Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER
Die eigene Hochzeit ist für viele Menschen der schönste Tag des Lebens. Wochen-, monate-, wenn nicht jahrelang planen sie ihren perfekten Tag. Von der Location über die Dekoration und die Gestaltung der Zeremonie bis hin zum perfekten Menü und Outfit – sie tun einfach alles, damit das Ereignis unvergesslich wird. In der Vorbereitung sind viele von ihnen dabei auch auf der Suche nach etwas, das ihre Feier noch etwas spektakulärer macht. In weißen Tauben, die Frieden, Liebe, Treue und Glück symbolisieren, sehen sie dann oft eine Möglichkeit, der eigenen Traumhochzeit auch noch das letzte i-Tüpfelchen zu verleihen. Auf den ersten Blick absolut nicht verwunderlich. Schließlich sind die Tiere wunderschön und wenn sie majestätisch emporsteigen und in den Himmel fliegen, hat dieser Moment einfach etwas unfassbar Kraftvolles und Magisches – und wird zu einem zauberhaften Symbol für die ewige Liebe und die vielversprechende Zukunft des glücklichen Paares. Was viele Menschen nicht wissen: Mit der Freilassung beginnt für die meisten Tauben ein Albtraum. Und auch davor war ihr Leben in der Regel alles andere als artgerecht.
Bei den Tauben, die Menschen zu Hochzeiten oder anderen Anlässen fliegen lassen, handelt es sich in der Regel um Brief- oder Rassetauben wie Pfautauben. Pfautauben begeistern durch ihre extra gezüchteten, aufgefächerten Schwanzfedern und graziösen Bewegungen. Ihr anmutiges Aussehen erinnert an den Balztanz vieler Vögel und macht sie auch dadurch zu perfekten Hochzeitsgästen. Pfautauben gibt es in den verschiedensten Farben. Je nach Farbschlag schimmern ihre Federn in Blau-, Rot- oder Gelbtönen, in grauen, schwarzen oder weißen Nuancen. Doch im Hochzeitsgeschäft sind, egal ob Brief- oder Rassetaube, vor allem rein weiße Tiere begehrt – mit dramatischen Konsequenzen. Denn Tiere, die dem Schönheitsideal nicht entsprechen, werden aussortiert.
„Bei der Zucht weißer Tauben ist es aufgrund der Genetik völlig normal, dass immer wieder nicht rein weiße Tiere schlüpfen“, erklärt Katrin Pichl, Referentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. „Da es für sie so gut wie keine Verwendung gibt, müssen wir davon ausgehen, dass sie dem Ausleseprozess zum Opfer fallen.“ Neben der Zucht kann auch die Haltung der Hochzeitstauben tierschutzrelevant sein. Denn für diese gibt es kaum verbindliche, tierschutzgerechte Vorgaben. Das bedeutet, dass viele der Tiere ausschließlich in viel zu kleinen Verschlägen leben müssen, in denen es ihnen nicht im Ansatz möglich ist, ihre arteigenen Bedürfnisse auszuleben, geschweige denn zu fliegen.
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Damit die Tiere nach ihrer Freilassung dennoch den Weg zurück zum Züchter suchen, wenden einige von diesen grausame Methoden an. So ist es üblich, sowohl monogam lebende Taubenpaare als auch Elterntiere von ihrem Nachwuchs zu trennen, und die Tiere jeweils einzeln zu vermieten. „Beide Methoden führen bei den sozialen und mit ihren Artgenossen eng verbundenen Tauben zu erheblichem Stress und Leidensdruck“, kritisiert Pichl. Gleichzeitig sind weiße Rasse- oder Kunstflugtauben überhaupt nicht darauf vorbereitet, von der Hochzeitslocation nach Hause zu fliegen. Schließlich haben sie ihr Leben bis zu diesem Zeitpunkt in der Regel ohne die Möglichkeit zum Frei- und Streckenflug verbracht. „Die Tauben verfügen also weder über die körperliche Fitness noch haben sie den erforderlichen guten Orientierungssinn.
Die speziell auf ein helles Federkleid gezüchteten Tiere sind Studien zufolge krankheitsanfälliger und gleichzeitig nicht so fluggewandt wie ihre dunkel gefiederten Artgenossen“, so Pichl. „Bei Pfautauben kann darüber hinaus das durch die Zucht veränderte Federkleid zu weiteren Einschränkungen und Belastungen führen.“ Erschwerend hinzu kommt, dass die Tauben bei allen möglichen Wetterbedingungen fliegen gelassen werden dürfen, was ihnen die Rückkehr zu ihren Züchtern zusätzlich erschwert. In der Folge sind die Tiere ab ihrer Freilassung völlig auf sich allein gestellt – und getrennt von ihren vertrauten Artgenossen dazu gezwungen, in einer Umgebung zu überleben, die sie nicht kennen.
Der Moment, der das Hochzeitspaar und die Gäste so emotional berührt, bedeutet für viele Tauben daher im gleichen Augenblick das sichere Todesurteil. Viele von ihnen verhungern, verdursten, sterben bei dem Flug gegen Hochspannungsleitungen oder werden von Greifvögeln erbeutet. Die Tiere, die überleben und nicht nach Hause finden, stranden oft in Städten und leben von da an das leidvolle Leben als Stadttauben. Andere landen wiederum in der Obhut von Tierschutzvereinen und Tierheimen, die sich um die oft völlig entkräfteten Tiere kümmern. „Das Geschäft mit den Hochzeitstauben führt also nicht nur zu direktem Tierleid, sondern belastet auch die Kapazitäten der oft so schon ausgelasteten Tierheime und führt gleichzeitig dazu, dass die Stadttaubenpopulationen anwachsen“, kritisiert Pichl. Doch viele Züchter kalkulieren den Verlust der Tiere von vornherein mit ein.
Die Anbieter können ihre Tiere für die Veranstaltungen vermieten oder verkaufen, ohne dass die Käufer über Fachwissen verfügen müssen, um die Tiere auf dem eigenen Fest zu betreuen oder gar danach zu behalten und zu versorgen. Ob vermietet oder verkauft: Die Tiere leiden auch direkt vor und auf den Feiern. So müssen sie nicht selten vor ihrer Freilassung stundenlang, zum Teil auch über Nacht, in nicht geeigneten Käfigen ausharren. Außerdem ist es üblich, dass die Hochzeitspaare mit den Tauben in ihren Händen für Fotos posieren. Für die Tiere bedeuten diese Shootings erheblichen Stress. Insbesondere dann, wenn die Brautpaare die Tiere nicht richtig halten und sie zum Beispiel zu fest drücken und so ihre Atmung behindern. Auch Verletzungen an den Flügeln sind nicht auszuschließen.
Aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes machen sich viele Hochzeitstaubenzüchter des Vergehens vorsätzlicher Tierquälerei schuldig, weil sie die meist tödlich endende Qual der Tiere zumindest billigend in Kauf nehmen. Überleben die Tauben, müssen aber über einen längeren Zeitraum oder wiederholt erhebliche Schmerzen oder Leiden ertragen, machen sie sich auch hiermit strafbar. Und selbst wenn der Vorsatz nicht nachgewiesen werden kann, kommt bei Fahrlässigkeit immer noch eine Ordnungswidrigkeit in Betracht. Fahrlässig handeln sie nämlich auch, wenn sie ihre Tiere Laien für Feste zur Verfügung stellen, ohne selbst vor Ort zu sein. „Leider kommt es aber nur zu einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Tierquälerei, wenn am einzelnen Tier konkrete Nachweise erheblicher Schmerzen, Leiden oder Schäden geführt werden können“, bedauert Pichl.
Darüber hinaus kann auch ein Verstoß gegen das Verbot des Aussetzens von Tieren beim Freilassen der Tauben vorliegen. Sicher verfolgen nicht alle Züchter direkt die Absicht, die Tiere wirklich auszusetzen, sondern setzen darauf, dass sie zurückkehren – manche von ihnen kennzeichnen sie mit sogenannten Kennringen und Telefonnummern. „Aber sie wissen, dass die Tauben dazu oftmals kaum in der Lage sind, insbesondere wenn die Tiere dafür kein Training erhielten“, sagt Pichl. Der Deutsche Tierschutzbund lehnt das Geschäft mit Hochzeitstauben ganz klar ab und spricht sich auch vehement gegen das Fliegenlassen der Tiere zu anderen Anlässen aus. „Tiere sollten in keinem Fall für die Unterhaltung von Menschen leiden und sterben müssen – auch nicht am vermeintlich schönsten Tag des Lebens“, sagt Pichl. Das gilt auch für den neuen Trend, Schmetterlinge zu züchten, um diese ebenfalls als romantisches Highlight auf Hochzeiten freizulassen.
Bildrechte: Artikelheader: stock.adobe.com – eternalfeelings (Taubengruppe vor Braut); Fotos: stock.adobe.com – AS Photo Project (Paar), Andrei Alexandru (weiße Taube mit zwei grauen), OlegD (Taube auf Dach)