Autor: Nadia Wattad, Redaktion DU UND DAS TIER
Der Deutsche Tierschutzbund kämpft seit vielen Jahren mit Aufklärung der Bevölkerung, Briefen an die Politik und öffentlichkeitswirksamen Protestaktionen für ein Verbot, die sogenannten Eintagsküken zu töten. Mit einer Aktion hatte der Verband zuletzt vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster auf die tierschutzwidrige Praxis aufmerksam gemacht, die allein wirtschaftliche Gründe hat – denn die Aufzucht der männlichen Küken „lohnt“ sich nicht.
Im Mai hat das Oberverwaltungsgericht Münster über das grausame Tagesgeschäft der Brütereien in Nordrhein-Westfalen (NRW) entschieden. Gegen ein vom nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministerium 2013 ausgesprochenes Verbot der Tötung hatten zwei Brütereien geklagt und in erster Instanz Recht erhalten. Die Hoffnung der Tierschützer, dass die Richter im Berufungsverfahren im Sinne des Landwirtschaftsministeriums und des Tierschutzes entscheiden, wurde leider nicht erfüllt. Das Oberverwaltungsgericht Münster billigt das Töten der Tiere, sofern dafür ein vernünftiger Grund vorliege. Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass die Aufzucht der männlichen Küken mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand verbunden sei, da die männlichen Tiere weder Eier legen noch schnell an Masse zunehmen. Zudem müssten bei der Kükentötung „ethische Gesichtspunkte des Tierschutzes und menschliche Nutzungsinteressen“ gegeneinander abgewogen werden, ohne dass einem der Belange ein strikter Vorrang zukomme. Auch sei der technische Stand noch nicht so weit, dass nur Eier mit weiblicher DNA ausgebrütet werden könnten.
Johannes Remmel, Minister für Verbraucherschutz in NRW, bleibt dennoch konsequent. Auf sein Drängen haben die betroffenen Kreise Beschwerde gegen das Urteil in Münster eingelegt. Es bleibt abzuwarten, ob die Richter für eine Revision des Urteils beim Bundesverwaltungsgericht den Weg freimachen. Bundesminister Schmidt behauptet zudem nach wie vor, dass es ab 2017 ein Verfahren geben soll, das Geschlecht im Ei zu erkennen. Dieses soll eine Alternative zum Töten der männlichen Küken darstellen. „Kaum jemand, der Kenner der Szene ist, würde die Zusage des Ministers unterschreiben, dass ab 2017 eine serienreife Technik da sei. Selbst dann ginge die Qual der Legehenne als Leistungszucht und in der Haltung weiter. Es geht um die Systemfrage“, sagt Thomas Schröder. Der Prototyp soll zwar Mitte 2017 fertiggestellt sein, ob die Technik serienreif in die Produktion geht und in allen Brütereien steht, bleibt fraglich. Selbst beteiligte Wissenschaftler zweifeln, den Termin halten zu können.
„Es krankt am System. Das Urteil in Münster ist ein Skandal. Das Tierschutzgesetz und das Staatsziel Tierschutz sind dabei über Bord geworfen worden“, so Schröder. Der Deutsche Tierschutzbund fordert keine Geschlechterbestimmung im Ei, sondern das Zweitnutzungshuhn. Die Zucht muss für die Tiere erträglich sein. „Es braucht unspezialisierte Rassen, die Eier legen, aber auch für die Fleischgewinnung genutzt werden können. Dass dies möglich ist, zeigen Erfahrungen aus der Schweiz und deutschen Initiativen“, so Schröder. Mit dem Zweitnutzungshuhn wird nicht nur das ethische Problem gelöst, männliche Küken der Legelinien zu töten, sondern auch zuchtbedingte Tierschutzprobleme bei den Lege- und Mastrassen fallen weg. Der Weg ist das Ziel.