Autoren: Nadia Wattad, Redaktion DU UND DAS TIER
In Freiheit würde eine Großkatze wie der Tiger nie wie ein Känguru herumhüpfen – im Zirkus aber schon. Ebenso wenig hat man im Wald schon mal einen Bären auf einem Roller vorbeirauschen sehen. Und Elefanten machen in Freiheit keinen Kopfstand. In monatelanger Dressur richtet sie der Dompteur bereits in ihren jungen Jahren auf dieses widernatürliche Verhalten ab, bricht ihren Willen und etabliert sich –den Menschen– als ranghöchstes Tier. Nur dann wird auch ein erwachsener Elefant später noch das in der Manege tun, was sein Herr von ihm verlangt. Und sollte er dennoch einmal aufbegehren, stehen Hilfsmittel wie der Elefantenhaken, ein Stock mit Eisenspitze, oder ähnliche Folterwerkzeuge parat.
Auch im Circus Krone war es nun wieder so weit. James Brückner, Experte für Artenschutz vom Deutschen Tierschutzbund, war bei einer Vorstellung in München vor Ort: „Die Elefanten marschieren ein. Auf jedem der Dickhäuter strahlen spärlich bekleidete Damen für die Zuschauer um die Wette. Zunächst laufen die Elefanten eine Runde durch die Manege. Später zeigen die Tiere verschiedene angebliche Kunststücke; sie sollen das Bein heben, sich ablegen und dann auf ihrem Hinterteil sitzen, während sie die Vorderfüße in die Luft strecken. Als Höhepunkt zeigt Elefantendame Bara dann noch den viel diskutierten Rüssel-Kopfstand. Spätestens jetzt stelle ich mir die Frage, ob die Zirkusbefürworter ihr Argument der ‚natürlichen Bewegungsabläufe wirklich ernst meinen. Natürlich können auch Elefanten wie andere Tiere oder Menschen komplizierte und anstrengende Bewegungen ausführen, etwa, wenn sie mit ihrem Rüssel Blätter von einem Baum holen und sich dabei strecken. Täglich und im fortgeschrittenen Alter kommt das aber kaum vor.“
Außerhalb der Manege sucht man eine tiergerechte Unterbringung im Circus Krone vergeblich. Die Elefanten haben ein Stallzelt, in dem sie nachts untergebracht sind. Angekettet, denn niemand kann die ganze Nacht darauf achten, dass die Tiere nicht ausbrechen. Tagsüber befinden sie sich für wenige Stunden in einem kleinen Außengehege, das eigentlich 250 Quadratmeter groß sein sollte, auch damit sich die Tiere zumindest etwas bewegen können und ein wenig Abwechslung haben. Hier im Zirkus stehen sie auf blankem Beton, der Festplatz ist wie in vielen Städten eben befestigt – ein Feld oder eine große Wiese gibt es meist nicht. Ein Sandhaufen, ein Baumstamm zum Scheuern und ein paar Äste – mehr haben die Elefanten nicht, um sich zu beschäftigen.
Und obwohl die Tiere in diesem Zirkus sogar Artgenossen um sich haben, was nicht selbstverständlich ist, sind sie mit Strombändern voneinander getrennt. Ansonsten würde es ständig zu Konflikten kommen, da die bunt zusammengewürfelte Gruppe sich untereinander nicht vertragen würde – anders als in der freien Wildbahn, wo weibliche Elefanten in Mutterfamilien mit ihren Verwandten umherziehen. Da die Zirkuselefanten als Jungtiere von ihren Familien in der Wildnis getrennt und an den Zirkus verkauft wurden, haben sie nie richtige Sozialkontakte gehabt und kein entsprechendes Verhalten ausleben können.
Es kommt auch immer wieder zu Ausbrüchen und Unfällen mit Wildtieren aus Zirkussen: Ein Braunbär entkam vor wenigen Jahren aus dem Zirkus Universal Renz und biss einen Polizisten ins Bein. Das Tier wurde daraufhin erschossen. Ebenso erging es einer Löwin aus dem Zirkus Humberto, die ihre Freiheit mit dem Leben bezahlte. In einem weiteren Fall schleuderte die Elefantendame eines kleinen Wanderzirkusses einen Vater mit seinem Kleinkind durch die Luft, beide wurden schwer verletzt.
In einem jüngst gesendeten Beitrag der ZDF-Sendung „Frontal 21“ rechtfertigt der Tierschutzbeauftragte des Circus Krone, Frank Keller, das Mitführen von Wildtieren. So sei die Arterhaltung der Tiere eine wichtige Aufgabe der Zirkusse. James Brückner, Experte für Artenschutz des Deutschen Tierschutzbundes dazu: „Das ist völliger Unsinn. Weder sind Zirkusse an entsprechenden Zuchtprogrammen beteiligt, noch pflanzen sich Wildtiere – abgesehen von Löwen und Tigern – unter den schlechten Haltungsbedingungen im Zirkus ausreichend fort.“
Zirkus Alberti wirbt unter anderem mit Affen, Kamelen, Pferden sowie „Big Grizzly“, dem größten Braunbären der Welt. Beim Besuch vor Ort zeigt sich, dass Ben, so sein Rufname, zwar ein durchaus stattliches Tier ist, aber ein eher trauriges Dasein im Käfigwagen fristet. Lesen
Auch Seelöwen gehören zum Programm bei Circus Krone. Außerhalb der Vorstellung sind sie in einem Becken aus Planen untergebracht. Etwas mehr als einen Meter tief und gut 50 Quadratmeter groß muss dieses mindestens sein. Die wendigen Tiere haben es in wenigen Sekunden mehrfach durchquert. Artgerecht sieht wohl anders aus. Dasselbe gilt für Tsavo, ein stattliches Breitmaulnashorn, das schon einige Jahrzehnte im Zirkus Barum und nun bei Krone auf dem Buckel hat. Die eigentlich majestätische Erscheinung des grauen Riesen verkommt vor der Zirkuskulisse unweigerlich zur traurigen Gestalt: Tsavo liegt teilnahmslos in einer Ecke auf einem Sandhaufen. Mehr gibt es in seinem Gehege auch nicht, abgesehen von einem Zirkuswagen, in den er sich zurückziehen kann, und dem Auftritt in der Manege, die er täglich einmal umrunden darf. Eigentlich müsste Tsavo ein abwechslungsreiches Außengehege von 1.000 Quadratmetern wie seine Artgenossen im Zoo haben – hier muss er sich mit rund 125 Quadratmetern begnügen. Denn Nashörner gelten als Schautiere, die lediglich vorgeführt, aber nicht für Dressuren abgerichtet werden können. Aus diesem Grund ist es Zirkussen in Deutschland inzwischen verboten, Nashörner neu anzuschaffen.
Die sogenannten „Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben oder ähnlichen Einrichtungen“ dienen Zirkusbetreibern als Richtschnur. Sie weichen allerdings erheblich von den Vorgaben des sogenannten „Säugetiergutachtens“ für Wildtiere in Zoos oder in Privathaltung ab, welches nur in der spielfreien Zeit und im Stammquartier gilt. Dieses Gutachten gibt unter anderem vor, wie groß das Gehege von Säugetieren sein muss. Die geringeren Anforderungen der Zirkusleitlinien werden offiziell dann für vertretbar gehalten, „wenn das gehaltene Tier täglich verhaltensgerecht beschäftigt wird“. Darunter fallen die Ausbildung, das Training oder das Vorführen der Tiere in der Manege. In der Praxis sind dies oft nur ein bis zwei Auftritte von je fünf bis zehn Minuten und sind daher nicht ausreichend.
Der Deutsche Tierschutzbund lehnt die These der verhaltensgerechten Beschäftigung durch die Dressur ab, da sie weder wissenschaftlich belegt noch im Zirkusalltag überprüfbar ist. Zudem werden auch Zootiere täglich beschäftigt – je nach Zoo sogar nach Erkenntnissen der Verhaltensforschung. Dies macht deutlich, dass angesichts der starken Abweichungen der Zirkusleitlinien im Vergleich zum Säugetiergutachten nicht einmal ansatzweise von einer artgerechten Unterbringung von Zirkustieren gesprochen werden kann.
Bildrechte: Titelbild: Deutscher Tierschutzbund e. V./ M. Marten, "Elefanten in Manege": Deutscher Tierschutzbund e. V., "Elefant hinter Gitter", "Nilpferd in Manege", "Nilpferd Haltung", "Nashorn und Giraffe": Deutscher Tierschutzbund e. V./ M. Marten