteien vor der Wahl aufgefordert, Farbe zu bekennen: Werden sie das Tierschutzgesetz neu fassen? Werden sie den Tierschutzverbänden das Verbandsklagerecht einräumen? Werden sie die Verstümmelung von Tieren in der Landwirtschaft endgültig verbieten? Jeder Tierschützer konnte sich so ein Bild davon machen, wie die Parteien zum Tierschutz stehen. Auch die Wähler haben wir auf unterschiedliche Art und Weise direkt angesprochen. Am Abend vor der Bundestagswahl wurden in Berlin zum Beispiel unsere Kampagnenmotive für Tausende Menschen sichtbar an Gebäude projiziert. Postkarten, Plakate und Sticker mit den Motiven waren in den Wochen vor der Bundestagswahl großflächig in ganz Deutschland sichtbar.
Wie die neue Regierung auch aussehen wird, vor den Herausforderungen im Tierschutz wird sie die Augen nicht verschließen können. Die Menschen im Lande sind nicht mehr bereit, die unhaltbaren Zustände in der Landwirtschaft zu dulden. Tiere zu verstümmeln, damit sie so schnell und effizient wie möglich als Billigfleisch im Supermarkt landen, dabei das Grundwasser zu vergiften und aus ganzen Landstrichen Maiseinöden ohne Insekten und Wildvögel zu machen und dafür noch Milliarden aus EU-Töpfen zu bekommen, ist der großen Mehrheit unserer Gesellschaft nicht mehr vermittelbar. Es bedarf daher dringend einer umfassenden Nutztierstrategie, deren Grundlage die Orientierung am Tierschutz ist, nicht am Ladenpreis oder der Gewinnmaximierung. Dazu gehört auch eine verbindliche Kennzeichnung von Fleisch und tierischen Produkten, um transparent zu machen, wie viel Tierleid darin steckt.
In der vergangenen Legislaturperiode hat es den vergeblichen Versuch gegeben, die Finanzierung der Tierheime in Deutschland neu zu ordnen und so ihre finanzielle Zukunft abzusichern. Leider ist dieser „Runde Tisch“ gescheitert. Daraus lernen wir, dass Runde Tische und freiwillige Lösungen nicht geeignet sind, um nachhaltige Lösungen im Tierschutz zu erreichen. Wir werden die nächste Bundesregierung daher in die Pflicht nehmen, wenn es darum geht, die Arbeit der ehrenamtlichen Tierschützer in Deutschland angemessen zu würdigen. Das beliebte politische Argument, wonach nicht genug Geld für den Tierschutz vorhanden sei, ist angesichts prall gefüllter Haushalte nicht nur falsch, sondern entlarvend, was die Wertschätzung der ehrenamtlichen Arbeit durch die Politik betrifft.
Ein politischer Paradigmenwechsel ist auch im Bereich der Tierversuche geboten. Maßstab muss hier ebenfalls das Leid der Tiere sein, nicht ökonomische Interessen. Die Erforschung von Alternativmethoden muss deutlich stärker gefördert werden. Auch kann es nicht sein, dass im Jahr 2017 noch immer die Durchführung von Tierversuchen an Menschenaffen erlaubt ist. Ebenso anachronistisch ist es, dass Elefanten in Zirkusarenen zu Kunststücken gezwungen und Eisbären in Zoos auf kargen Felsen gehalten werden. Solange es Menschen gibt, die derartige Zurschaustellungen nicht aus Empathie meiden, ist der Gesetzgeber in der Pflicht, die Tiere zu schützen.
Wir werden unermüdlich dafür kämpfen, dass der Tierschutz in der Politik endlich nicht mehr nur in Sonntagsreden auftaucht. Dass es bis heute kein bundesweites Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände gibt, spricht Bände: Wer ein Staatsziel Tierschutz ins Grundgesetz schreibt, das Einklagen dieses Ziels jedoch nicht erlaubt, handelt schlicht heuchlerisch. Ein neues Tierschutzgesetz, ein Verbandsklagerecht, eine umfassende und nachhaltige Nutztierstrategie, der Ausstieg aus Tierversuchen und ein Ende der Haltung von Tieren zu Unterhaltungszwecken als Ausdruck einer neuen politischen Ethik im Tierschutz sind die Grundbedingungen des Paradigmenwechsels, den die künftige Bundesregierung angehen muss. Sollte sie sich dem verweigern, wird sie mit dem energischen Widerstand der Tierschützer rechnen müssen. Und ihr muss klar sein, dass keiner von ihnen künftig sein Kreuz bei Kandidaten und Parteien machen wird, die diesem Anspruch nicht gerecht werden.