Aus dem Print-Magazin

Fatale Fuchsjagd

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Fatale Fuchsjagd

Bei der sogenannten Baujagd suchen Jäger*innen Füchse ausgerechnet dort auf, wo die Tiere am verletzlichsten sind – in ihrem unterirdischen Bau. Um junge Hunde für diese perfide Jagdmethode auszubilden, werden Füchse zudem durch künstliche Tunnelsysteme gescheucht, wo sie wiederholt Todesängste ausstehen.

  • Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER

Für Füchse ist ein Bau von Natur aus ein sicherer Zufluchtsort. Entweder graben sie diesen selbst oder ziehen in bestehende Höhlen von Dachsen oder Kaninchen ein, die sie dann erweitern. Sie finden dort Ruhe und Schutz, zum Beispiel vor Unwetter und Kälte. Die Weibchen, Fähen genannt, bringen jetzt im Frühjahr ihre Jungen in dem Hauptraum des Baus zur Welt. Die ersten Wochen ihres Lebens verbringen sie gemeinsam in diesen unterirdischen Tunneln. Doch in diesen Höhlen, die den Füchsen einst so viel Schutz boten, sind sie nicht mehr sicher. Denn Jäger*innen rücken den Tieren selbst dort zu Leibe. Bei der sogenannten Baujagd schicken sie eigens abgerichtete Jagdhunde wie Dackel oder Terrier in die Baue, damit diese die verängstigten Füchse durch Bellen und Drohen an die Oberfläche treiben. Die Jäger*innen warten mit ihren Gewehren am Ausgang und erschießen die Tiere, sobald diese aus dem Bau flüchten.

Bei der Baujagd sind auch Hunde Gefahren ausgesetzt: Nicht selten werden sie versehentlich von den Jäger*innen angeschossen, wenn sie zusammen mit den Füchsen aus den Erdbauten springen. Oft kommt es zudem zu Kämpfen zwischen Hunden und Füchsen, sodass sie sich ineinander verbeißen.

Fuchsbaue sind besonders sensible Bereiche

„Baue sind natürliche Rückzugsorte für Füchse und damit ein besonders sensibler Bereich, den niemand antasten sollte“, betont James Brückner, Leiter der Abteilung Wildtiere beim Deutschen Tierschutzbund. Die Jägerschaft nimmt darauf jedoch keinerlei Rücksicht. Auch die Hunde sind großer Gefahr ausgesetzt. Denn nicht selten werden sie versehentlich von den Jäger*innen angeschossen, wenn sie zusammen mit den Füchsen aus den Erdbauten springen. Oft kommt es zudem zu Kämpfen zwischen Hunden und Füchsen, sodass sie sich regelrecht ineinander verbeißen und die Jäger*innen den kompletten Bau aufgraben müssen. „Außerdem sterben Hunde immer wieder, weil sie in den unterirdischen Gängen ersticken oder darin begraben werden“, berichtet Brückner. Genauso problematisch wie die Baujagd ist die Ausbildungsmethode für die Jagdhunde. Um sie auf die unterirdische Hatz vorzubereiten, bilden Jäger*innen sie in sogenannten Schliefanlagen aus – künstliche Bausysteme aus Beton, die wie die natürlichen Baue der Füchse aus Röhren und Gängen bestehen.

Schätzungen zufolge gibt es mehr als 100 Schliefanlagen in ganz Deutschland, die von regional ansässigen Teckel- oder Jagdterrier-Clubs betrieben werden.

Sie liegen meist gut versteckt, sodass die Öffentlichkeit nichts davon mitbekommt. „Damit die Hunde die Jagd an jungen, unerfahrenen Tieren üben können, fangen Jäger*innen Füchse ein oder züchten Jungtiere speziell für diesen Zweck“, erläutert Brückner. „Die Füchse werden über mehrere Jahre eingesetzt.“ Die einzelnen Abschnitte einer Schliefanlage sind durch Trennschieber unterteilbar, sodass die Verantwortlichen den Fuchs bis zu einer zentralen Kammer treiben können, die ebenfalls durch Gitter vom Rest der Anlage abgetrennt ist. Dort muss der Fuchs auf engstem Raum verharren. Danach lassen sie den abzurichtenden Hund hinein, damit dieser die Fährte des Fuchses aufnehmen und ihn in Richtung Kammer verfolgen kann. Dort angekommen, bellt der Hund laut los und versucht, an den Fuchs zu gelangen, der wiederum keinerlei Fluchtmöglichkeit hat. „Auch wenn die Hunde keinen direkten Kontakt zu den Füchsen haben, ist diese Ausbildungsmethode für Letztere mit enormem Stress verbunden“, kritisiert Brückner. „Ihre Anspannung und ihre Angst sind ihnen deutlich anzusehen.“ Damit verspüren die Füchse eindeutig sich wiederholende und länger anhaltende Leiden, was laut Tierschutzgesetz verboten ist, sofern dafür kein „vernünftiger Grund“ vorliegt. Dies vor Gericht juristisch nachzuweisen, ist jedoch sehr schwierig. Denn Schliefanlagen bleiben in der Regel vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen, und die Betreiber*innen haben auch kein Interesse daran, entsprechende Untersuchungen zuzulassen. So ist es nahezu unmöglich, Beweismaterial zusammenzutragen.

Tierschutzwidrige Haltungsbedingungen

Aus Tierschutzsicht ist auch die Haltung der Füchse überaus kritisch zu sehen. „Meist halten die Betreiber*innen die sozialen Tiere einzeln in kleinen, unzureichend strukturierten Gehegen mit Betonböden, die nicht einmal die Vorgaben des sogenannten Säugetiergutachtens des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft einhalten“, bemängelt Brückner. Es beschreibt Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren insbesondere in Zoos, aber auch für die Privathaltung. Demnach reiche in bestimmten Fällen eine Gehegegröße von 40 Quadratmetern für zwei Füchse aus, ansonsten sei die doppelte Größe vorgesehen. Allerdings gilt für bestehende Anlagen oft ein Bestandsschutz, und speziell Schliefanlagen, die bereits viele Jahre bestehen, sind oft deutlich kleiner. „Selbst die neueren Vorgaben sind aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes tierschutzwidrig und bieten den Tieren weder ausreichend Platz noch Beschäftigungs- oder Rückzugsmöglichkeiten“, sagt Brückner. Gerade angesichts des ausgeprägten Bewegungsdrang der Füchse müssten Betreiber*innen eigentlich hohe Standards erfüllen, so der Experte. Zum Vergleich: In Österreich zum Beispiel sind 300 Quadratmeter als Mindestmaß vorgeschrieben. „Futterversorgung und Pflege sind hierzulande häufig mangelhaft, die Gehege verdreckt und zudem kaum strukturiert“, kritisiert Brückner. Verhaltensstörungen wie zum Beispiel Bewegungsstereotypien, bei denen die Füchse ständig im Gehege hin- und herlaufen, sind daher vorprogrammiert und ein untrügliches Anzeichen dafür, wie sehr die Tiere leiden.

Mehr als 421.000 Füchse wurden allein in der Jagdsaison 2021/2022 in Deutschland getötet.

Jagdverbände halten an Ausbildungsmethode fest

„Grundsätzlich ist der Einsatz von gut ausgebildeten Jagdhunden zwar gesetzlich vorgeschrieben. Die Art und Weise der Ausbildung ist es jedoch nicht“, sagt Brückner. Der Jagdgebrauchshundeverband (JGHV) und der Deutsche Jagdverband (DJV) halten dennoch an der barbarischen Methode mit lebenden Füchsen fest und setzen auf „raubwildscharfe“ Hunde, wie es im Jagdjargon heißt. Generell ist es unter anderem laut Paragraf 3 Nummer 7 des Tierschutzgesetzes jedoch verboten, ein Tier wie in diesem Fall an einem anderen lebenden Tier auf Schärfe abzurichten oder zu prüfen. Neben dem fehlenden „vernünftigen Grund“ wertet der Deutsche Tierschutzbund die Abrichtung von Hunden an lebenden Füchsen auch deshalb als klaren Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. In bisherigen Gerichtsurteilen, die noch vor Aufnahme des Staatsziels Tierschutz ins Grundgesetz im Jahr 2002 gefällt wurden, wollten die Richter*innen allerdings keinen Verstoß erkannt haben. In der Begründung hieß es, dass der körperliche Kontakt zwischen Hund und Fuchs durch technische Vorrichtungen wie Gitterschieber ausgeschlossen sei. Verschiedene Anzeigen aus jüngerer Vergangenheit, die Tierschützer*innen gegen Dutzende Betreiber*innen von Schliefanlagen erstattet hatten, waren ebenfalls erfolglos und wurden meist eingestellt. Ein Gutachten der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutz (DJGT) bestätigt, dass die gesamte Rechtsprechung zu diesem Thema aus den 1990er und frühen 2000er Jahren stammt und das Staatsziel Tierschutz folglich nicht berücksichtigt. Unabhängig von der Rechtslage existieren heutzutage verschiedene Alternativen für die Ausbildung von Jagdhunden, bei denen es nicht nötig ist, sie auf einen lebenden Fuchs zu hetzen. Beispiele hierfür sind Duftstoffe oder indem Junghunde erfahrene ältere Hunde begleiten und das erwünschte Verhalten von ihnen lernen.

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Die Jagd auf Füchse ist sinnlos

Insgesamt mehr als 421.000 Füchse wurden allein in der Jagdsaison 2021/2022 in Deutschland getötet. Ob Schliefanlagen, Totschlag- und Lebendfallen oder die Baujagd, solche Ausbildungs- und Jagdmethoden sind aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes grausam und zugleich völlig sinnlos. Die Gründe, mit denen Jäger*innen die Jagd auf Füchse rechtfertigen, sind veraltet und nicht zutreffend: „Oft führt die Jägerschaft den Artenschutz, also den Schutz von Feldhasen, Kaninchen sowie Fasanen und seltenen Bodenbrütern wie Rebhühnern und Kiebitzen an, dabei gehen deren Populationen vor allem wegen der intensiven Landwirtschaft zurück.“ Außerdem habe die jahrzehntelange Jagd auf Füchse ihren Rückgang offensichtlich nicht aufhalten können, so Brückner. Andere Füchse würden die freiwerdenden Revierplätze sofort einnehmen. „Generell sind Füchse nicht der ausschlaggebende Faktor für die Gefährdung bestimmter Arten, da sie sich von Natur aus vor allem von Mäusen, Regenwürmern und Aas ernähren, ebenso von Früchten und in Städten natürlich von Abfällen.“ Vielmehr nimmt der Fuchs als einer der größten Beutegreifer Deutschlands eine wesentliche ökologische Rolle ein. Auch die Ausbreitung von Wildseuchen und Krankheiten wie Räude und Staupe können Jäger*innen nicht verhindern, da diese bei Wildtieren immer wieder auftreten und bei Haustieren gut behandelbar sind. Aus all diesen Gründen kämpft der Deutsche Tierschutzbund seit jeher für den Schutz von Füchsen. Dabei setzt der Verband auf Überzeugungsarbeit und fordert in offenen Briefen, Arbeitsgremien und in Gesprächen mit führenden Politiker*innen umfassende Gesetzesnovellen der völlig veralteten Jagdgesetzgebung. So muss die Politik endlich die Ausbildung von Jagdhunden an lebenden Tieren und tierquälerische Jagdmethoden wie die Baujagd verbieten. Grundsätzlich sollte die längst nicht mehr zeitgemäße Fuchsjagd ein Ende haben, um das Leid dieser schützenswerten Tiere ein für alle Mal zu stoppen.