Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER
15 Jahre ist es her, dass Wolfgang Apel, damaliger Präsident und heutiger Ehrenpräsident des Deutschen Tierschutzbundes, das erste Mal Odessa, die mit rund einer Million Einwohnern wichtigste Hafenstadt der Ukraine, besuchte. So wie es in den meisten Ländern Süd- und Osteuropas bis heute viele frei lebende Katzen und Hunde gibt, gab es im Jahr 2000 auch auf Odessas Straßen geschätzte 80.000 Straßenhunde.
Um die hohe Anzahl zu verringern, sammelte ein städtischer Fangdienst diese regelmäßig ein und brachte sie in die sogenannte Budka, das „Todeshaus“. Innerhalb einer Frist von fünf Tagen konnten Besitzer und Tierfreunde sie aus den dunklen Gitterverschlägen freikaufen. War dies, wie zumeist, nicht der Fall, bedeutete das für die Hunde den sicheren Tod. Sie wurden zu mehreren in eine Tonne gesperrt und darin qualvoll mit Chloroform erstickt.
Bis zum Jahr 2001 starben in Odessa auf diese Art und Weise jährlich 10.000 Hunde.
Nach einem Besuch der Budka setzte sich Apel umgehend mit der Stadtverwaltung in Verbindung und verschaffte sich dort, unterstützt vom damaligen deutschen Botschafter in Kiew und Präsidiumsmitglied des Deutschen Tierschutzbundes, Dr. Eberhard Heyken (†), Gehör. Mit diesem Schritt ebnete er den Weg für das Ende der grausamen Tötungen. Viele darauffolgende Gespräche und zahlreiche Verhandlungen mit den Verantwortlichen vor Ort machten den tierschutzgerechten Umgang mit den Straßentieren zu einem gemeinsamen Anliegen.
Als Erstes wurden die Zwinger der Budka umgebaut, damit die Hunde dort tiergerechter leben konnten. Ein neu eingestellter Tierarzt versorgte sie medizinisch und setzte sich für ihre Vermittlung ein. Auch der städtische Fangdienst wurde nach Tierschutzvorgaben geschult.
Nach langen zähen und wiederkehrenden Verhandlungen gelang es, ein geeignetes Grundstück in Odessa zu finden, um ein eigenes Tierschutzzentrum zu errichten. Vor zehn Jahren, im Mai 2005, wurde die Budka endgültig geschlossen und der Deutsche Tierschutzbund eröffnete gemeinsam mit dem Oberbürgermeister, Kommunal- und Landespolitikern, Kirchenvertretern und ukrainischen Veterinären das Tierschutz- und Kastrationszentrum in Odessa. Sonderspenden und Sponsorengelder machten den Bau erst möglich. Das Gelände umfasst 63.000 Quadratmeter und besteht heute aus insgesamt 14 Hundehäusern mit 90 Innen- und Außenzwingern, einem Katzenhaus mit Stuben und Außenbereich und vier Quarantäne-Häusern. Insgesamt bietet das Zentrum Platz für bis zu 500 Hunde und 100 Katzen.
Damit endete nicht nur das Töten der Straßentiere, sondern das Konzept „fangen, kastrieren, freilassen“ sorgte darüber hinaus für eine Eindämmung der Population. Die Straßenhunde werden eingefangen, medizinisch versorgt, geimpft und kastriert. Nach einer Erholungsund Aufbauphase werden sie wieder in ihr angestammtes Revier entlassen. Tiere, die auf der Straße nicht mehr alleine überleben könnten, finden im Tierschutzzentrum ein neues Zuhause. Etliche Tiere werden zudem vor Ort in liebevolle Hände vermittelt.
Im Schnitt befinden sich 250 Hunde im Tierschutzzentrum in Odessa. Darüber hinaus kastrieren die Tierärzte auch Privathunde finanziell schlecht gestellter Halter, um so eine unkontrollierte Vermehrung zu verhindern.
Doch nicht nur Straßenhunde, auch frei lebende Katzen stehen im Mittelpunkt der Arbeit. Sie gehören zum verborgenen Leid der Straße, da sie anders als die meisten Hunde oft versteckt leben. Die Tiere sind meist misstrauisch und lassen sich nicht ohne Weiteres einfangen. Eine große Stütze der Arbeit vor Ort sind daher die Einheimischen. Katzenfreunde kennen die häufig im Verborgenen lebenden Katzenkolonien und kümmern sich liebevoll um die Tiere. Immer mehr Bürger bringen nicht nur unkastrierte, sondern auch kranke oder durch Unfälle verletzte Hunde und Katzen zur Behandlung ins Tierschutzzentrum.
Auch Kinder und Jugendliche sind willkommen. Die Mitarbeiter pflegen den Kontakt zu Kindergärten, Schulen und Waisenhäusern und führen so schon die Kleinsten an den Tierschutz heran. Interessierte Jugendliche lernen den behutsamen Umgang mit Tieren in einer Ausbildung zum Tierpfleger.
Das unermüdliche Engagement des Deutschen Tierschutzbundes und aller Unterstützer hat sich ausgezahlt. Bis heute wurden im Tierschutz- und Kastrationszentrum in Odessa mehr als 45.000 Hunde und über 8.600 Katzen aufgenommen und medizinisch versorgt. Bis Ende März 2015 konnten fast 24.000 Hunde und circa 7.000 Katzen kastriert werden. Die Zahl der Straßenhunde in Odessa ist zwischenzeitlich von 80.000 auf circa 20.000 Tiere gesunken. Das Projekt finanziert sich bis heute durch Spendengelder und Patenschaften aus Deutschland.
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