Die geschundenen Bären

Hinter den Kulissen

Die geschundenen Bären

Ihre Tatzen berühren keinen weichen Waldboden, sondern in die Fußballen einschneidende Gitterstäbe. Eingepfercht in enge Käfige warten die Bären auf die tagtägliche Tortur: die schmerzhafte Entnahme ihrer Gallenflüssigkeit.

  • Autor: Nadia Wattad, Redaktion DU UND DAS TIER

Ein ganzes Leben lang müssen die in Farmen gehaltenen Bären die schmerzhafte Prozedur über sich ergehen lassen. Bis zu zweimal täglich werden insbesondere Kragen- und Malaienbären regelrecht „gemolken“ und leiden dabei Höllenqualen. Diese Tortur spielt sich im südostasiatischen Raum ab, aber auch in Europa soll es Abnehmer der Gallenflüssigkeit geben. Eigentlich ist der Handel damit untersagt, die Kontrollen sind aber schwierig.

Auslöser für diesen Wahnsinn ist die traditionelle chinesische Medizin (TCM), die der Flüssigkeit seit über 3.000 Jahren eine heilende Wirkung zuspricht. Die Galle der Bären enthält Ursodeoxycholsäure, deren Wirkung jedoch stark umstritten ist. Inzwischen gibt es zahlreiche synthetische und pflanzliche Alternativen, die weitaus effektiver sind. Dennoch halten vor allem in China, Vietnam, Südkorea und Laos viele Menschen an der TCM fest – mit der Konsequenz, dass die Bären wie in einer Legebatterie in engen Drahtkäfigen vor sich hin vegetieren. Teilweise können die Tiere noch nicht einmal aufrecht stehen. Sie sind ihr Leben lang dazu verdammt, sich auf einem Gitter- oder Betonboden aufzuhalten, sind umgeben von Gitterstäben und haben keinerlei Beschäftigung.

Die Isolationshaltung der Bären führt zu Verhaltensstörungen. Die Tiere beißen sich in ihre Tatzen und teilweise ganze Gliedmaßen ab und kauen an den Gitterstäben. Die schlechten Lebensbedingungen führen zu schrecklichen körperlichen Schäden, wie zum Beispiel Mund- und Klauenverletzungen, Unterernährung und Leberkrebs. Hinzu kommt dann noch die permanente körperliche Belastung durch das Abzapfen von Gallenflüssigkeit.

„Die Methoden sind besonders grausam: Entweder wird die Gallenblase dauerhaft offen gehalten, sodass ständig Galle abtropft, oder den Tieren werden fest applizierte Katheter gelegt, über die die Farmer regelmäßig Gallenflüssigkeit entnehmen können. Ständige Schmerzen und schwere Infektionen sind die Folge“, so James Brückner, Experte für Wildtiere vom Deutschen Tierschutzbund.

Die Bären stehen auf dem blanken Gitterboden.

GALLENEXTRAKTION IST IN VIETNAM VERBOTEN

In Vietnam leben schätzungsweise über 1.200 Kragen- und Malaienbären in Bärengallenfarmen – und das, obwohl diese dort offiziell seit 1992 verboten sind. Da es zu wenig Platz für die Unterbringung dieser Tiere gibt, leben viele Bären weiterhin auf den Farmen.

Der Handel mit der Gallenflüssigkeit ist für die Farmer lukrativ. Sowohl Einheimische als auch Touristen zahlen 15 Euro für einen Milliliter.

Nachdem die Anzahl der gemeldeten lebenden und verstorbenen Bären rückläufig war, entschloss sich die örtliche Behörde Forestry Protection Department (FPD), der Tierschutzorganisation Animals Asia Zugang zu den Bärenfarmen rund um Halong Bay, einem UNESCO-Kulturerbe, zu verschaffen. Das, was die Beobachter zu sehen bekamen, war schrecklich – vor allen Dingen die Situation auf der Cau Trang Bear Farm. Viele Bären waren stark verwahrlost, schwer unterernährt und verletzt. Darüber hinaus hatten einige ausgebrochene Reißzähne und beinahe 20 Prozent der Bären fehlte ein Körperglied. Ausnahmslos alle Tiere litten unter schmerzhaften Rissen an den Sohlen – hervorgerufen durch die Käfighaltung.

Die Bären selbst gehören dem Staat, sie sind registriert und die Farmer haben die Genehmigung, sich um diese zu kümmern, nicht aber deren Gallenflüssigkeit zu verkaufen. Der Zustandsbericht über die Bären wurde den Behörden per Kurier zugestellt. Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns die Nachricht, dass der internationale Druck aus aller Welt die vietnamesischen Behörden dazu gebracht hat, die Bärengallenfarmen der Provinz Halong Bay vollständig zu schließen und alle verbliebenen 38 Bären bis Ende Juni in das Animals-Asia-Rettungszentrum zu bringen. Ein Tropfen auf dem heißen Stein.

AUFKLÄRUNG DER BEVÖLKERUNG

Erfreulicherweise wächst auch in China inzwischen der Tierschutzgedanke. Neben dem Schauspieler Jackie Chan setzt sich auch Basketballstar Yao Ming öffentlich für den Tierschutz ein. Ein Auslöser, sich für die Bären starkzumachen, war der geplante Börsengang des chinesischen Unternehmens Guizhentang, das Medikamente mit Bärengalle herstellt. Im chinesischen Netz bezeichneten die User das Unternehmen als „Quäler“ und „Verbrecher“. Darüber hinaus haben sich in vielen Städten Tierschützer in Bärenkostümen vor Apotheken gestellt und zum Boykott der Firma aufgerufen. Mehr als 70 Prominente unterzeichneten ein Protestschreiben gegen das Unternehmen.

In Internetforen machten sich viele Chinesen für ein Ende der Haltung von Bären zur Gallegewinnung stark. Eine Entwicklung, die hoffentlich nachhaltig zu einem Umdenken führt. Das Jahr 2014 hielt hierfür die passende Überraschung parat: Ein chinesischer Farmer, der bislang Bären zur Gewinnung der Gallenflüssigkeit gehalten hatte, wollte seine Farm aufgeben. In Zusammenarbeit mit der chinesischen Regierung und Animals Asia konnte so der Grundstein für ein bisher nie dagewesenes Projekt gelegt werden: die Bärengallenfarm Nanning Bear Farm in ein Rehabilitations- und Aufklärungszentrum umzuwandeln.

Dies könnte auch andere Farmer dazu anregen, der Bärengallenindustrie, für die allein in China immer noch über 10.000 Bären leiden müssen, den Rücken zu kehren. Zusammen mit dem Chengdu Bear Rescue Centre wird es dann zwei Vorzeigeprojekte geben. In Vietnam gibt es bereits ein Reha-Zentrum für Bären. Zwei weitere Bärenhäuser sind Ende 2014 hinzugekommen.

Der Deutsche Tierschutzbund engagiert sich zusammen mit der International Bear Federation (IBF) ebenfalls für den Schutz von Bären. Im 1999 eingerichteten Anholter Bärenwald, einem 2,5 Hektar großen Waldgelände im Biotopwildpark Anholter Schweiz, leben derzeit vier Braunbären und fünf Kragenbären, die aus schlechten Haltungsbedingungen stammen.

Weiterführende Informationen

  • Lesen Sie, wie sich die Tierschutzorganisation vor Ort für die Schließung von Bärenfarmen einsetzt. Aktuell haben sie die Rettung von 38 Bären eingeleitet.
    www.animalsasia.org

Bildrechte: Titelbild und Fotos: Animals Asia