Autor: Dr. Brigitte Rusche, Vizepräsidentin des Deutschen Tierschutzbundes
Bundesminister Christian Schmidt hat die Kriterien für sein freiwilliges Tierwohllabel für Schweine öffentlich vorgestellt – und das im Alleingang. Monatelang hatte eine Stakeholderrunde aus Tierschützern, Produzenten, Verarbeitern und Vermarktern über das Label diskutiert – ohne Konsens. Bis zuletzt war noch nicht mal klar, ob es sich um ein zwei- oder dreistufiges Label handeln sollte. Wenige Monate vor der Bundestagswahl hält das den Minister jedoch nicht davon ab, der Öffentlichkeit zu suggerieren, sein Label sei auf dem Weg. Laut dem Nachrichtenportal Spiegel Online will der Bundesminister bis zur Bundestagswahl den Gesetzesentwurf für ein staatliches Tierwohllabel vorlegen. Erste Betriebe sollen schon Anfang 2018 zertifiziert werden. Das ist nicht nur ehrgeizig, sondern auch unseriös. Bis dahin lässt sich kein nachhaltiger Tierschutz im Stall und keine Planungssicherheit bei den Landwirten erreichen. Schon gar nicht, wenn der Minister mit nur 20 Prozent Mehrkosten gegenüber der konventionellen Haltung rechnet und nicht verlässlich sagt, welche Fördersummen zur Verfügung stehen.
In der Eingangsstufe sind die Kriterien aus Tierschutzsicht nicht sehr ambitioniert und teilweise nicht praxiserprobt. Es ist absurd, dass der Minister eine ausreichende Sachkunde und Weiterbildung des Personals und eine sichere Betäubung der Schweine bei der Schlachtung als notwendig erachtet und verschiedene Funktionsbereiche in der Schweinehaltung gar als essenziell einstuft, aber nicht die gesetzlichen Mindeststandards nachbessert. Stattdessen setzt er auf ein staatliches freiwilliges Label, das, so wie es vorliegt, nicht zielführend ist.
Dabei machen Kriterien allein noch lange kein Label aus. Das staatliche Label wird nur dann das Vertrauen der Käufer gewinnen, wenn transparent ist, wer zu welchen Bedingungen mitmachen kann und wer das entscheidet und kontrolliert. Zu diesen Fragen gibt es bislang bestenfalls ein Brainstorming. Landwirte, die mitmachen möchten, brauchen Beratung und finanzielle Unterstützung.
Der Bundesminister hat für sich entschieden, dass er mangelnden Konsens und offene Fragen ignoriert. Dafür muss er auch allein die Verantwortung tragen. Wir sehen daher aktuell keine Grundlage, das von Schmidt geplante staatliche Tierwohllabel weiter zu unterstützen. Im Grundsatz bleiben wir aber bei unserer Forderung nach einem staatlichen Tierschutzlabel. Darauf drängten wir bereits bei Ilse Aigner. Wir werden auch in Zukunft unsere wissenschaftliche Expertise anbieten, die auf den Erfahrungen unseres zweistufigen Tierschutzlabels und der damit verbundenen fundierten Prozess- und Markterfahrung basiert. Nun bleibt nur zu hoffen, dass sich nach der Bundestagswahl ein Bundesminister findet, der sich entschlossen und konsequent – auch durch ein staatliches Tierschutzlabel – für die Tiere einsetzt. Bis dahin raten wir Schmidt zu einer Denk- und Strategiepause.
Bildrechte: Deutscher Tierschutzbund e. V.