Jennifer Regenbrecht, erste Vorsitzende des Vereins: Der Preis ist für mich ein Ansporn dafür, dass die Elterntiere in den Fokus der Öffentlichkeit kommen. Und zwar nicht nur die Hündinnen, auch die Rüden müssen bedacht werden. Man sieht immer nur diese kleinen knubbeligen Augen, diese süßen Welpen. Die nicht schönen Seiten, das will keiner sehen – die Elterntiere im Dunklen und Verborgenen. Aber genau die sind es, die in den Fokus der Öffentlichkeit gehören.
Regenbrecht: Die Deckrüden leiden genauso, wenn nicht noch schlimmer als die Hündinnen. Sie leben jahrelang in Einzelhaltung und bekommen Schläge, Stromschläge. Die Tiere sind oft stärker traumatisiert als die Hündinnen. Die Hündinnen leiden unter der enormen körperlichen Belastung. Aber sie werden zumindest nicht in Einzelhaltung gehalten.
Ilja Herrmann, Kassenwartin des Vereins: Das Schicksal der Deckrüden besteht darin, dass sie mit Hormonen praktisch hochgespritzt werden, damit sie immer decken können. Dann werden sie auf die Hündin gezwungen und kommen bis zum nächsten Deckakt wieder in ihren Verschlag zurück. Das sind ganz arme Kreaturen. Genau wie die Hündinnen sehen sie kein Sonnenlicht, sie bekommen keine Liebe und gar nichts. Ich habe als Pflegestelle für einen anderen Verein die schlimmsten Erfahrungen gemacht, was mit Hunden passieren kann. Das ist ganz grausam.
Regenbrecht: Wenn die (ausrangierten) Hunde rauskommen leben sie nicht mehr länger als zwei, drei Jahre – weil sie körperlich so aufgebraucht uns ausgelaugt sind. Meine letzte Hündin ist Weihnachten vermittelt worden und ist jetzt zwei Monate tot. Sie hat keine zwei Jahre überlebt.
Herrmann: Wenn die Tiere keine Leistung mehr bringen, kommen sie entweder zu einem noch schlimmeren Vermehrer, der es dann nochmal versucht oder sie bringen sie um. Im Idealfall holt sie ein Tierschutzverein da raus.
Regenbrecht: Als meine Hündin Molly vor fünf Jahren nach zwei Operationen bei mir gestorben ist, habe ich gedacht jetzt ist Feierabend, ich mag nicht mehr. Und dann kam Emily. Da war ich kurz davor aufzugeben. Und dann habe ich gedacht, das kann es nicht sein. Das hätte Emily nicht gewollt. Gerade jetzt hauen wir in die vollen und das hat uns Ansporn gegeben. Sie gibt uns Kraft und treibt uns alle an.
Herrmann: Ich hatte einen Rüden fünf Tage bei mir. Er ist dann ganz elendig gestorben. Und da habe ich auch gedacht, ich kann das nicht mehr. Das war der dritte Hund, der bei mir gestorben ist. Ich habe dann trotzdem weitergemacht und bin froh darüber. Ich habe jetzt gerade einen so sensationellen Hund zu hause, der vorher auch so eine arme Socke war.
Regenbrecht: Vor allem die Hündinnen und die Rüden brauchen uns einfach. Die Vermehrerhunde brauchen uns einfach. Wenn sich niemand für sie einsetzt und Aufklärung betreibt, wer soll es dann machen?
Senster, zweiter Vorsitzender des Vereins: Wir haben, als ich noch in einem anderen Verein gearbeitet habe, bei einem Vermehrer ausrangierte Hunde abgeholt – drei waren vereinbart. Dann sind wir da hingefahren, das war ein Belgier. Der sagte dann: Ich habe hier noch einen kleinen Hund. Entweder nehmen sie ihn mit oder ich hau ihn gegen die Wand. Das sind Sachen, die habe ich immer im Hinterkopf. Immer. Und die treiben mich an.
Regenbrecht: Lora kam vor einem Jahr aus der Slowakei zu uns. Sie wurde mit einer geplatzten Gebärmutter gefunden. Sie war zwölf Jahre alt. Menschen haben ausgesagt, dass sie mit elf Jahren nochmal Welpen bekommen hat. Und dann kam sie eigentlich zum sterben hier nach Deutschland. Das ist mittlerweile ein Jahr her. Das ist mein schönstes Erlebnis. Sie ist nicht wiederzuerkennen und sie lebt immer noch.
Senster: Wir versuchen mit Prominenten zu arbeiten. Wir nutzen auch den heutigen Tag, um die Leute zu sensibilisieren und nutzen medial eigentlich alles aus. Wir waren bei „Tiere suchen ein Zuhause“ und bauen gerade ein Netzwerk mit Moderatoren vom WDR und Fernsehproduktionsfirmen aus. Die Themen sind ja hoch aktuell: Die Tierheime quellen durch die Welpentransporte über. Es ist eine Spirale der Kosten, die sich da auftut. Wir hoffen darauf, dass wir da einiges beeinflussen.
Regenbrecht: Wir bieten eine kostenlose Welpenberatung an für Menschen, die sich für einen Welpen interessieren, für Leute die keinen Billigwelpen haben wollen. Wobei man Billigwelpen auch nicht mehr sagen kann. Die Vermehrer sind so gewitzt und haben inzwischen die Preise angezogen, um die Menschen zu täuschen. Bei 1000 Euro für einen Welpen denken die Leute, sie haben nichts falsch gemacht.
Senster: Wir haben einen Bogen entwickelt, anhand dessen man Vermehrer erkennen kann. Je mehr „Nein“ dort auftaucht, desto mehr tendiert es zu einem Vermehrer. Punkte wie Handynummern, Monteurswohnungen, etc. Den Bogen kann man sich bei uns herunterladen. Er ist inzwischen schon tausende Male heruntergeladen worden und wird auch von seriösen Züchtern angenommen.
Herrmann: Die Menschen kaufen die Welpen und denken, sie hätten etwas Gutes getan. Aber was da im Endeffekt hintendran hängt, nämlich die Elterntiere, wie elendig die leiden, da denkt niemand wirklich dran. Und deswegen sind wir jetzt ein stückweit weg von den Welpen und machen auf die Elterntiere aufmerksam.
Bildrechte: Artikelheader: Deutscher Tierschutzbund e. V., Artikelbilder: Das Leid der Vermehrerhunde e. V., Video: Deutscher Tierschutzbund e. V.