Wie eine Positivliste für Heimtiere Millionen Tiere schützen kann

Gelistet und geschützt

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Wie eine Positivliste für Heimtiere Millionen Tiere schützen kann

Gelistet und geschützt

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ist für eine EU-Positivliste für Heimtiere. Demnach dürften Privatleute nur noch Tiere anschaffen, die für die Haltung wirklich geeignet sind. Das könnte vielen exotischen Arten helfen, die in Wohnzimmern leiden und immer öfter in Tierheimen landen. Der Deutsche Tierschutzbund unterstützt das und fordert den Minister auf, sich auch national dafür einzusetzen.

  • Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER

Positivlisten in anderen Ländern führen beispielsweise Hunde,…

Wenn es um die Haltung exotischer Heimtiere geht, klaffen Wunsch und Realität oft weit auseinander: Für viele klingt es scheinbar verlockend und einfach zugleich, eine Schlange zwischen Sofa und Fernseher zu halten. In einem schicken Terrarium soll das Reptil die eigenen vier Wände als faszinierendes Accessoire schmücken. Doch dann kommt alles anders. Die Haltung stellt sich als zu anspruchsvoll heraus und die steigenden Energiekosten für die Wärmelampen belasten die Haushaltskasse. Darum sind viele Tierheime überfüllt mit Schlangen, aber auch Schildkröten, Spinnen, Echsen, Amphibien und anderen Tieren, deren Halter*innen nach kurzer Zeit überfordert waren. Das ist einer der Gründe, warum der Deutsche Tierschutzbund seit Jahren klare Regeln für die Haltung von Heimtieren in Form einer Positiv liste fordert. Sie könnte das Leid von unzähligen Tieren verhindern, denen wir einfach kein artgerechtes Leben in Haus, Wohnung und Garten bieten können. „Eine solche Positivliste legt fest, welche Arten für die private Heimtierhaltung geeignet und zugelassen sind“, erklärt Dr. Henriette Mackensen, Leiterin der Abteilung Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund. Das können etwa Hunde, Katzen, Kaninchen, aber auch Pferde oder Bartagamen sein, die in anderen Ländern, in denen solche Listen bereits gelten, aufgeführt sind. Auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat sich zuletzt auf EU-Ebene für solch eine Positivliste für Heimtiere eingesetzt.

…Ratten oder …

„Den Vorschlag von Minister Özdemir, mit einer Positivliste auf EU-Ebene jene Tierarten zu definieren, die bedenkenlos gehalten werden können, unterstützen wir uneingeschränkt“, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Der Verband fordert eine solche Liste in Deutschland bereits seit Jahren.

Bislang reagieren Behörden nur

Eine Positivliste ist viel kürzer und übersichtlicher als die bislang existierenden Negativlisten. Denn Letztere gibt es sowohl in manchen Bundesländern für gefährliche Tiere, als auch zum Beispiel EU-weit für sogenannte invasive Tierarten. Das Bundeslandwirtschaftsministerium müsste sich theoretisch dafür einsetzen, diese Listen ständig zu überarbeiten, wenn neue Arten in den Handel gelangen oder neue Erkenntnisse auftreten, die noch nicht berücksichtigt wurden. „Die Behörden können also immer nur reagieren, und bis die Listen aktualisiert wurden, sind solche Tiere weiterhin frei auf dem Markt verfügbar“, sagt Mackensen.

Katzen als Tierarten auf, die für die Heimtierhaltung geeignet sind.

Bereits gehaltene Tiere müssen bleiben dürfen

Sobald aber eine Positivliste in Kraft tritt, dürfen darauf nicht genannte Tierarten nicht einfach auf den deutschen Markt kommen. „Das soll die Heimtierhaltung keinesfalls verbieten“, erläutert Mackensen. Vielmehr reguliert die Liste, welche Arten für alle sachkundigen Tierhalter*innen frei zu erwerben sind. Das macht es auch für Zoll, Polizei oder Veterinärämter leichter, die Regeln zu vollstrecken. „Es ist einfacher und zeitsparender, sich Artenund Fachkenntnisse über die begrenzte Anzahl an Arten anzueignen und die Vorschriften durchzusetzen, als sich über die Tiere auf der viel längeren Negativliste zu informieren“, berichtet Mackensen. „Darüber hinaus müssen alle, die ein nicht gelistetes Tier handeln oder halten wollen, selbst nachweisen, dass das mit dem Tier-, Natur- und Artenschutz vereinbar ist.“ Zu diesem Zweck können Händler*innen oder Halter*innen entsprechende Anträge stellen. Dann erweitern Behörden die Liste um eine Tierart oder genehmigen die Haltung in Einzelfällen – wenn die Voraussetzungen stimmen. „Das kann beispielsweise bei Expert*innen oder wissenschaftlich begleiteten Artenschutzprojekten der Fall sein, die auch weiterhin nicht gelistete Tiere betreuen dürften.“ Dadurch kennen die Behörden die Tiere und können ihre Haltung besser kontrollieren. So handhabt es auch Belgien,das 2001 als erstes Land Europas den Weg für eine Positivliste geebnet und 2009 eine für Säugetiere in Kraft gesetzt hat. Das zuständige Ministerium im Nachbarland gewährt unter anderem Zoos, Tierheimen oder Halter*innen Ausnahmen, deren Tiere bereits bei ihnen gelebt haben, bevor es die Positivliste verabschiedet hat. „Einen solchen Bestandsschutz bräuchten wir hierzulande auch, damit Menschen, die aktuell Tiere halten und fürsorglich pflegen, diese dann auch bis an ihr Lebensende behalten dürfen“, sagt Mackensen. Dies ist zudem für Tierheime und Auffangstationen von immenser Bedeutung, da sie ansonsten von einem auf den anderen Tag von einer Abgabewelle überrollt würden. „Auch bräuchten diese für eine Übergangsfrist eine Ausnahmemöglichkeit, weiterhin ihre Schützlinge vermitteln zu dürfen, damit die Tierheime nicht mit Dauerinsassen belastet würden.“

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Deutschland sollte keine Zeit verlieren

Damit eine Positivliste für die Europäische Union Realität werden kann, ist Özdemirs Fürsprache ein wichtiger Faktor. Schröder fordert den Minister aber auf, nicht auf die anderen EU-Länder zu warten, sondern – wie andere Mitgliedstaaten auch – auf nationaler Ebene voranzugehen. Denn es geht um den Schutz von Millionen Reptilien, Amphibien und exotischen Säugern wie Weißbüscheläffchen oder Weißbauchigel, die vielfach stumm leiden. „Wir brauchen eine entsprechende Regelung im deutschen Tierschutzgesetz. Und das sofort. Wer denkt, dass unser Tierschutzgesetz in Deutschland bereits streng genug sei, liegt falsch: Selbst für die Haltung von Heimtieren wie Katzen oder Kaninchen gibt es keine konkreten Vorgaben.“ So gibt es auch bei diesen häufig gehaltenen Arten, die alle auf Positivlisten in anderen Ländern stehen, immer wieder tierschutzrelevante Haltungsprobleme. Daher plädiert der Deutsche Tierschutzbund dafür, Halter*innen, die eine der Arten auf einer künftigen Positivliste anschaffen möchten, zu einem Sachkundenachweis zu verpflichten. Und klare Haltungsvorschriften in Form einer Heimtierschutzverordnung zu erlassen. „Mit diesem Gesamtpaket wäre ein echter Fortschritt für den Tierschutz in der Heimtierhaltung zu erreichen“, sagt Mackensen.

Bildrechte: Artikelheader: between (Icon); Pixabay – apfelgruen (Hund), Ben Kerckx (Katze), Petra (Meerschweinchen), sapphoris (Ratte); Wolfgang Claussen (Pferde); Tierschutzverein Berlin und Umgebung Corporation e.V. (Bartagame); Unsplash – Gavin Allanwood (Kaninchen ); Fotos: Pixabay – apfelgruen (Hund), Ben Kerckx (Katze), sapphoris (Ratte)