Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER
„Fangen, kastrieren und freilassen“ – so sieht der Alltag im Tierschutz- und Kastrationszentrum des Deutschen Tierschutzbundes in Odessa aus. Rund 20 Tierärzte und Pfleger kümmern sich dort um ihre Schützlinge – Straßenhunde sind das Herzstück der Arbeit. „Durch die Kastrationen und das anschließende Freilassen der Tiere konnten wir die Anzahl der frei lebenden Hunde im Stadtgebiet seit der Eröffnung des Zentrums 2005 auf circa 6.000 Tiere reduzieren. Die Hälfte der verbliebenen Hunde ist bereits kastriert, geimpft und mit einer Ohrmarke gekennzeichnet“, berichtet Wolfgang Apel, Ehrenpräsident des Deutschen Tierschutzbundes, der im Sommer gemeinsam mit Gerd Fischer, Aufsichtsrat der Stiftung Odessa, zu einem Arbeitsbesuch in der Ukraine war.
Das Projekt ist einzigartig. Bevor der Deutsche Tierschutzbund mit der Arbeit begann, vermehrten sich die Tiere unkontrolliert und fristeten ein jämmerliches Leben auf der Straße. Um ihrer Herr zu werden, tötete die Stadt jährlich mindestens 10.000 von ihnen. Die Fangdienste erstickten die Hunde mit Chloroform in einer Tonne – ein grausamer Tod. Das Töten der Tiere ist nicht nur aus Tierschutzsicht abzulehnen. Nach nur kurzer Zeit vermehren sich die übrigen Tiere wieder und die Population steigt erneut massiv an. Zum Glück gehört die sogenannte Budka, das „Todeshaus“, der Vergangenheit an.
Seit 2000 ist der Deutsche Tierschutzbund in Odessa tätig und hat zunächst mit provisorischen Mitteln sowohl in der Budka als auch in eigenen Erstaufnahmelagern mit der Kastration von Hunden begonnen und großen Zuspruch von der Bevölkerung, den Kirchen, der Wissenschaft, von Künstlern und letztlich auch von der Politik erhalten. Jüngst hat Gennadij Truchanov, Oberbürgermeister der Stadt Odessa, Wolfgang Apel mit dem Ehrenzeichen „Anerkennung“ der Stadt ausgezeichnet. Ende letzten Jahres hat das Stadtparlament zudem beschlossen, die gemeinsame Arbeit bis zum Jahr 2021 fortzuführen.
Da die Anzahl der Straßenhunde innerhalb des Stadtzentrums so weit unter Kontrolle ist, verlagert sich der Schwerpunkt der Arbeit auf die umliegenden Gemeinden. Dort leben immer noch mehrere Zehntausend Hunde auf der Straße. Das Tierschutzzentrum hat bereits mit acht Gemeinden Vereinbarungen getroffen: Entweder bringen diese die Hunde zur kostenlosen Behandlung direkt ins Zentrum oder die Tierärzte kastrieren und behandeln die Hunde vor Ort. Voraussetzung ist, dass die Tiere wieder an ihrem Ursprungsort freigelassen und dort von der Bevölkerung versorgt werden.
Da einige Gemeinden keine tiergerechten Fahrzeuge besitzen, stellt der Deutsche Tierschutzbund dem Tierschutzzentrum noch im Herbst ein Tierrettungsfahrzeug zur Verfügung – finanziert durch Sonderspenden. Fachkundige Mitarbeiter können die Hunde damit in den Gemeinden abholen und nach der Kastration wieder zurückbringen.
Auch wenn der Verband schon früh auf das Leid der oft im Verborgenen lebenden Straßenkatzen aufmerksam gemacht hatte, lag das Augenmerk der Stadt bislang auf den Hunden. Die Tierschützer haben in den letzten Jahren schon über 10.000 Katzen behandelt und kastriert – angesichts der vielen Zehntausenden frei lebenden Tiere ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Plakate machten vermehrt auf die Tierschutzarbeit aufmerksam, eine Werbefirma stellte Freiflächen zur Verfügung.
„Im Oktober startet der Deutsche Tierschutzbund gemeinsam mit der Stadt Odessa eine weitere Kampagne, um sowohl die Bevölkerung als auch die Tierärzte für das Leid der frei lebenden Katzen zu sensibilisieren und sie von der dringend notwendigen Kastration zu überzeugen“, erzählt Apel. Zusätzlich baut das Tierschutzzentrum aktuell die dazugehörige ukrainische Website aus – auch so wird der Tierschutz über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.
In Kiew läuft die Arbeit auf Hochtouren. Nachdem 2012 bekannt wurde, dass anlässlich der Fußballeuropameisterschaft alle Straßenhunde „beseitigt“ werden sollten, hatte der Deutsche Tierschutzbund für das Leben der Tiere gekämpft und mit der Stadt ein Memorandum vereinbart. Ziel war es, 12.000 Straßenhunde auf Kosten des Verbandes zu kastrieren, zu impfen, zu kennzeichnen und wieder freizulassen. Mit Erfolg: Die Tierärzte in den drei städtischen Tierkliniken in Kiew haben seitdem 11.500 Hunde kastriert. Darunter auch Hunde von Haltern, die die Kosten dafür nicht selbst aufbringen können.
Das Projekt steht vor dem Abschluss, die Arbeit in Kiew ist voraussichtlich im Frühjahr 2017 getan. Damit die Tierärzte bis dahin noch so viele Tiere wie möglich kastrieren können, machen der Verband und die Stadt nochmals vermehrt in der Bevölkerung auf das Programm aufmerksam. Denn auch privat gehaltene nicht kastrierte Hunde tragen zur Überpopulation bei. Zudem stehen die Außenbezirke der Stadt, in denen geschätzt noch 800 bis 1.000 Straßenhunde leben, bis dahin besonders im Fokus.
„Trotz der zwischenzeitlich besonders in der ukrainischen Hauptstadt Kiew widrigen politischen Umstände hat der Deutsche Tierschutzbund nie aufgehört, für die Tiere zu kämpfen. Das Ergebnis der jahrelangen Arbeit liegt nun klar auf der Hand: Wir haben die Geburt und die grausame Tötung von Hunderttausenden Hunden verhindert“, so Apel. Möglich wird dies durch die Förderer dieses einzigartigen Projektes. Weiter ist es das Ziel, die Tierschutzarbeit nicht nur außerhalb von Odessa und Kiew bekannt zu machen. Es bleibt auch zu hoffen, dass sie für andere Regionen Süd- und Osteuropas, in denen Tiere zu einem Leben auf der Straße verdammt sind, zum Vorbild wird.