Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER
Satellitenbilder der Erde zeigen es ganz deutlich: Vor allem die Metropolen erstrahlen nachts leuchtend hell. Welche Auswirkungen dieser sogenannte „artificial skyglow“ hat, erforschen Wissenschaftler schon seit geraumer Zeit. Mehr als 80 Prozent der Weltbevölkerung leben Studien zufolge unter einem lichtverschmutzten Nachthimmel. Nicht nur wir Menschen werden von diesem künstlichen Licht beeinflusst. Es bringt auch den natürlichen Lebensrhythmus von zahlreichen Tierarten durcheinander – ihre „innere Uhr“ gerät sozusagen aus dem Takt. „Normalerweise regelt der Wechsel zwischen Tag und Nacht als Taktgeber biologische Funktionen, wie etwa den Schlaf, die Verdauung, den Hormonhaushalt und typische Verhaltensweisen“, erläutert Katrin Pichl, Referentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund.
Viele Zugvögel kommen nachts, wenn sie rasten, schlechter zur Ruhe und können somit weniger Energie für ihre weite Reise tanken. Sie werden durch unsere Beleuchtung von ihrem Kurs abgebracht und kollidieren nachts öfter mit Gebäuden oder Fahrzeugen. Darüber hinaus beobachteten Wissenschaftler bei einigen Singvögeln, dass ein unterbrochener und verkürzter Schlaf zu einem erhöhten Cortisolspiegel, also zu mehr Stress geführt hat. Ihr Verhalten hatte sich dahingehend geändert, dass sie mehr fraßen und mehr Schlafpausen am Tag einlegten. „Werden ihre Nester künstlich angestrahlt, verändert sich auch ihr Brutverhalten“, so Pichl. Amseln werden zeitiger fortpflanzungsreif und müssen ihren Nachwuchs dann früher versorgen, obwohl die Natur noch nicht genügend Nahrung bereithält. Auch auf nachtaktive Insekten, Amphibien und Fledermäuse haben Straßenlaternen, beleuchtete Areale, Leuchtreklamen und Co. einen negativen Einfluss. So nutzen Nachtfalter normalerweise den Mond und die Sterne zur Orientierung. Künstliches Licht wird für sie jedoch zu einer regelrechten Todesfalle: Insekten werden in Massen davon angezogen, prallen gegen die Lichtquelle oder umfliegen diese, bis sie völlig erschöpft sind und somit leichte Beute etwa für Mäuse oder Kröten werden. Laut wissenschaftlichen Hochrechnungen sollen bereits in Deutschland mehr als 60 Milliarden Insekten allein in den Sommermonaten durch künstliches Licht sterben. Der Verlust all dieser Insekten, insbesondere der Nachtfalter, wirkt sich auch dramatisch auf die Pflanzenwelt aus, denn bei der Bestäubung nehmen sie eine besonders wichtige Rolle ein. Selbst für ihre Fressfeinde hat das künstliche Licht Nachteile. Frösche zum Beispiel werden bei ihren Wanderungen gestört, da das Licht ihre Wegstrecken zerschneidet.
Dramatisch ist die Situation auch für Fledermäuse – bei ihnen verändert sich das Jagd- und Flugverhalten. „Sie sind an die Dunkelheit angepasst, daher werden lichtscheue Arten bereits von geringer Beleuchtung abgeschreckt und in ihrer Navigation behindert. Sie meiden die ohnehin nur wenig vorhandenen Unterschlupfmöglichkeiten, wenn diese angestrahlt werden.“ Für Jungtiere bedeutet das ebenfalls Gefahr. Sie lernen in der Nähe ihrer Kinderstube fliegen – wird diese beleuchtet, sind sie für Eulen und Katzen sichtbarer, zudem betreuen ihre Eltern sie weniger, da diese sich scheuen, in ihre Quartiere zu fliegen. Darüber hinaus stört Lichtverschmutzung den Tag-Nacht-Rhythmus von Nagetieren. Sie schlafen länger und sind weniger aktiv. „Forscher der Universität Potsdam haben herausgefunden, dass Rötelmäuse weniger nach Nahrung suchen, wenn sie sich in beleuchteten Gebieten aufhalten“, so Pichl. „Zudem führten die veränderten Wach- und Schlafphasen dazu, dass sich weniger Tiere begegnen und ihre Partnersuche erschwert wird.“ Unter Wasser beeinflusst das künstliche Licht die Tierwelt ebenfalls. Zum Beispiel können beleuchtete Brücken Fische bei ihrer Laichwanderung beeinträchtigen. „Auch der Hormonhaushalt vieler Unterwassertiere verändert sich, sodass sie sich weniger fortpflanzen.“ Eine Studie hat darüber hinaus gezeigt, dass Strandflohkrebse durch künstliches Nachtlicht weniger nach Futter suchen. Dabei nehmen sie eine wichtige Funktion ein, da sie Seegräser, Algen und tierische Bestandteile an Stränden recyceln und eine Nahrungsgrundlage für Vögel sind.
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All diese Beispiele verdeutlichen: Es ist zu hell auf dieser Welt. Tatsächlich sind aber zumindest hierzulande einige Besserungen in Sicht. So wurden im Juni dieses Jahres zur Umsetzung des Insektenschutzgesetzes Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz verabschiedet, die ab März 2022 eine Reduzierung der Lichtverschmutzung vorschreiben. Beispielsweise sollen Straßenlaternen und Leuchtreklamen so ausgerüstet werden, dass sie keine Insekten mehr anziehen. Zudem ist geplant, künstliches Licht nur dort einzusetzen, wo es notwendig ist. Ein Verbot soll zudem verhindern, dass Beleuchtungen in Naturschutzgebieten errichtet werden. Auch außerhalb von Schutzgebieten sollen technische, innovative Vorgaben für eine insektenfreundliche Beleuchtung sorgen. „Dies sind zwar sinnvolle Maßnahmen, allerdings reichen diese nicht aus“, so Pichl. „Es besteht die Gefahr, dass durch stetig wachsende Siedlungsräume Dunkelräume immer weiter verschwinden, weshalb es dringend notwendig ist, geschützte Biotope zu bewahren und auszubauen.
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