Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER
Bis zu drei Wochen ohne Wasser. Noch dazu in der Wüste. Wer das aushalten kann, muss fast schon überirdische Kräfte haben – oder von der Natur auf phänomenale Weise für das Leben in der Dürre ausgestattet worden sein. So wie Dromedare. Die faszinierenden Tiere aus der Familie der Kamele können dank mehrerer spezieller Eigenschaften auch unter den extremen Bedingungen der sandigen Einöde überleben. Sie haben beispielsweise ovale Blutkörperchen. Diese transportieren selbst bei Flüssigkeitsmangel noch viel Sauerstoff, da sie bei Eindickung des Blutes nicht verklumpen. Ihre Nieren können den Urin extrem konzentrieren, wodurch sie viel Wasser sparen. Weil ihre Nieren das erlauben, können Dromedare selbst salziges Meerwasser trinken und sogar ihre Nasen- oder Darmschleimhäute sind in der Lage, Wasser aus der Atemluft oder dem Kot zu ziehen und zurück in den Kreislauf zu leiten. „Während einer Trockenphase können Dromedare deshalb bis zu ein Viertel ihres Körpergewichts an Wasser verlieren, ohne dass es ihnen schadet“, berichtet Nina Brakebusch, Referentin für Interdisziplinäre Themen beim Deutschen Tierschutzbund. Zum Vergleich: Wir Menschen wären bereits bei einem Wasserverlust von zehn Prozent des Körpergewichts in einer lebensbedrohlichen Situation.
Entsprechend groß ist jedoch auch ihr Durst, sollten sie wirklich über einen längeren Zeitraum auf der Suche nach Wasser gewesen sein. „Dann können sie ohne Probleme bis zu 200 Liter innerhalb von 15 Minuten aufnehmen. Bei jedem anderen Tier würde das zu einer tödlichen Wasservergiftung führen“, sagt Brakebusch. Dromedare könnten das Wasser jedoch durch spezielle Zellen in ihrem Magen aufnehmen und besser im Körper verteilen. Ihre Höcker sind allerdings, anders als viele Menschen vermuten, kein ausgewiesener Wasserspeicher. Darin lagern die Tiere vor allem Fett, um sich selbst mit Energie zu versorgen, wenn die Nahrung knapp wird. Bei dieser bevorzugen sie ausschließlich Pflanzen. Wenn diese trocken, dornig oder salzig sind, macht das den Kamelen nichts aus. Geschickt nutzen sie ihre gespaltenen Oberlippen dazu, selbst kleine Blättchen abzuzupfen. „Damit sie die karge Kost bestmöglich verwerten können, gleicht ihre Art des Verdauens dem der Wiederkäuer“, so die Expertin. Sie haben einen Magen mit mehreren Kammern und würgen ihre Nahrung nochmals hoch, um den Brei ein weiteres Mal zu zerkauen, dennoch unterscheidet sich der Aufbau von denen der richtigen Wiederkäuer wie Kühen oder Schafen, denen sie daher auch nicht zugeordnet werden.
„Dass überhaupt noch Dromedare in der Wildnis von ihren bemerkenswerten Fähigkeiten und der genialen Anpassung an ihre Umgebung profitieren, ist gar nicht selbstverständlich, denn strenggenommen gibt es heutzutage keine wilden Dromedare mehr“, erklärt Brakebusch. Schon zweitausend Jahre vor Christus habe es nur noch eine kleine Population wilder Dromedare auf der Arabischen Halbinsel gegeben. „Danach sind sie ausgestorben, vermutlich weil damals mit der Domestizierung der Tiere begonnen wurde und man sie gejagt hat.“
Auch die einzige verwilderte Population, die in Australien lebt, setze sich aus Nachkommen von Dromedaren zusammen, die Menschen zur Kolonialzeit genutzt hätten, um den Kontinent zu erschließen. Danach hätten sie sie einfach freigelassen oder die Tiere seien entlaufen. Die Nähe zu Menschen suchen sie – australische Behörden schätzen die Bestände auf eine Million Tiere – auch heute noch auf der Suche nach Futter und Wasser. Dann kommt es zu Konflikten, wenn sie sich in die Siedlungen australischer Ureinwohner vorwagen, dort Wasserquellen verschmutzen und Vorräte plündern. Da sich auch Farmer beklagen, die Tiere zerstörten Zäune und Felder, sind die Dromedare Down Under immer wieder Opfer großer Jagdaktionen. 2013 vermeldete die Regierung die Tötung von 160.000 Kamelen in vier Jahren. 2020 gaben die Behörden 10.000 Tiere zum Abschuss frei. „Aus Tierschutzsicht ist das natürlich abzulehnen, zumal es keinerlei Kontrollen gibt, die sicherstellen, dass die Tiere wirklich tierschutzkonform getötet werden. Hier wären hormonelle Lösungen zwingend vorzuziehen“, merkt Brakebusch an. So ließen sich die Populationen verwilderter Dromedare, die in sogenannten Haremsgruppen leben, sehr viel tiergerechter kontrollieren. In diesen Gruppen schart ein Hengst mehreren Stuten um sich. Auch der dazugehörige Nachwuchs – Dromedare haben eine Tragezeit von 360 bis 440 Tagen und bringen meist nur ein einziges Fohlen zur Welt, das sie dann bis zu anderthalb Jahre säugen – lebt mit in der Gruppe.
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„Während Mütter und Töchter häufig ein Leben lang zusammenleben, vertreibt der Haremsführer die Hengstfohlen spätestens im Alter von zwei Jahren aus der Herde.“ Dann schließen sie sich zu Junggesellengruppen zusammen, die sich nach wenigen Jahren wieder auflösen, wenn die Geschlechtsreife und damit auch ein ausgeprägtes Territorialverhalten einsetzen. Das ist in der Regel mit vier bis sechs Jahren der Fall und führt untereinander oft zu heftigen Kämpfe mit Bissen und Tritten. Dabei übernehmen die jungen Hengste immer wieder einen Harem, denn die bisherigen Alphatiere behaupten sich meistens nicht allzu lange gegen die fittere Konkurrenz. „Dieser Wechsel beugt automatisch einem Inzest innerhalb der Herde vor“, erläutert Brakebusch. Abgesehen von diesen Kämpfen kennen die Kamele fast keine Aggressionen und leben auch in den größeren Gruppen sehr harmonisch. Die Hierarchie in der Herde werde unter den Weibchen nicht durch Kämpfe festgelegt, sondern scheine „wie selbstverständlich“ anhand des Alters festgelegt zu werden, so die Expertin.
Damit verschwenden die Tiere auch keine Kraft, die sie für das Leben in der oft unwirtlichen Umgebung benötigen. Denn die Wüste hält nicht nur Trockenheit und Hitze bereit, auch nächtliche Kälte gehört zu den Extremen, denen die Dromedare ausgesetzt sind. „Dabei hilft ihnen ein genialer Mechanismus“, sagt Brakebusch, „denn nachts kann die Körpertemperatur der Tiere auf bis zu 34 Grad absinken. Indem die Tiere ihre Wärme an die Umgebung abgeben, erreichen sie tagsüber langsamer ihre Spitzentemperatur und beginnen somit auch erst spät zu schwitzen.“ Das ist erst der Fall, wenn sich die Körpertemperatur auf bis zu 41 Grad erhöht hat. Die sanften Riesen sind einfach prädestiniert für das Leben unter den Bedingungen der Wüste.
Bildrechte: Artikelheader: Pixabay – Pablo Jimenez; Fotos: Pixabay – Wolfgang_Hasselmann (Kamele in der Sandwüste)