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Die Internationale Grüne Woche 2017 hat gezeigt, wie sehr die Tierschutzfrage im Mittelpunkt steht und dass der Deutsche Tierschutzbund viel bewegt.

  • Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER

Eine bunte Kulisse aus Bundes- und Landespolitik lauscht interessiert der Eröffnung des Tierschutzlabel-Empfangs durch Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.

Eine bunte Kulisse aus Bundes- und Landespolitik lauscht interessiert der Eröffnung des Tierschutzlabel-Empfangs durch Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.

„Wir sind mit unserem Label gestartet, weil der Gesetzgeber bisher versagt. Die seitdem katapultartig zugenommene Debatte über Tierschutz im Stall zeigt, es war ein wichtiger Schritt“, sagte Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin. Der Verband hat vor fünf Jahren das zweistufige Tierschutzlabel „Für mehr Tierschutz“ in den Markt gebracht – bei Weitem kein leichter Schritt für einen Verband, der für das Leben von Tieren kämpft.

Heute zeigt sich, dass die Entscheidung gut war. Die Sogwirkung ist nicht mehr von der Hand zu weisen: Sprachen doch alle von einer „Grünen Woche der Label“. Gemeint sind damit einerseits das Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbundes und andererseits das von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) angekündigte staatliche Tierwohllabel.

Ein besseres Leben für Milchkühe

Die Grüne Woche zählt zu den traditionsreichsten Messen in Berlin. Mit Angeboten aus aller Herren Länder, Zukunftsszenarien für die Landwirtschaft und die Ernährung der Menschheit hat die Agrarmesse auch dieses Jahr wieder über 400.000 Besucher in die Hauptstadt gelockt. Der Deutsche Tierschutzbundnutzte die Gelegenheit, um im Rahmen einer  Pressekonferenz mit seinen Partnern des Lebensmitteleinzelhandels das Tierschutzlabel für Milchkühe vorzustellen.

„Wir haben nach den Schweinen, den Masthühnern und den Legehennen nun die Milchkühe in das Programm des Tierschutzlabels aufgenommen. Denn wir wollen auch diesen Tieren jetzt und sofort erste Verbesserungen verschaffen“, so Schröder. Die Kriterien des Tierschutzlabels enthalten deutliche Verbesserungen. So muss den Milchkühen unter anderem genügend Platz zur Verfügung stehen. Zudem verbietet das Label die in vielen Teilen Deutschlands immer noch gängige Anbindehaltung. In der Premiumstufe müssen die Kühe zusätzlich Zugang zu einem Laufhof und einer Weide haben. Das betäubungslose Enthornen und die Schlachtung trächtiger Tiere sind verboten. Für die meisten Milchkühe bedeutet schon die Haltung nach der Einstiegsstufe eine deutliche Verbesserung.

Am Stand des Tierschutzlabels lernen Schüler auf der Internationalen Grünen Woche mit allen Sinnen, wie Tiere in der Landwirtschaft leben.

Handelsunternehmen bekennen sich zum Tierschutzlabel

Lidl, ALDI SÜD und ALDI Nord sind die Handelsunternehmen, die die Milch mit dem Tierschutzlabel zukünftig in ihren Sortimenten führen. Die zuliefernden Molkereien sind die Markenlizenznehmer des Tierschutzlabels, Privatmolkerei Bechtel und Gropper. „Lidl setzt sich seit vielen Jahren konsequent für Tierwohl ein. Die Einlistung nach Tierschutzlabel zertifizierter Produkte ist eine logische Konsequenz. Als Aktion zur Grünen Woche gibt es die Trinkmilch nach Premiumstufe in unseren Märkten in Berlin. Allgemein listen wir diese nun in Bayern ein. Bei Erfolg schließen wir eine Ausweitung auf weitere Regionen nicht aus“, so Jan Bock, Geschäftsleiter Einkauf von Lidl Deutschland, auf der Pressekonferenz. Lidl hat seit Start des Tierschutzlabels das ganze Hähnchen bundesweit im Sortiment und baut dies stetig aus.

V. l. n. r.: Philipp Skorning, Group Buying Director von ALDI SÜD, Jan Bock, Geschäftsleiter Einkauf von Lidl Deutschland, Thomas Schröder (DTSCHB), Dr. Christina Emmermann, Leiterin Corporate Responsibility von ALDI Nord, Heinrich Gropper, Inhaber der Molkerei Gropper und René Guhl, Geschäftsführer der Privatmolkerei Bechtel, stellen das Tierschutzlabel für Milchkühe vor.

V. l. n. r.: Philipp Skorning, Group Buying Director von ALDI SÜD, Jan Bock, Geschäftsleiter Einkauf von Lidl Deutschland, Thomas Schröder (DTSCHB), Dr. Christina Emmermann, Leiterin Corporate Responsibility von ALDI Nord, Heinrich Gropper, Inhaber der Molkerei Gropper und René Guhl, Geschäftsführer der Privatmolkerei Bechtel, stellen das Tierschutzlabel für Milchkühe vor.

Auch ALDI SÜD, die ab Sommer das Angebot bereithalten, nehmen ihre Verantwortung, das Tierwohl in der Breite zu verbessern, ernst, sagte Philipp Skorning, Group Buying Director von ALDI SÜD. „Durch die Einführung von Milch mit dem Label des Deutschen Tierschutzbundes bei ALDI SÜD erden voraussichtlich mehr als 4.800 Milchkühe von Tierwohlkriterien profitieren“, so Skorning. Dr. Christina Emmermann, Leiterin Corporate Responsibility ALDI Nord, die ebenso ab Sommer einsteigen, ergänzt: „Wir machen das Produkt nicht nur bekannt. Wir ermöglichen vielmehr einer breiten Käuferschicht den Zugang zu einem Produkt mit verbessertem Tierwohlstandard.“

Mit den Milchprodukten ist das Tierschutzlabel ab Sommer mit einem noch größeren Angebot bundesweit vertreten. Doch nicht nur das Tierschutzlabel für Milchkühe stößt auf große Resonanz, insgesamt steigt sowohl die Anzahl der Markenlizenznehmer als auch der teilnehmenden Betriebe und Handelsunternehmen an. Bereits 19 Markenlizenznehmer stehen unter Vertrag und bald sind die Tierhaltungen von 224 Betrieben zertifiziert. Die Produkte sind bei EDEKA Minden-Hannover, EDEKA Südwest, EDEKA Nord, EDEKA Nordbayern, Globus, Markant, Kaufland, NP Discount, real,-, Netto, famila und Lidl gelistet; Lidl legt mit Milch jetzt zusätzlich zu den bereits eingelisteten Produkten nach und ALDI SÜD und ALDI Nord kommen mit den Milchprodukten hinzu.

Tierschutzgespräche

Die große Resonanz auf das Label zeigte sich auch einige Stunden später. Was morgens der Ansturm am Messeeingang war, spielte sich am Nachmittag in Halle 4.2. ab. Im Gegensatz zu den Besuchern am Morgen wussten die Menschen, die sich jetzt in diese Halle drängten, ganz genau, was sie dort erwartete: der Stehempfang zum Tierschutzlabel „Für mehr Tierschutz“. Unzählige Bundes- und Landespolitiker, Vertreter von Handel und Verbänden, Tierschützer und Freunde des Deutschen Tierschutzbundes waren gekommen, um den Verband auf seinem Weg zu unterstützen. Was schon am Beginn der Veranstaltung feststand: Am Tierschutz kommt niemand mehr vorbei. „Nächstes Mal müssen wir die Halle mit dem Bauernverband tauschen – die haben mehr Platz, den mittlerweile der Tierschutz braucht“, eröffnet Schröder sein Grußwort. Das Tierschutzlabel sei ein gemeinsamer Prozess, an dem viele beteiligt seien. Das zeigte auch die Rednerliste. Klar sei aber auch: Ein Tierschutzlabel ist nur ein Schritt. Schröder betonte die Forderung nach verschärften gesetzlichen Bestimmungen.

Tierschutz als Pionierarbeit

Staatliches Tierwohllabel

Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt hat auf der Internationalen Grünen Woche ein zweistufiges freiwilliges staatliches Tierwohllabel vorgestellt. Für den Deutschen Tierschutzbund ein guter Schritt. Klar ist aber, dass es mehr bedarf, um die dringend erforderlichen, auch gesellschaftlich gewünschten Verbesserungen in der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu erreichen. „Wir begrüßen im Grundsatz ein staatliches Label. Das Label alleine ist aber nicht die Lösung der Probleme“, so Schröder. Aufgrund der vielfältigen Handlungsfelder fordert der Verband neben dringenden gesetzgeberischen Taten auch eine nationale Nutztierstrategie. Der Deutsche Tierschutzbund hat Schmidt sowohl für die Ausarbeitung des staatlichen Labels als auch für die Nutztierstrategie Unterstützung signalisiert.

Dr. Hermann Onko Aeikens, Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), der stellvertretend für Bundesminister Schmidt gekommen war, sagte: „Ich habe großen Respekt vor der Pionierarbeit des Deutschen Tierschutzbundes.“ Das BMEL sei gut beraten, wenn es die Arbeit und Erfahrung des Verbandes als Basis für das staatliche Label nutze. Dr. Aeikens erläuterte die Pläne des Bundesministeriums: Eine Nutztierstrategie, wie sie der Deutsche Tierschutzbund lange schon fordert, sei ein wichtiger Ansatz, unter anderem um die große Unsicherheit der Landwirte zu reduzieren. „Wir brauchen einen Konsens über die Tierställe der Zukunft, um eine Investitionswelle anzustoßen für mehr Tierwohl“, so Dr. Aeikens.

Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), bekannte sich zum Schulterschluss mit dem Deutschen Tierschutzbund in Sachen Label: „Der Weg eines transparenten Tierschutzlabels ist ein richtiger Schritt, ein konsequenter Weg.“ Auch er wünsche sich eine Verbesserung von heute auf morgen, aber die Wirklichkeit verlange Kompromisse. Müller mahnte den Bundesminister, neben gesetzlichen Verbesserungen auch ein staatliches Label am Label des Tierschutzbundes zu orientieren.

Aus der Realität berichtete Landwirt Andreas Graf, der für die Molkerei Bechtel und somit für Lidl produziert: „Ich freue mich, hier als Milcherzeuger sprechen zu dürfen.“ Sein Familienbetrieb habe schon immer hohe Anforderungen an das Tierwohl gestellt. „Die Umstellung auf die Premiumstufe des Tierschutzlabels ist nicht einfach, aber zeitlich schnell möglich gewesen. Jetzt sehen wir die Kühe täglich ins Freie drängen, selbst bei Schnee und Kälte gehen sie in den Laufstall“, erzählt Graf. 60 Jahre lang hatte keine Milchkuh des Betriebs eine Wiese gesehen. Das Tierschutzlabel sorgt für Veränderung – nicht nur bei den Tieren, auch bei den Landwirten. Andreas Böhm, Milchbauer für die Molkerei Gropper, ALDI SÜD sowie ALDI Nord, sagte: „Es ist wichtig, dass der Mehrwert auch bei den Landwirten ankommt. Ich freue mich, dass wir hier stehen dürfen. Die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Tierschutzbund ist etwas Besonderes.“ Unter den Gästen war zudem auch Beate Kleinle, eine Milchbäuerin aus Süddeutschland, die sich als Demeter-Betrieb nun auch für die Premiumstufe zertifizieren lassen wird.

Über die Grenzen hinaus

Das niederländische Tierschutzsiegel und das Tierschutzlabel „Für mehr Tierschutz“ streben langfristig eine gegenseitige Systemanerkennung an: Betriebe, die für das Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbundes zertifiziert sind, wären dann automatisch auch für „Beter Leven“ zertifiziert und umgekehrt. Bert van den Berg und Marijke de Jong von der niederländischen Tierschutzorganisation De Dierenbescherming betonten die grenzübergreifende Zusammenarbeit als Gründer des Tierschutzsiegels „Beter Leven“. Da Deutschland und die Niederlande vom gegenseitigen Export leben, wird der Tierschutz so zukünftig noch größere Kreise ziehen. „Durch die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Tierschutzbund wird es mehr Tiere geben, denen wir ein besseres Leben geben können“, so van den Berg. „Wir denken über die Grenzen hinweg, denn für Tierschutz darf es keine Grenzen geben“, ergänzt Schröder.

Das Tierschutzlabel "Für mehr Tierschutz" verbessert das Leben von Tausenden Kühen.

Das Tierschutzlabel „Für mehr Tierschutz“ verbessert das Leben von Tausenden Kühen.

Verbesserungen auf allen Ebenen

Neben der tiergerechten Haltung in der Landwirtschaft waren die Millionen männlichen Küken, die jedes Jahr als Abfall der industriellen Eierproduktion sterben müssen, Thema auf der Grünen Woche in Berlin. So kündigte Schmidt erneut an, das Kükentöten mithilfe der Geschlechtsbestimmung im Ei beenden zu wollen. Die Technik sei bald serienreif. Der Deutsche Tierschutzbund begrüßt Schmidts Ankündigung, stellt jedoch erneut die Systemfrage: „Es ist gut und richtig, dass der Kükenmord beendet wird. Es ist aber noch kein Jubeltag für die Hühner. Denn trotz dieser technischen Lösung bleibt es weiter bei einer Hühnerzucht und -haltung, die auf Leistungsmaximierung ausgerichtet ist“, kommentierte Schröder. Der Verband erwartet vom Bundesminister ein gesetzliches Verbot der Kükentötung, wie es vom Bundesminister auch versprochen wurde. Da im Herbst die Bundestagswahl und damit das Ende der Legislatur anstehen, bleibt dem Minister für die Umsetzung all seiner Ankündigungen nur noch wenig Zeit.

NEULAND

Fester Bestandteil der IGW: der NEULAND-Empfang. Der NEULAND-Verein für tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung – getragen von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), dem Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und dem Deutschen Tierschutzbund – zeigt seit Jahren als Leuchtturmprojekt, wie eine artgerechte Tierhaltung aussehen sollte. Politische Vertreter aus Bund und Ländern sowie die Trägerverbände würdigten in ihren Reden die wichtige Vorreiterrolle, die NEULAND in der Nutztierhaltung einnimmt.

Bessere Haltungsbedingungen für die Tiere, das Beenden von Amputationen und des Kükentötens, bessere Rahmenbedingungen für die Landwirte und mehr Schutz für Umwelt und Ressourcen – die Themenvielfalt auf der Grünen Woche war groß. Neben allen Forderungen war die diesjährige Messe ein starkes Signal: Viele Verantwortliche aus Politik, Handel und Landwirtschaft scheinen bereit zu sein, etwas zu verändern. Der Deutsche Tierschutzbund hofft, dass auf all die Worte jetzt Taten folgen. Schließlich geht es am Ende um unser Leben, um das aller Tiere und um den Erhalt unseres Planeten. In der nächsten Ausgabe von DU UND DAS TIER werden wir in einem weiterführenden Artikel über das Tierschutzlabel für Milchkühe und seine Entwicklung berichten.

Weiterführende Infos

  • Hier finden Sie alle Informationen rund um das Tierschutzlabel "Für mehr Tierschutz" des Deutschen Tierschutzbundes und die genauen Kriterien des Tierschutzlabels für Milchkühe.
    www.tierschutzlabel.info

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