Verfehlte Zucht

Wenn Zoos über Leben und Tod entscheiden

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Verfehlte Zucht

Wenn Zoos über Leben und Tod entscheiden

Während Zoos sich auf der einen Seite den Artenschutz auf die Fahnen schreiben, töten sie auf der anderen Seite Tiere, deren Gene nicht in ihr Zuchtprogramm passen oder die eigens zur Verfütterung gezüchtet wurden – darunter auch Tiere, die jung und gesund sind oder in freier Wildbahn als „gefährdet“ gelten. Viele Zoos, die im Verband der Zoologischen Gärten organisiert sind, fordern sogar offen, das Töten von Tieren „rein aus Managementgründen“ zu legalisieren. Der Deutsche Tierschutzbund kritisiert dies scharf und fordert ein grundlegendes Umdenken.

  • Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER

Im Zoo Heidelberg wurde ein gesunder Kudu-Bock getötet, weil die Kudu-Herde aufgelöst wurde und er als einziges männliches Tier keinen Abnehmer fand.

Einige Besucher*innen, vor allem diejenigen, die den Zoo Heidelberg und dessen tierische Bewohner gut kennen, konnten ihren Augen wahrscheinlich kaum trauen. In den beiden Gehegen der Löwen und Tiger lagen im Frühjahr dieses Jahres die Überreste eines Kudu-Bocks. Das prächtige Tier mit dem graubraunen Fell und mächtigen, korkenzieherförmigen Hörnern stand vor kurzem noch quicklebendig mit seiner Herde unweit entfernt in einem anderen Gehege des Zoos – von Krankheit oder Alter keine Spur. Doch diese Kudu-Herde wurde inzwischen aufgelöst und der Bock, das einzige männliche Tier dieser Gruppe, getötet und an die Löwen und Tiger der Einrichtung verfüttert. Wie der Zoo Heidelberg selbst mitteilte, hatte dieser sich entschlossen, die Haltung und Zucht der Großen Kudus aufzugeben, um stattdessen die Haltung der Zebras und Blessböcke zu verbessern. Während die Weibchen laut Aussagen des Tiergartens alle in andere Einrichtungen in Deutschland, Frankreich und der Slowakei untergebracht wurden, fand einzig der Kudu-Bock keinen Abnehmer. Das Problem der Zoos: Anders als Weibchen können Antilopenböcke nicht in bestehende Herden integriert werden, wenn diese bereits ein dominierendes Männchen haben. „Ebenso sollte der Heidelberger Kudu-Bock keine eigene Zuchtgruppe mehr führen, da er in der Vergangenheit bereits seine Gene durch mehrere Nachkommen weitergegeben hatte“, schreibt der Zoo auf seiner Website. So bestünde die Gefahr von Inzucht. Auch die Einzelhaltung des Bocks schloss der Tierpark aus, da Kudus normalerweise in der Gemeinschaft mit Artgenossen leben. In Abstimmung mit allen Verantwortlichen wurde „die schwere Entscheidung getroffen, den Kudu-Bock zu töten und als Futtertier an die Löwen und Tiger zu verfüttern.“

Wer darf leben, wer soll sterben?

Dieses Beispiel ist bei Weitem kein Einzelfall. Alljährlich töten europäische Zoos junge, kerngesunde Tiere, die als „überzählig“ gelten – darunter vor allem Männchen und auch immer wieder Exemplare von Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind. Oft passen sie nicht in die weitere Zuchtplanung und können nicht in andere Zoos vermittelt werden. Während der Zoo Heidelberg die Entscheidung immerhin transparent kommunizierte, gehen die meisten anderen Zoobetreiber*innen insbesondere in Deutschland nicht so offen mit diesem Thema um. Sie kehren lieber unter den Teppich, wie viele ihrer tierischen Bewohner sie Jahr für Jahr töten, obwohl diese oftmals noch jung und gesund sind. Nach außen hin vermitteln viele von ihnen eine heile Welt, in der sie sich für den Artenschutz und eine Aufklärung der Öffentlichkeit einsetzen. Zwar hat in den vergangenen Jahren durchaus ein Umdenken in Zoos stattgefunden, sodass die meisten wissenschaftlich geführten Einrichtungen in Deutschland die Haltungsbedingungen mehr und mehr auf die Bedürfnisse ihrer Tiere anpassen – eine Entwicklung, die sicherlich auch auf den gesellschaftlichen Wandel und die zunehmenden Forderungen nach mehr Tier- und Artenschutz zurückzuführen ist. In puncto Populationskontrolle, Zuchtprogramme und Verfütterung von Tieren liegt jedoch noch sehr viel im Argen. Tatsächlich ist das Töten von Zootieren in ganz Europa gang und gäbe. So werden geschätzt jährlich 3.000 bis 5.000 gesunde Tiere in europäischen Zoos, die Mitglied der Europäischen Vereinigung der Zoos und Aquarien (EAZA) sind, eingeschläfert, mit Bolzenschussgeräten getötet oder – wie im Fall des Kudu-Bocks – erschossen.

„Ein gesundes Tier zu töten ist der größte Schaden, den man ihm zufügen kann – das müssen Zoos mit allen Mitteln verhindern.“

– James Brückner

Ein ähnlicher Fall im Zoo Kopenhagen im Jahr 2014 löste europaweit große Empörung aus, als die gesunde, eineinhalb Jahre alte Giraffe Marius getötet, vor einem Publikum ausgeweidet und anschließend den Löwen zum Fraß vorgeworfen wurde. Dem Zoodirektor zufolge war es wegen Inzuchtgefahr unmöglich, den Giraffenbullen innerhalb des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EAZA Ex situ Programm, EEP) weiterzuvermitteln – in dessen Zuchtbuch werden für alle Individuen einer Tierart in europäischen Zoos die wichtigsten Lebensdaten eingetragen. Vordergründig gehört es zwar zu den Aufgaben von Tierparks, mithilfe des EEP bedrohte Tierarten und ihr Erbgut zu erhalten. Oft züchten Zoos aber auch Tiere, die in der Natur nicht gefährdet sind – dann ist es unter anderem das Ziel, mit dem süßen Tier-Ein „Überschuss“ an Tieren entsteht aber auch dann, wenn die Würfe größer sind als gewöhnlich oder mehr Jungtiere überleben als erwartet.

Gorillas gelten als vom Aussterben bedroht. Trotzdem gibt es Zoos, die die männlichen Nachkommen kastrieren, weil es sonst zu Konflikten in der Gruppe kommt und die Auswilderung schwierig ist.

Gorillas gelten als vom Aussterben bedroht. Trotzdem gibt es Zoos, die die männlichen Nachkommen kastrieren, weil es sonst zu Konflikten in der Gruppe kommt und die Auswilderung schwierig ist.

Kein Platz für die männlichen Tiere

In Zoos leben zahlreiche Tierarten, deren Herden oder Gruppen natürlicherweise aus überwiegend weiblichen Tieren und einem dominierenden Männchen bestehen. Wenn wiederholt männliche Jungtiere zur Welt kommen, reicht der beengte Platz der Gehege für sie meist nicht aus. Blieben mehrere ausgewachsene Männchen in einer Gruppe, würde es zu gefährlichen Konkurrenzkämpfen zwischen den Tieren oder zu Inzucht kommen. Das trifft beispielsweise auf Antilopenarten, wie etwa den Kudus, oder auch auf Gorillas zu. Der Nürnberger Tiergarten kündigte daher im März dieses Jahres an, zwei junge Gorillamännchen zu kastrieren. Obwohl Westliche Flachlandgorillas vom Aussterben bedroht sind, wolle der Zoo somit einer Empfehlung des Fachgremiums des EEP folgen. Die Tiere auszuwildern schloss der Tiergarten aus – unter anderem bestehe das Risiko, dass sich die Zootiere und die frei lebenden Gorillas gegenseitig mit Keimen anstecken oder durch Wilderei getötet werden. Zudem würden sich die Bedingungen in den Schutzgebieten wegen des Klimawandels, der Zerstörung ihres Lebensraums und Seuchen zunehmend verschlechtern. Die Kastration solle somit ermöglichen, dass der Vater der jungen Gorillamännchen sie weiterhin in der Gruppe akzeptiert. Das Beispiel zeigt, wie problematisch die Haltung dieser Tiere ist: „Zoos bieten Menschenaffen kein Umfeld, das ihre natürlichen Bedürfnisse erfüllt oder in dem sie sich auch nur ansatzweise wie in freier Wildbahn verhalten können“, sagt Denise Ritter, Referentin für Wildtiere beim Deutschen Tierschutzbund. „Zudem trägt ihre Haltung in keiner Weise zum Arterhalt in der Natur bei, da Auswilderungen überhaupt nicht vorgesehen sind.“

Alljährlich töten europäische Zoos junge, kerngesunde Tiere,
die als „überzählig“ gelten – darunter vor allem Männchen und
auch immer wieder Exemplare von Tierarten,
die vom Aussterben bedroht sind.

Bei Elefanten sehen Zoos oft keine Möglichkeit, die männlichen Nachkommen dauerhaft unterzubringen. Denn in der Natur müssen alle Bullen ab einem gewissen Alter die Herde verlassen.

Bei Elefanten sehen Zoos oft keine Möglichkeit, die männlichen Nachkommen dauerhaft unterzubringen. Denn in der Natur müssen alle Bullen ab einem gewissen Alter die Herde verlassen.

Um Gorillas und andere Menschenaffen zu schützen, sollten Zoos sich lieber dafür einsetzen, die Hauptursachen für ihre starke Bedrohung zu bekämpfen – etwa den Verlust ihres natürlichen Lebensraums und die Wilderei. Auch bei Elefanten sehen Zoos oft keine Möglichkeit, die männlichen Nachkommen dauerhaft unterzubringen. Denn in Elefantenherden haben die Weibchen das Sagen – in der Natur müssen alle Bullen ab einem gewissen Alter die Herde verlassen. Zunächst bilden sie Gruppen, die aus Jungbullen bestehen. Werden sie geschlechtsreif, leben sie zeitweilig allein oder ziehen in losen Gruppen umher. Der Zoo Heidelberg hält als derzeit einzige Einrichtung in Deutschland eine Gruppe junger Elefanten. Andere Tiergärten nehmen kaum männliche Tiere auf und beherbergen meist nicht mehr als einen Bullen in Einzelhaltung. Weitere Bullen vermitteln sie unterdessen oft an andere europäische Zoos.

Die Argumente der Zoos sind nicht haltbar

Trotz dieser Probleme halten die meisten Zoos an der Zucht fest. Oft geben sie dabei an, dass sie den Tieren natürliche Verhaltensweisen wie die Fortpflanzung und Jungenaufzucht ermöglichen möchten. Aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes ist das jedoch nur bedingt realistisch: „Wildtiere in Menschenobhut sind ohnehin durch die Haltung in einem künstlichen Umfeld und auf begrenztem Raum vielen Einschränkungen ausgesetzt“, sagt Ritter. „Das Ziel, den Tieren einen naturnahen Lebensraum zu bieten, lässt sich nicht mit einem Überschuss an Tieren vereinbaren – obwohl Zoos diese Notlage rechtzeitig vorhersehen können, züchten sie weiter.“ Zudem ist es in der Natur nicht ungewöhnlich, dass insbesondere Tiere, die einem niedrigeren Rang angehören als ihre Artgenossen, sich nicht fortpflanzen, fügt die Expertin hinzu. Ein weiteres Argument, mit dem Zoos ihre Zuchtprogramme häufig verteidigen, ist der Artenschutz und das Ziel, Tiere später auszuwildern. „Dieser Beitrag ist allerdings überschaubar. Denn von den gehaltenen Tieren zählt nur ein geringer Anteil zu den bedrohten Arten, die in Zuchtprogrammen eingebunden oder gar für eine Auswilderung vorgesehen sind“, so Ritter. Außerdem ist eine Auswilderung von Tieren, die in Gefangenschaft geboren wurden, meist nur dann möglich, wenn Tierpfleger*innen vor der Freilassung ein intensives Training mit ihnen durchführen – doch dafür fehlen meist die Ressourcen. Selbst wenn das nicht so wäre, sind oft nicht mehr genügend natürliche Lebensräume vorhanden, in die die Tiere ausgewildert werden könnten.

Zahlreiche Zoos verfüttern etwa Ziegen und Schafe aus dem eigenen Streichelzoo, wenn diese keine niedlichen Tierbabys mehr sind und der Platz für sie zu knapp ist.

Zahlreiche Zoos verfüttern etwa Ziegen und Schafe aus dem eigenen Streichelzoo, wenn diese keine niedlichen Tierbabys mehr sind und der Platz für sie zu knapp ist.

Von der süßen Attraktion zum Futtertier

Zoos töten nicht nur Tiere, die nicht in ihr Zuchtprogramm passen und keine Abnehmer finden, sondern auch zahlreiche „Futtertiere“. So werden Tiere bezeichnet, die gezielt für die Verfütterung sogenannter Beutegreifer wie Tiger, Löwen oder Greifvögel gezüchtet und getötet werden – wie viele es genau sind, lässt sich kaum ermitteln. Verfüttert werden zum Beispiel Kaninchen und Meerschweinchen, aber auch Hirsche, Rinder und Zebras. Zahlreiche Zoos, beispielsweise in Wuppertal, Gelsenkirchen, Dresden, Stuttgart und München, nutzen dafür auch die tierischen Bewohner aus dem eigenen Streichelzoo, wie etwa Ziegen und Schafe. „Obwohl der Platz kaum ausreicht und oft nicht klar ist, was später mit den Jungtieren passiert, züchten viele Zoos bestimmte Tierarten kontinuierlich nach“, so Ritter. Anfangs sind die niedlichen Tierbabys ein wahrer Publikumsmagnet, der reichlich Einnahmen in die Zookasse spült. Sobald die Jungtiere aber aus dieser Rolle herauswachsen und der Platz knapp ist, töten und verfüttern manche Zoos sie. Eine Praxis, die in ganz Europa üblich ist. Viele Tierparks nutzen auch lieber ihre eigenen Ziegen, Schafe und Co. als Tiere aus der industriellen Tierhaltung. Demnach sei die Tötung eines „überzähligen“ Zootieres verhältnismäßig, da ansonsten ein anderes Tier unter größerer Belastung getötet werden müsste. Aus Tierschutzsicht ist solch eine pauschale Beurteilung nicht möglich, vielmehr muss dies für jedes Tier beziehungsweise jede Tierart einzeln bewertet werden. „Während beispielsweise ein Schwein im Zoo möglicherweise unter beengten Bedingungen gezüchtet und außerhalb eines Schlachthofes getötet wurde, kann ein Artgenosse aus einer ‚angemessenen‘ Nutztierhaltung stammen und schmerzfrei in einem Schlachthof geschlachtet worden sein. Dann ist nicht ohne Weiteres erwiesen, dass es im Zoo tierschutzgerechter zugeht“, sagt Ritter. Es ist daher unabdingbar, dass Zoos streng darauf achten, ihren „Futtertieren“ jegliches Leid zu ersparen und sie bis zu ihrem Tod ihren Bedürfnissen entsprechend zu halten.

Klarer Verstoß gegen das Tierschutzgesetz

Um Wirbeltiere zu töten, muss laut Tierschutzgesetz ein „vernünftiger Grund“ vorliegen. Beim Kudu-Bock im Zoo Heidelberg war das nach Ansicht der Beteiligten der Fall. Rein rechtlich gesehen trifft das auch auf das Töten der sogenannten Futtertiere zu – für Tierschutzorganisationen ist in diesem Bereich daher keine Handhabe möglich. Der Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) sowie die EAZA fordern inzwischen allerdings, auch die Tötung von „überzähligen“ Tieren innerhalb des Populationsmanagements unter bestimmten Umständen zuzulassen und dies ebenfalls als „vernünftigen Grund“ zu deklarieren. Passen also die Gene – wie im Falle des Kudu-Bocks oder der Giraffe Marius – nicht in den Zuchtplan, sollten Zoos die Tiere nach Ansicht von VdZ und EAZA generell töten dürfen, wenn sie „umfassend artgerecht“ gehalten wurden. Aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes ist das jedoch absolut inakzeptabel: „Wir lehnen die Tötung gesunder Tiere grundsätzlich ab. Diese Art und Weise der Bestandsregulierung stellt nicht nur ein en Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar, sondern ist auch ethisch unverantwortlich“, betont James Brückner, Leiter der Abteilung Wildtiere beim Deutschen Tierschutzbund. Die Zooseite übersieht außerdem, dass bereits die Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren in Zoos, die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im sogenannten Säugetiergutachten vorgibt, keinesfalls „umfassend artgerecht“ sind. „Bei vielen Arten ist dies in Zoos schlichtweg nicht möglich, da ihr Bewegungsraum zu stark eingeschränkt ist und sie wichtige Verhaltensweisen nicht ausleben können – zum Beispiel können Großkatzen nicht jagen und Menschenaffen werden geistig nicht genügend ausgelastet“, sagt Brückner. Die Tiere im Rahmen eines Bestandsmanagements beziehungsweise von Erhaltungszuchtprogrammen zu töten ist aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes nur dann gerechtfertigt, wenn sie schwer krank sind und ihnen damit weiteres Leid erspart wird. Argumente wie ein ausreichend großer Genpool oder Artenschutz greifen nicht.

Weil ihr Vater kein reinrassiger sibirischer Tiger war, wurden im Magdeburger Zoo 2008 drei sibirische Tigerbabys nach ihrer Geburt eingeschläfert. Das Amtsgericht Magdeburg sah dies als Straftat an.

Weil ihr Vater kein reinrassiger sibirischer Tiger war, wurden im Magdeburger Zoo 2008 drei sibirische Tigerbabys nach ihrer Geburt eingeschläfert. Das Amtsgericht Magdeburg sah dies als Straftat an.

Drei gesunde Tigerbabys wurden eingeschläfert

Ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2010 bestätigte das: Das Amtsgericht Magdeburg befand den damaligen Direktor des Magdeburger Zoos sowie drei seiner Mitarbeiter*innen für schuldig, gegen das Tierschutzgesetz verstoßen zu haben. Der Deutsche Tierschutzbund und andere Tierschutzorganisationen erstatteten Strafanzeige, weil der Magdeburger Zoo 2008 drei sibirische Tigerbabys nach ihrer Geburt eingeschläfert hatte. Die Entscheidung fiel, weil sich zu spät herausgestellt hatte, dass der Vater der Jungtiere kein reinrassiger sibirischer Tiger war – der Nachwuchs war somit ungeeignet für die Zucht und hätte laut Zoo anderen Tieren Platz weggenommen. Das Gericht war jedoch der Ansicht, dass der Tierpark nicht ausreichend geprüft hatte, ob die Jungtiere nicht im Magdeburger Zoo oder anderen Einrichtungen artgerecht hätten untergebracht werden können. Das Urteil wurde letztlich durch das Oberlandesgericht Naumburg bestätigt. Auch im Falle des Kudu-Bocks hätte der Heidelberger Zoo aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes andere Lösungen in Betracht ziehen können. „Es ist zwar gut, dass Tierarten mehr Platz in Zoos bekommen sollen, dies darf aber nicht zulasten von anderen Tierarten geschehen“, sagt Ritter. Stattdessen hätte der Zoo zum Beispiel den Bock beziehungsweise die Herde bis zu ihrem Lebensende dort halten und erst danach das Gehege für andere Tierarten freigeben können.

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Die Forderungen des Deutschen Tierschutzbundes

Der Deutsche Tierschutzbund übt schon seit vielen Jahren scharfe Kritik an dem verfehlten Zuchtmanagement und dem problematischen Umgang mit „überzähligen“ Tieren einiger Zoos. „Ein solches Vorgehen darf kein Freibrief sein, sondern sollte nur als sehr seltene, stets gut begründbare Ausnahme in Betracht gezogen werden. Denn ein gesundes Tier zu töten ist der größte Schaden, den man ihm zufügen kann – das müssen Zoos mit allen Mitteln verhindern“, betont Brückner. Der Verband fordert daher, dass Zoobetreiber*innen die Zucht und ihr Bestandsmanagement immer vorausschauend ausrichten und verantwortungsvoll planen. Dass Zootiere sich vermehren, sollten sie grundsätzlich nur dann ermöglichen, wenn sie den Nachwuchs angemessen unterbringen können, sodass die Tiere artgerecht gehalten werden und ihre natürlichen Bedürfnisse so gut wie möglich ausleben können. Zusätzlich ist es wichtig, dass Zoos für jede Tierart entsprechende Methoden der Populationskontrolle spezifisch prüfen und gegebenenfalls umsetzen. Je nach Tigerart kann dies zum Beispiel über Verhütung geschehen oder indem Zoos die geschlechtsreifen Männchen und Weibchen zeitweilig trennen. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten sachlich über solche Lösungen diskutieren – dabei sollten sie jedoch immer den Tierschutz einbeziehen. Schließlich beherbergen Zoos keine reinen Publikumsattraktionen, sondern fühlende Lebewesen mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen. Sie sind daher dazu verpflichtet, gleichermaßen für das Wohlergehen jedes einzelnen Tieres in ihrer Obhut zu sorgen – egal, welche Rolle sie für ein Zuchtprogramm spielen.

Bildrechte: Artikelheader: stock.adobe.com – worradirek (Elefant); Fotos: stock.adobe.com – Edwin Butter (Kudu), gabbo (Gorillas), worradirek (Elefant), Rhönbergfoto (Ziegen), Alexander Zhiltsov (Tiger)