Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER
Frau Wells, warum liegen Ihnen Hundesenioren so am Herzen und wie sind Sie selbst auf den (alten) Hund gekommen?
Heike Wells: Bei der Suche nach einem vierbeinigen Nachfolger oder einer Nachfolgerin für meinen verstorbenen Schäferhundmischling Kalle habe ich mehrere Tierheime besucht – denn der nächste Hund sollte aus dem Tierheim kommen, das war klar. Dabei habe ich viele alte Hunde gesehen, etliche von ihnen warteten schon lange auf ein neues Zuhause. Ich selbst war allerdings nach dem aktuellen Verlust noch nicht bereit, durch einen alten Hund so bald einen weiteren zu verkraften.
Schließlich kam die sechs Monate alte Fritzi zu mir ins Haus. Fritzi hat ihre ersten Lebensmonate in einem dem Deutschen Tierschutzbund angeschlossenen Tierheim verbracht und ist supergut sozialisiert. Als wir beide zu einem Team geworden waren, war es Zeit für einen Hunde-Oldie. Meine häuslichen und beruflichen Bedingungen stimmten, ich begann, mich online in den Tierheimen in der Region umzuschauen – und schnell fiel mir Teddy ins Auge, ein kleiner, zwölf Jahre alter Hund mit schiefem Gesicht. Und so wurde Teddy Fritzis und mein erster vierbeiniger Senior …
Wie entstand die Idee, ein Buch über ältere Hunde zu schreiben?
Wells: Das hat sicher mit meinem Beruf zu tun. Ich bin Journalistin, von daher fällt es mir leicht, Themen zu erkennen und zu strukturieren. Und dieses lag mir, nach der Erfahrung mit mehreren Hunde-Oldies, am Herzen. Klar, wenn es um eine Herzensangelegenheit geht, ist es etwas anderes als ein journalistischer Beitrag, es ist „persönlich“. So ist mein Büchlein dann auch geworden: ein sehr persönlicher Bericht über das Leben mit meinen vierbeinigen Senioren.
Warum haben Hundesenioren es in Tierheimen Ihrer Ansicht nach besonders schwer?
Wells: Ach, die Tierheime tun ja, was sie können … Aber der Trubel, das ständige Gebelle – das ist einfach nichts für die Oldies. Man soll ja Hunde und Menschen nicht vergleichen – aber in Manchem sind sie sich doch ähnlich, finde ich. So sind alte Menschen häufig von unübersichtlichen Situationen überfordert. Und ich bin überzeugt, dass es alten Hunden ähnlich geht.
Sie brauchen Ruhe, ein verlässliches Umfeld – in dem sie allerdings im Rahmen ihrer Möglichkeiten durchaus gefordert und gefördert werden können. Vor allem aber brauchen sie das Gefühl, lieb gehabt zu werden, und das geht nun einmal in einem ruhigen, familiären Zuhause am besten.
Warum lohnt es sich, gerade einen älteren Hund bei sich zu Hause aufzunehmen?
Wells: Bei meiner Premiere mit Teddy habe ich das eher als Beitrag im Sinne des Tierschutzes gesehen: Uns, mir und Fritzi, ging es gut, das wollte ich teilen mit einer „bedürftigen Seele“, wenn man es mal so formulieren soll. Und Teddy hatte ja etliche „Baustellen“: Er war blind, so gut wie taub, Epileptiker – und eben alt.
Dann aber habe ich dank Teddy (und später auch seiner Nachfolger und Nachfolgerinnen) erlebt: Es lohnt sich, weil es Freude macht! Teddy war so ein liebenswerter kleiner Kerl, trotz seiner „Baustellen“! Zu sehen, wie er Vertrauen schöpfte, auf dem Hundeplatz den Macho rausließ, sich seines Lebens freute … das war wunderbar! Auch wenn der Verlust dann schnell kam, nach nicht einmal zwei Monaten durch einen schlimmen Anfall. Aber nach einigen Wochen der Trauer war ich wieder bereit für einen neuen Oldie – eine, wie sich herausstellte, so gänzlich andere Hundeoma.
Was würden Sie Menschen sagen, die Angst haben, dass ihnen nicht mehr viel Zeit mit ihrem Schützling bleibt?
Wells: Was soll ich sagen? Die Angst ist ja berechtigt! Ein alter Hund ist in der Endphase seines Lebens. Aber ich habe erlebt, dass es eine wunderbare Erfahrung ist, einem Hund einen schönen, entspannten Lebensabend zu bescheren.
Der Verlust, die Trauer – klar, das ist schwer. Das muss man „abkönnen“, wie man hier in Norddeutschland sagt. Nicht jeder Mensch kann das. Aber wer es kann, kann gerade diese Kraft und Fähigkeit nutzen. Denn so erlebt man wunderbare Momente im Leben eines Hunde-Oldies mit und, sogar beim Abschied, Innigkeit und Vertrauen. Das ist auch für das eigene Leben eine große Bereicherung.
Der Tod gehört zum Leben, oder? Das wissen wir als Menschen ohnehin, vielleicht jedoch besonders als Hundebesitzerinnen und Hundebesitzer, weil die Lebensspanne unserer tierischen Freunde so viel kürzer ist als die unsere. Aber sollten wir, weil der Verlust so schmerzhaft ist, auf die Freude gemeinsamer Erlebnisse mit einem Hund, ob jung oder alt, verzichten? Ich finde nicht …
„Mission Hundesenior – Ein Plädoyer für Oldies aus dem Tierheim“ von Heike Wells ist bei BoD – Books on Demand und im Buchhandel erhältlich. Lesen Sie hier unsere Kurzrezension: www.duunddastier.de/medienwelten