Flugshows mit Greifvögeln

Vermeintliche Freiheit

Aus dem Print-Magazin
Flugshows mit Greifvögeln

Vermeintliche Freiheit

Flugshows mit Greifvögeln und Eulen ziehen zahlreiche Besucher von Zoos, Tier- und Wildparks in ihren Bann. Die Könige der Lüfte hautnah zu erleben ist für sie ein beeindruckendes Erlebnis. Dabei bleibt ihnen jedoch verborgen, welche Tierschutzproblematik mit der Haltung und Ausbildung der Vögel verbunden ist.

  • Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER

Greifvögel aus der Nähe zu beobachten ist faszinierend und respekteinflößend zugleich. Damit die Falkner die Tiere während der Shows mit Fleisch zu sich zurücklocken können, lassen sie sie davor bis zu einem gewissen Grad hungern – teilweise mit der Folge körperlicher Schäden.

Wenn Sie mit ihren kraftvollen Flügelschlägen über die Köpfe der Zuschauer hinwegfliegen, sind diese hellauf begeistert. Mit ihrem prachtvollen Gefieder und ihren wachen Augen strahlen Greifvögel und Eulen etwas ganz Besonderes aus. Wer diese wunderschönen Tiere aus der Nähe betrachtet, empfindet Bewunderung und Faszination. Mit ihren scharfen Krallen, spitzen Schnäbeln, ihrem wahnsinnig scharfen Seh- und ultraschnellem Reaktionsvermögen sind die Tiere gleichzeitig respekteinflößend, was den Reiz der Flugshows noch einmal erhöht. Die fein ausgeprägten sensorischen Fähigkeiten und hochentwickelten Jagdtechniken machen sie nicht nur zu hochspezialisierten Beutegreifern, sondern auch zu absolut imposanten Lebewesen. Wenn sie in Zoos, Tier-, Wildparks, Falknereien oder Greifvogelwarten zusätzlich mit der entsprechenden Moderation, Musik und viel Applaus in Szene gesetzt werden, ist der Showeffekt perfekt – und wenn die Vögel nach ihrem Flug über das Gelände zu ihren Falknern zurückkehren, der Höhepunkt der Inszenierung erreicht. „Den Zuschauern wird dabei der Eindruck vermittelt, die Haltung der Tiere wäre artgerecht. Verstärkt wird das dadurch, dass die Vögel nach dem Freiflug scheinbar freiwillig zurückkehren“, sagt James Brückner, Leiter der Abteilung Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. „Die Tierschutzproblematik, die mit der Haltung und Ausbildung der Vögel verbunden ist, bleibt ihnen jedoch verborgen.“

Hungern für den Showeffekt

Hinter den Kulissen sieht es leider oft nicht so glamourös und freiwillig aus. Damit die Falkner die Vögel am Ende frei fliegen lassen können, werden diese in der Regel von klein an auf den Menschen geprägt und mit Futter konditioniert. In einem ersten Schritt tragen die Falkner die Tiere dann über längere Zeit auf der Faust und belohnen sie mit kleinen Fleischstücken. Sobald das gut klappt, animieren sie sie, aus kurzer Distanz auf die Faust zu springen, später aus größerer Entfernung. Dabei sind die Vögel stets mit einer Leine gesichert, damit sie nicht wegfliegen können. Am Ende ihrer Ausbildung fliegen sie dann frei und kehren in der Regel zu ihren Falknern zurück. „Damit sie das tun, müssen sie allerdings restriktiv, sprich extrem zurückhaltend gefüttert und so im Körpergewicht erheblich reduziert werden. Übersetzt heißt das, die Vögel müssen bis zu einem gewissen Grad hungern“, so Brückner. Wären sie satt, hätten sie keine Motivation, spontan zu jagen und zum Falkner zurückzukehren. „Zynischerweise sehen einige Falkner und Vertreter des Deutschen Falkenordens genau darin sogar etwas Positives, da das anschließende ‚Sattsein‘ ein ‚wunderbares Wohlgefühl‘ sei.“ Für die Vögel bedeutet das jedoch, dass sie im schlimmsten Fall unter einem längerfristigen Nahrungsmangel leiden. „Es ist davon auszugehen, dass einige Vögel sogar körperliche Schäden infolge dieser restriktiven Fütterung davontragen.“

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Angebunden und zur Unbeweglichkeit gezwungen

Neben der Ausbildung ist auch die Haltung der Vögel tierschutzrelevant. Grundsätzlich leben Greifvögel und Eulen in Zoos und Wildparks in Volieren. „Diese Haltungsform gesteht den Vögeln zwar grundsätzlich Bewegung zu, allerdings sind die Maße der Volieren in der Regel derart gering, dass die Tiere allenfalls wenige Flügelschläge machen beziehungsweise lediglich flattern können“, sagt Brückner. Alle Greifvogel- und Eulenarten leben in freier Natur in einem weitaus größeren Lebensraum, als er ihnen in Großvolieren je geboten werden kann. Viele fliegen, zum Beispiel auf der Suche nach Nahrung, jeden Tag zahlreiche Kilometer und nutzen den dreidimensionalen Raum. Ob die Nahrungs- oder Partnersuche, das Territorialverhalten, der Nestbau oder die Jungenaufzucht – das Leben von Greifvögeln und Eulen spielt sich in der Natur häufig in Höhenlagen ab. „Um die sensiblen Vogelarten in Gefangenschaft zumindest ansatzweise tier- und verhaltensgerecht halten zu können – wie es nicht zuletzt auch das Tierschutzgesetz fordert – müssten weitaus höhere Anforderungen erfüllt werden.“ Den Adlern, Eulen und Falken, die bei Flugshows eingesetzt werden, wird selbst die geringe Bewegung in den Volieren teilweise nur in den Wintermonaten gewährt. Denn in der Zeit, in der die Veranstaltungen stattfinden, was in der Regel von Frühjahr bis Herbst ist, werden sie insbesondere in Schaubetrieben rein falknerisch gehalten. Das bedeutet, dass sie auf sogenannten Blöcken, Recks, Sprenkeln oder an Flugdrahtanlagen angebunden sind. „Sie fristen also einen wesentlichen Teil ihres Lebens in Anbindehaltung“, kritisiert Brückner. „Das wird so gehandhabt, damit die Falkner jederzeit Zugriff auf die Tiere haben.“ Was das für Vögel bedeutet, deren Bestimmung es ist, frei zu sein, sollte jedem klar sein. In Flugdrahtanlagen sind die Tiere mit Lederriemen an den Füßen an einer Leine angebunden, die wiederum an einem Draht befestigt ist, der zwei Sitzmöglichkeiten verbindet. Das heißt, sie können lediglich hin- und herflattern. Mit Fliegen hat das nichts zu tun. An den Showtagen verbringen sie viele Stunden oder sogar den ganzen Tag komplett auf Blöcken oder Recks angebunden, oft sogar mit Hauben auf den Köpfen, die ihnen die Sicht verwehren und sie dadurch ruhigstellen sollen. Abgesehen davon, dass die erzwungene Bewegungslosigkeit nicht weiter von den Bedürfnissen der Tiere entfernt sein könnte, sind auch Verletzungen und Erkrankungen der Füße aufgrund der Anbindehaltung nicht auszuschließen. „Auch ein elastisches Zwischenstück an der Langfessel kann den enormen Druck nicht auffangen, der beim abrupt unterbrochenen Abflug eines Vogels entsteht. Aus unserer Sicht kann die Anbindehaltung der Vögel daher durchaus mit der Kettenhaltung von Hunden verglichen werden“, so Brückner.

Die Eulen und Greifvögel, die zu Showzwecken gehalten werden, fristen einen wesentlichen Teil ihres Lebens in Anbindehaltung.

Eulen leiden besonders stark

Verletzungen sind bei Eulen sogar sehr wahrscheinlich. Denn ihre Beine sind anders aufgebaut als die der meisten Greifvögel. „Häufig werden durch die Lederriemen die Federn an den Beinen der Eulen abgerieben, was zu Hautreizungen oder zur Bildung von Federzysten führen kann“, erklärt Brückner. Eine dauerhafte Anbindehaltung, wie zum Beispiel an der Flugdrahtanlage, entspricht zudem absolut nicht dem natürlichen Rhythmus der Tiere. Denn dort können sie nur tagsüber zwischen den Sitzmöglichkeiten hin- und herflattern, nachts werden sie in die Schutzhütte gesperrt. Allerdings sind fast alle Eulen von Natur aus dämmerungs- und nachtaktiv. „Diese Haltung kann den Tieren schon allein deswegen niemals gerecht werden.“ Werden zudem mehrere Vögel in unmittelbarer Nähe zueinander gehalten, widerspricht dies dem Einzelgängertum der meisten Arten und kann ebenfalls zu Stress führen. Leider gibt es im Rahmen der Flugshows, aber auch bei Tierpflegerstunden im Zoo zudem oft die Möglichkeit, Eulen zu streicheln. Weil sie mit ihren großen Augen und ihrem süßen Gesicht dem Kindchenschema entsprechen, werden sie mittlerweile auch häufig als Therapietiere angeboten. „Das ist für die Vögel mit erheblichem Stress verbunden und Pflegeprodukte auf der Haut der Menschen können sogar zu Gefiederschäden führen“, sagt Brückner. Abgesehen davon, dass auch diese Veranstaltungen ihrem natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus widersprechen.

Für Flugshows gibt es keinen vernünftigen Grund

„Aus der Sicht des Tierschutzes ist einfach kein vernünftiger Grund zur Haltung von Eulen und Greifvögeln für Schauveranstaltungen zu erkennen“, so Brückner. „Diese Form der Vogelhaltung resultiert letztlich aus einer alten Jagdtradition heraus und hat heute zumeist die Qualität einer tierschutzwidrigen sowie ethisch fragwürdigen Sportform.“ Bei einer reinen Ausstellung von Vögeln für Schauzwecke, zum Beispiel auf Falkenhöfen oder Burgfalknereien, werden die Vögel über einen erheblich längeren Zeitraumangebunden gehalten, als es zum Beispiel für die Jagd üblich wäre. „Dieses hohe zeitliche Ausmaß an Einschränkungen des natürlichen Verhaltens ist nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar.“ Einen ernstzunehmenden Beitrag, den Besuchern ein besseres Verständnis für Tiere und Natur zu vermitteln, können solche Veranstaltungen ebenfalls nicht leisten. Hinzu kommt, dass manche Vögel von ihren Freiflügen nicht zurückkehren. Andere verstricken sich irgendwo mit ihren Fesseln oder bleiben hängen. Nutzen die Halter keine GPS-Sender, um die Tiere im Zweifel orten zu können, verhungern sie. Zudem können aus der Gefangenschaft entkommene Greifvögel die Wildpopulationen, zum Beispiel durch die Übertragung von Krankheiten, gefährden. Aus all diesen Gründen lehnt der Deutsche Tierschutzbund jegliche Haltung und Ausbildung von Eulen und Greifvögeln zu Showzwecken ab.

Bildrechte: Artikelheader: stock.adobe.com – Harald Tedesco (fliegender Vogel); Fotos: Pixabay – Thomas Harlandner (Vogel mit Haube), Bernd-Rainer Karl (Eule)