Autor: Franziska Hagen
Tierschutz definiert alle Aktivitäten des Menschen, die darauf abzielen, Tieren ein artgerechtes Leben zu ermöglichen, ohne ihnen dabei Schmerzen, Schäden oder Leiden zuzufügen.
Aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes hat jedes Tier Anspruch auf Unversehrtheit und ein tiergerechtes Leben sowie einen schmerzund leidensfreien Tod. Für Tiere, die der Mensch in seine Obhut genommen hat, trägt er die Verantwortung. Das setzt voraus, dass die Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Tiere bekannt sind. In Deutschland regelt das Tierschutzgesetz, wie mit Tieren umgegangen werden darf – insbesondere für Tiere in der Landwirtschaft stellen dabei die Vorgaben einen Kompromiss zwischen Nutzung und Schutz der Tiere dar.
Der Begriff Tierwohl ist eine wörtliche Übersetzung der englischen Bezeichnung „animal welfare“, die im englischsprachigen Ausland weitestgehend dem in Deutschland üblichen Begriff Tierschutz entspricht. Er tauchte laut Google Trends im Jahre 2010 das erste Mal auf und ist seitdem in aller Munde. Die Lebensmittelindustrie reagierte damit auf den zunehmenden Wunsch der Verbraucher nach tiergerecht erzeugten Produkten.
Warum sie nicht den etablierten Begriff Tierschutz verwendet, lässt sich folgendermaßen erklären: Der schwammige Begriff „Tierwohl“ suggeriert dem Verbraucher, dass es den Tieren bereits gut geht, aber wenn der Verbraucher es unbedingt will, den Tieren ein paar Extras zugutekommen.
Würde die Lebensmittelindustrie stattdessen den nüchternen Begriff Tierschutz verwenden, könnte sich der Verbraucher fragen, ob es den Tieren vorher nicht gut gegangen sei.
Solche Überlegungen könnten dem Image der Industrie schaden.
In letzter Zeit findet der Begriff zunehmend Anklang in Politik und Wissenschaft.
Das 2013 für Mastschweine und Masthühner eingeführte Label „Für mehr Tierschutz“ in der Einstiegs- und Premiumstufe wurde zusammen mit Fachleuten aus Wissenschaft und Wirtschaft erarbeitet. Es bietet verbesserte Haltungs-, Transport- und Schlachtbedingungen für Tiere, deren Fleisch unter dem Label vermarktet wird. Die Tiere haben mehr Platz, strukturierte Ställe, Beschäftigungsmaterial und – in der Premiumstufe – auch Auslauf beziehungsweise Außenklimakontakt. Derzeit sind Produkte unter dem Label für Masthühner und Mastschweine verfügbar, Richtlinien für Legehennen und Rinder sollen folgen.
Basierend auf der bereits 2013 im Koalitionsvertrag der Bundesregierung beschlossenen Tierwohl-Initiative, stellte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt im Herbst 2014 die Eckpunkte seiner Initiative „Eine Frage der Haltung – neue Wege für mehr Tierwohl“ vor. Der Fokus liegt dabei auf einer Verbesserung der landwirtschaftlichen Tierhaltung sowie dem Ausstieg aus Manipulationen wie Schnabel- und Schwanzkürzen. Jedoch setzt Schmidt dabei zunächst auf freiwillige Vereinbarungen der Wirtschaft statt auf gesetzliche Regelungen. Bringen diese nicht den gewünschten Erfolg, möchte er auch eine Änderung des Rechtsrahmens in Erwägung ziehen.
Ein „Kompetenzkreis Tierwohl“, an dem auch der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes teilnimmt, soll die Initiative fachlich beraten und unterstützen. Grundsätzlich ist dieser Vorstoß des Bundeslandwirtschaftsministers zu begrüßen, jedoch wäre es wünschenswert, zeitnah strengere gesetzliche Regelungen zum Schutz der Tiere in der Landwirtschaft zu erlassen.
Im September 2013 einigten sich die deutsche Fleischwirtschaft und Lebensmittelhändler auf eine sogenannte Branchenlösung zur Verbesserung der Haltung von Geflügel und Schweinen – die Initiative Tierwohl. Die Landwirte, die sich der Initiative anschließen, müssen zunächst ihr eigenes Geld investieren, um Maßnahmen für mehr Tierwohl umzusetzen. Diese werden dann kontrolliert und mit Bonuszahlungen honoriert.
Im Sommer 2015 sollen die ersten Schweinefleischprodukte auf den Markt kommen und im Herbst auch Geflügelprodukte.
Ein Kritikpunkt des Tierschutzbundes an der Branchenlösung ist, dass die verpflichtenden Kriterien größtenteils nur wenig über die gesetzlichen Mindestvorgaben hinausgehen und damit aus der Sicht des Tierschutzes wenig Verbesserung bieten. Darüber hinaus dürfen die Landwirte die zusätzlich wählbaren Kriterien zur Schweinehaltung, die in sinnvoller Kombination einen wirklichen Mehrwert für die Tiere bringen könnten, wahllos kombinieren, wobei sie mit unterschiedlichen Zahlungen honoriert werden. Dabei können aber tierschutzrelevante Probleme auftreten, wenn sie bestimmte Kriterien falsch kombinieren oder auswählen, ohne weitere Haltungsbedingungen zu verändern. Hinzu kommt, dass keine spezielle Kennzeichnung für die vermarkteten Produkte vorgesehen ist. Sie tragen lediglich das auf allen Produkten verwendete QS-Siegel.
Dieses als Massenbilanzierung bezeichnete Vorgehen birgt das große Risiko einer Verbrauchertäuschung, da dem Konsumenten nicht deutlich gemacht wird, dass nicht alle Fleischwaren mit QS-Siegel aus einer besseren Tierhaltung stammen.