Ausnahme im Tierschutzgesetz ermöglicht Beizjagd mit Greifvögeln

Als Jagdwaffe missbraucht

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Ausnahme im Tierschutzgesetz ermöglicht Beizjagd mit Greifvögeln

Als Jagdwaffe missbraucht

Greifvögel verfügen über hochentwickelte Jagdtechniken. Damit greifen sie sich nicht nur ihre Beute, sondern wecken auch Begehrlichkeiten in der Jägerschaft. Diese hetzt Habichte, Wanderfalken, Wüstenbussarde und Steinadler traditionell auf andere Wildtiere. Doch nicht nur diese sogenannte Beizjagd ist grausam, auch die Haltung der abgerichteten Vögel ist kritisch zu sehen.

  • Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER

Es sind seltene Momente, aber oftmals die faszinierendsten bei einem Spaziergang über Felder, Almen und Wiesen: Sitzt ein Bussard auf einem Zaunpfahl oder kreist ein Steinadler elegant in luftiger Höhe, zieht er unsere Blicke magisch an. Doch sobald der Greifvogel von einem auf den anderen Moment urplötzlich in die Tiefe stürzt und seine Beute zu packen bekommt, zuckt wohl jeder Beobachter innerlich zusammen. Einerseits wird deutlich, wie gut ihre Augen, wie kräftig ihre Krallen und wie groß ihr Jagdgeschick ist. Andererseits fühlen wir umgehend mit den Kaninchen, Füchsen, Fasanen, Tauben oder anderen erbeuteten Vögeln und Kleinsäugern. Doch es gehört nun mal zum Laufe der Natur. Die fliegenden Präzisionswunder stehen in der Nahrungskette höher. Und sie erbeuten, was sie und ihr Nachwuchs zum Überleben brauchen. Ganz anders verhält es sich jedoch, wenn der Mensch die imposanten Vögel als Jagdwaffe missbraucht. Bei der sogenannten Beizjagd setzen Falkner abgerichtete Tiere ein, um frei lebendes Wild zu jagen.

Neben dem Wanderfalken kommen bei der Beizjagd auch die heimischen Arten Habicht und Steinadler zum Einsatz.

Jäger profitieren von Ausnahmeregelung im Tierschutzgesetz

„Es widerspricht nicht nur jeglichen tierschutz-ethischen Überlegungen, dass Menschen ein Tier auf ein anderes hetzen, um es auf grausame Art und Weise zu töten. Auch das Tierschutzgesetz verbietet es prinzipiell. Nur gilt diese wichtige Schutzbestimmung nicht für die Jagd“, sagt James Brückner, Leiter der Abteilung Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. Und so nutzen Teile der Jägerschaft weiterhin Greifvögel für diese traditionelle Methode. Bevor sie die gefiederten Jäger auf die gewünschte Beute ansetzen, scheuchen oftmals Hunde die Wildtiere auf – auch abgerichtete Frettchen treiben Kaninchen aus ihren Bauten. Wenn die sogenannten Grifftöter, also Greifvögel wie Habicht oder Adler, die Beutetiere erwischen, kann es passieren, dass sie diese nicht sofort mit ihren scharfen Klauen erlegen – und sie daher noch länger leiden. „Das kommt in der Natur auch vor. Bei der Beizjagd haben Menschen dies jedoch initiiert. Aus unserer Sicht sind das bewusste Inkaufnehmen von Schmerzen und Leiden durch Jagdformen, die aus dem Mittelalter stammen spätestens seit der Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz nicht mehr mit waidgerechter Jagdausübung zu rechtfertigen und daher als verbotswidriges Hetzen im Sinne des  Tierschutzgesetzes zu bewerten“, erklärt Brückner.

Greifvögel hungern vor der Beizjagd

Dass die Greifvögel überhaupt auf Kommando jagen und anschließend zum Falkner zurückkehren, ist nicht unbedingt einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Tier zu verdanken. Vielmehr „motivieren“ ihre Halter sie, indem sie sie vorher sehr restriktiv füttern, man könnte sagen hungern lassen – teilweise so weit, dass sie körperliche Schäden davontragen (mehr zur tierschutzwidrigen Haltung und Ausbildung von Greifvögeln und ihrem Leid für Flugshows lesen Sie in der Printausgabe 2/2022 von DU UND DAS TIER).

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Keine Begrenzung für nicht-heimische Arten

„Von den heimischen Arten kommen Habicht, Steinadler und Wanderfalke bei der Beizjagd zum Einsatz“, erklärt Brückner. Bei den nicht-heimischen Arten ist hingegen keine Begrenzung vorgesehen. „Sehr häufig setzen Falkner den Wüstenbussard für die Beizjagd ein, da er auch im Wald mit dichtem Unterholz viele verschiedene Beutetiere jagen kann“. In der Vergangenheit züchteten und hielten Falkner auch immer wieder Greifvogelhybride, für die sie unterschiedliche Arten kreuzten. Weil entflogene Hybride sich jedoch mit einheimischen Wanderfalken verpaaren konnten und deren Bestände akut gefährdet haben, sind die Zucht, Haltung und Freiflüge von Greifvogelhybriden mittlerweile verboten.

Falknerjagdschein bewahrt Tiere nicht vor Leid

Verboten ist die Beizjagd auch immerhin all denen, die keinen gültigen Falknerjagdschein besitzen. Dass die Tiere im Umkehrschluss von der nachgewiesenen Sachkenntnis der aktiven Falkner profitieren, bewahrheitet sich leider nicht. Das belegt nicht nur die oben genannte restriktive Fütterung, mit der sie die Tiere zur Steigerung des Jagdtriebs hungern lassen. Auch die Haltung der Vögel während der Jagdsaison ist wenig artgerecht: „In dieser Zeit sind sie üblicherweise mit einer Langfessel von einem bis eineinhalb Meter Länge an einem Holzblock angebunden. Auch sogenannte Flugdrahtanlagen sind gängig. Dass sich die so gehaltenen Greifvögel entsprechend ihrer biologischen Bedürfnisse ausreichend bewegen können, darf stark angezweifelt werden,“ sagt Brückner. Zudem könne die Anbindehaltung mitunter Fußerkrankungen und Geschwülste verursachen (mehr dazu lesen Sie in der Printausgabe 2/2022 von DU UND DAS TIER).

Falkner setzen häufig auch Wüstenbussarde für die Beizjagd ein. Sie können auch im Wald mit dichtem Unterholz viele verschiedene Beutetiere jagen.

Kein Freiflug während der Schonzeiten möglich

Außerhalb der Jagdsaison ergeht es den Tieren aber nur bedingt besser. Denn die Falkner müssen die Vorschriften des Jagdrechts berücksichtigen. Die Jagdzeit für Krähen, Kaninchen, Tauben oder Füchse fällt beispielsweise in die Herbst- und Wintermonate. Im Frühjahr und Sommer gelten für sie oft Schonzeiten. Da die für die Beizjagd gehaltenen Greifvögel dann nicht für die Jagd eingesetzt werden dürfen, leben sie während dieser Zeit in Volieren. „Selbst, wenn den Tieren abseits der Beizjagd die ständige Anbindehaltung erspart bleibt, erhalten sie außerhalb der Jagdzeit keine Chance auf Freiflüge“, so Brückner.

Beizjagd darf nicht weitergehen

Nach wie vor ist es sogar in Einzelfällen immer noch zulässig, wild lebende junge Habichte aus Nestern zu entnehmen und sie anschließend für die Jagd abzurichten – aus Tier- und Naturschutzsicht eine völlig verfehlte Praxis. Insgesamt erfüllt die Beizjagd sicherlich nicht den Anspruch einer Gesellschaft, die ein immer stärkeres Augenmerk auf den Tierschutz legt und zunehmend ökologisch denkt und handelt. „Diese alte Jagdtradition ist aus der Zeit gefallen. Sie hat heute zumeist die Qualität einer tierschutzwidrigen sowie ethisch fragwürdigen Sportform“, erklärt Brückner. Darum fordert der Deutsche Tierschutzbund, das Verbot der Beizjagd ins Bundesjagdgesetz aufzunehmen.

Bildrechte: Artikelheader: Pixabay – Darren Danks (Vogelporträt); Fotos: Pixabay – Alexas_Fotos (Wanerfalke mit Beute), Bruscha (Wüstenbussard auf Hand)