Hinter den Kulissen
Deutscher Tierschutzpreis 2016

Mit Gänsehaut
und Tränen

Hinter den Kulissen
Deutscher Tierschutzpreis 2016

Mit Gänsehaut
und Tränen

Die Verleihung des Deutschen Tierschutzpreises erweist denjenigen die Ehre, die sich jeden Tag und mit all ihrer Kraft für den Tierschutz einsetzen.

  • Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER

„Tierschutz ist nie ohne Wut, Gänsehaut und Tränen.“ Mit diesen Worten begrüßte Alida Gundlach die Gäste der diesjährigen Verleihung des Deutschen Tierschutzpreises in Berlin. „Irgendwann muss sich jeder entscheiden, ob er mehr als ein Zuschauer sein will“, so Gundlach.

Am Abend der Preisverleihung waren Menschen in das Umweltforum gekommen, die sich schon vor langer Zeit dazu entschlossen haben, mehr zu tun, als nur zuzuschauen. So waren unter anderem Renate Seidel, Vizepräsidentin des Deutschen Tierschutzbundes, und Margret Kuhlmann, erste stellvertretende Vorsitzende des Landesverbands Mecklenburg-Vorpommern, unter den Gästen.

Der Deutsche Tierschutzpreis 2016.

Neben den Preisträgern, Förderern und treuen Freunden des Deutschen Tierschutzbundes waren auch Bundespolitiker angereist – unter ihnen Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). In seinem Grußwort betonte Schmidt die Wichtigkeit des Ehrenamts und verdeutlichte, dass Tierschutz keine abschließbare Angelegenheit sei. Der Deutsche Tierschutzbund vergibt den mit insgesamt 7.000 Euro dotierten Tierschutzpreis gemeinsam mit den Marken Whiskas und Pedigree und den Zeitschriften FUNK UHR und SuperTV. „Der Preis hat für uns Symbol-Charakter. Wir stehen als Mediengruppe Klambt auf der Seite der Helden des Alltags und der Tiere. Wir geben in unseren Zeitschriften Mut, Stärke und Nächstenliebe gerne Raum. Und womit geht das besser als mit einem Preis, der Menschen mit Herz und Engagement auszeichnet, die mit ihrem Willen ganze Berge versetzen zu können, niemals aufgeben. Und damit so viel erreichen. Es ist so bewegend, mitzuerleben, wie aus Hilflosigkeit echte Hilfe wird.“, so Britta Behrens, Chefredakteurin der Klambt Programmzeitschriften.

Neben den ersten drei Plätzen prämierte die Jury auch dieses Jahr wieder ein Lebenswerk und vergab den Preis der Sonderkategorie. Sängerin Stefanie Hertel, ihr Ehemann Lanny Lanner und die Schwestern Christine und Michaela Brezovsky sorgten mit ihren emotionalen Liedern für den musikalischen Rahmen. „Heute ist ein Mutmachtag. Wir ehren stellvertretend Einzelne für Zehntausende Menschen in dieser Republik, die unermüdlich für das Wohl der Mitgeschöpfe auf die Straße gehen und sich engagieren, damit es ihnen ein klein wenig besser geht“, sagte Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.

Verborgenes Leid sichtbar machen

Das Leid der Vermehrerhunde

Die Redaktion von DU UND DAS TIER hat mit den Preisträgern des Deutschen Tierschutzpreises 2016 über seine Arbeit gesprochen. Lesen

Der erste Preis ging an den Verein „Das Leid der Vermehrerhunde“. Dass der illegale Welpenhandel ein Thema ist, weiß heute jeder, der sich auch nur ein bisschen mit Tierschutz auseinandersetzt.

Dass dahinter Zigtausende Mutterhündinnen und Deckrüden stehen, ist dagegen nicht jedem bekannt. „Man sieht immer nur diese kleinen knubbeligen Augen, diese süßen Welpen. Die nicht schönen Seiten, das will keiner sehen – die Elterntiere im Dunklen und Verborgenen. Aber genau die sind es, die in den Fokus der Öffentlichkeit gehören“, so Jennifer Regenbrecht, erste Vorsitzende des Vereins.

Der Verein geht davon aus, dass jährlich 400.000 Welpen illegal nach Deutschland geschmuggelt werden. „Wir haben hier einen riesigen Händlerring. Sie kaufen die Welpen für 30 bis 50 Euro auf und verkaufen sie wieder ab 300 Euro aufwärts“, so Werner Senster, zweiter Vorsitzender des Vereins. Jeder kann sich an dieser Stelle selbst ausrechnen, über welche Summe wir hier sprechen.

Eine Hündin in einem Holzverschlag. Die Hunde in den Vermehrerstationen sehen kein Tageslicht und sind lediglich Gebärmaschinen.

Eine Hündin in einem Holzverschlag. Die Hunde in den Vermehrerstationen sehen kein Tageslicht und sind lediglich Gebärmaschinen.

Die Tierschützer wissen, wer neben den Welpen den Preis für das grausame Geschäft zahlen muss. „Das Schicksal der Deckrüden besteht darin, dass sie mit Hormonen praktisch hochgespritzt werden, damit sie immer decken können. Dann werden sie auf die Hündin gezwungen und kommen bis zum nächsten Deckakt wieder in ihren Verschlag zurück“, erzählt Ilja Herrmann, Kassenwartin des Vereins. Regenbrecht ergänzt: „Sie leben jahrelang in Einzelhaltung und bekommen Schläge, Stromschläge. Die Tiere sind oft stärker traumatisiert als die Hündinnen.“

Diese leiden unter der enormen körperlichen Belastung. Ebenfalls mit Hormonen behandelt, sind sie nichts weiter als Gebärmaschinen. Bringen sie keine Leistung mehr, kommen sie entweder zu einem noch schlimmeren Vermehrer, der es dann noch einmal versucht, werden umgebracht oder ausgesetzt. Haben sie Glück, nimmt ein Tierschutzverein sie auf. „Wenn die ausrangierten Hündinnen rauskommen, leben sie nicht mehr länger als zwei, drei Jahre“, sagte Regenbrecht mit Tränen in den Augen.

Das Leid dieser Vermehrerhunde an die Öffentlichkeit zu bringen, die Menschen hier in Deutschland aufzuklären und den Hunden, die ihre Verschläge lebend verlassen, einen schönen und respektvollen Lebensabend zu ermöglichen – das ist das, was diese Tierschützer antreibt.

Hannelore Bauer (83) mit Katze Mucki (13). Das Projekt „Senioren für Senioren“ hat die beiden zusammengebracht.

Hannelore Bauer (83) mit Katze Mucki (13). Das Projekt „Senioren für Senioren“ hat die beiden zusammengebracht.

Ein schöner Lebensabend

Der schöne Lebensabend steht auch bei den Tierschützern im Mittelpunkt, die den zweiten Preis erhalten haben. Meike Fritz und Susanne Busch vom Verein Katzenschutz Bonn/ Rhein-Sieg vermitteln mit ihrem Projekt „Senioren für Senioren“ ältere Katzen an ältere Menschen. „Nachdem bei uns eine total verfilzte ältere Katze abgegeben wurde, derer sich dann ein älteres Ehepaar angenommen und sie aufpäppelt hat, haben wir gesagt, da müssen wir weiter anknüpfen“, erzählt Fritz.

Die Katzen sind vor allem Abgabe- und Fundtiere. „Sie sind oft von Familien, die sagen, die Katze hat was, wir möchten die Kosten nicht mehr übernehmen und das Tier nicht mehr haben. So bekommen wir immer wieder ältere Tiere, die oft dann auch eine Krankheit haben“, sagt Fritz. Die Tierschützer bringen die Katzen zum Tierarzt und bis zu deren Vermittlung in eine Pflegestelle. Zusätzlich unterstützt der Verein die zukünftigen Besitzer bei den Kosten, wenn eine Katze dauerhaft Medikamente benötigt.

Darüber hinaus kümmern sie sich auch um frei lebende Katzen. Sie betreuen Futterstellen, versorgen die Tiere wenn nötig medizinisch und lassen sie beim Tierarzt kastrieren. All das verschlingt Unmengen an Geld. „Da sieht es manchmal ganz schön elend aus, die Kassen sind einfach leer. Aber den Katzen muss ja trotzdem geholfen werden“, so Fritz. „Es sind Lebewesen wie wir auch. Und ein schönes Leben hat jeder verdient. Sowohl die älteren Menschen als auch das ältere Tier“, so Fritz weiter.

Die Auszeichnung mit dem Tierschutzpreis sei eine tolle Wertschätzung. Doch wichtiger sei die größere Öffentlichkeit, die der Preis mit sich bringt. Fritz und Busch erhoffen sich dadurch noch größere Chancen, Tiere in liebevolle Hände zu vermitteln.

Es geht um das Leben der Tiere

Mithilfe einer Drohne rettet Frank Demke Rehkitze vor dem Tod.

Mithilfe einer Drohne rettet Frank Demke Rehkitze vor dem Tod.

Ein Ansporn ist die Auszeichnung auch für Frank Demke vom Rostocker Verein Wildtierhilfe. Die Jury hat ihn mit dem dritten Preis geehrt. Mindestens 500.000 Wildtiere sterben jährlich in Feldern durch Mähfahrzeuge. Demke hat einen Hexacopter mit einer Infrarotkamera entwickelt, um die Tiere vor dem Tod zu retten. Mit diesem speziellen Fluggerät, auch als Drohne bekannt, sucht er Felder ab und spürt die Tiere, die sich dort verstecken, mit einer Wärmebildkamera auf. Entdecken er und seine Mitstreiter ein Rehkitz, zäunen sie es mit einem umgebauten Windschutz ein. Ist das Feld gemäht, bauen sie den Schutz zurück und das Tier findet wieder unversehrt zu seinen Eltern.

„Wir haben eine Trefferquote von nahezu 100 Prozent. Da, wo wir gesucht haben, ist noch nie ein Tier vermäht worden. Wir haben bis jetzt etwa 73 Kitze gerettet“, erzählt Demke. Es hätten noch mehr sein können, wenn die Tierschützer mehr Unterstützung hätten. „Ich habe schon den Gedanken gehabt, alles hinzuschmeißen, weil uns so starker Gegenwind entgegenbläst“, sagt Demke. Damit meint er Landwirte und die Jägerschaft. Eigentlich können diese nur gewinnen. Töten die landwirtschaftlichen Maschinen Tiere, können durch die Tierleichen im Grünfutter Toxine entstehen. „Eigentlich spielen sie russisches Roulette, wenn sie nichts machen. Aber sie wollen nichts an die Oberfläche kommen lassen. Die Öffentlichkeit weiß nichts davon und sie ziehen das einfach durch“, beklagt Demke.

Auch von der Jägerschaft ist keine Hilfe zu erwarten. So waren die Tierschützer letztes Jahr auf einem Brunch mit 200 Jägern eingeladen. Sie haben ihr Projekt vorgestellt, zustande gekommen ist nichts. Auf die Frage, wie er das alles durchhält, antwortet Demke: „Man muss einfach verrückt genug sein.“ Trotz allen Gegenwinds gibt es auch Landwirte, die ihn unterstützen. „Wir sind in der Pflicht, etwas zu tun. Die Flächen sind nicht nur unser Besitz, sie sind auch die Kinderstube der Tiere. Man kann zu unterschiedlichen Dingen ja verschiedene Meinungen haben. Aber in dem Punkt sollte man sich einig sein: Denn es geht um das Leben der Tiere“, so Demke.

„Mein zweites Arbeitsleben“

Um das Leben der Tiere geht es auch Helga Beckmann. Sie hat den Deutschen Tierschutzpreis für ihr Lebenswerk erhalten: „Das erste Arbeitsleben habe ich mich 60 beendet. Jetzt bin ich schon über 16 Jahre beim Tierschutzverein.“ Die fast 80-Jährige kümmert sich um die Hunde des Tierschutzvereins Ahlen. Jeden Morgen um sieben Uhr steht sie im Tierheim – das Ende am Abend ist offen.

„Alle Hunde lieben sie. Kaum sind die Hunde da, zwei Tage später himmeln sie nur noch Frau Beckmann an. Sie ist ihr Rettungsanker“, so beschreibt Ursula Scholtz vom Tierschutzverein Ahlen die Preisträgerin.

Auch wenn sie alle Tiere liebt, haben es Beckmann vor allem die Hunde angetan, die niemand haben will. Ob nicht „so schön“, gehandicapt oder ein bisschen schwierig – Beckmann ist für jeden Hund da. „Die Tiere treiben mich an. Es waren immer Hunde im Tierheim, da dachte ich, wenn die jetzt vermittelt sind, kann ich aufhören. Aber dann war schon wieder ein anderes Tier da, wo ich meinte, es braucht mich besonders, und dann dachte ich, ich muss morgen da wieder hin“, so Beckmann.

Bei Schnee, Eis und Sonnenschein

Das Wort unermüdlich beschreibt auch die Preisträger der Sonderkategorie „Tierrettung/ziviler Widerstand“. Günter Hegewald hat den Preis stellvertretend für die Bürgerinitiative „Rettet das Landleben am Tollensetal“ entgegengenommen. Die Bürgerinitiative setzt sich seit Jahren für Tier, Mensch und Umwelt ein. Ihr größtes Projekt ist die Sauenzuchtanlage von Adrianus Straathof in Alt Tellin. Dreieinhalb Jahre haben die Tierschützer gegen den Bau demonstriert und vor dem Gelände Mahnwache gehalten. „Wir haben uns als größere Montagsinspektion sommers wie winters, bei Schnee, Eis und Sonnenschein getroffen. Wir haben uns über Neuigkeiten ausgetauscht, Rundgänge gemacht und verschiedenste Missstände nachgewiesen“, erzählt Hegewald.

Die Bürgerinitiative „Rettet das Landleben am Tollensetal“ engagiert sich für Tiere, Umwelt und Menschen und kämpft gegen Agrarfabriken.

Die Bürgerinitiative „Rettet das Landleben am Tollensetal“ engagiert sich für Tiere, Umwelt und Menschen und kämpft gegen Agrarfabriken.

So sei im ersten Antrag nicht einmal erkennbar gewesen, dass die trächtigen Sauen ständig Zugang zu Trinkwasser neben der Flüssignahrung haben. Den Bau der Anlage konnten die Tierschützer nicht verhindern. Heute leben dort 10.500 Sauen, die jährlich 250.000 Ferkel „produzieren“.

An ein Aufhören denkt die Bürgerinitiative dennoch nicht. „Die heutige Auszeichnung gibt mir Kraft, weiterzumachen. Mitte Dezember wird der Prozess vor dem Verwaltungsgericht in Greifswald anlaufen“, so Hegewald. Das Gericht wird prüfen, ob die Genehmigung für die Anlage rechtens ist. Im Raum stehen mangelnde Rettungsmöglichkeiten für die Tiere und eine nicht exakte Einschätzung der Brandgefahr.

Der Kampf für die Tiere in diesem Megastall, für die Tiere im Tierheim, die Wildtiere auf dem Feld oder die Vermehrerhunde im Ausland – all diese Projekte machen deutlich, wie vielfältig und bunt Tierschutz ist. Der Deutsche Tierschutzpreis zeigt darüber hinaus, wie erfolgreich und auch wie notwendig Tierschutz ist. Es war ein sehr emotionaler Abend, an dem einige Tränen geflossen sind. Aber er gibt allen Beteiligten auch die Kraft, weiterzumachen.

Bildrechte: Artikelheader: Das Leid der Vermehrerhunde e. V., Tom Fritz, Mike Thomas Römisch, Bildergalerie: Deutscher Tierschutzbund e. V., Milena Schlösser (4,6,7,10), Artikelbild "Hündin mit Welpen": Das Leid der Vermehrerhunde e. V., Artikelbild "Hannelore Bauer und Mucki": Katzenschutz Bonn/Rhein-Sieg e.V., Artikelbild "Bürgerinitiative": Günter Hegewald