In einem körpergroßen Käfig leben zu müssen – wenn auch mit Unterbrechungen – ist das Schicksal der meisten Zuchtsauen. Dabei gibt es Alternativen.

  • Autor: Nadia Wattad, Redaktion DU UND DAS TIER

Stellen Sie sich vor, Sie wären in einem körpergroßen Raum eingesperrt, der Ihnen nur ermöglicht, mit angezogenen Gliedmaßen zu liegen oder aufzustehen. Eine unfassbare Vorstellung, die einer Folter gleichkommt. Zuchtsauen erwartet dieses Schicksal insgesamt circa fünf Monate im Jahr, abhängig von ihrer Trächtigkeit. Die Sauen sind eine Woche vor Geburt der Ferkel, während des Säugens und bis zu vier Wochen nach dem Decken in einem Kastenstand eingesperrt – ein vergitterter Käfig, in dem sie keinen einzigen Schritt gehen können. In der Regel ist der Käfig genauso groß wie die Sau selbst.

Der Kastenstand ist primär dazu entwickelt worden, den Arbeitsalltag zu erleichtern. Das vorgeschobene Argument, mithilfe des Kastenstandes würden die Ferkel vor dem Erdrücken durch die Muttersau geschützt, ist in der Branche ebenfalls häufig zu hören. Die arttypischen Verhaltensweisen der Sau werden dabei völlig außer Acht gelassen. Sie möchte sich frei bewegen, ihre Umgebung erkunden und vor der Geburt ein Nest bauen. All das ist ihr nicht möglich. Auch der so wichtige Mutter-Kind-Kontakt während der Säugezeit ist stark eingeschränkt. Im Kastenstand verletzen sich die Sauen, sie bekommen von den Gitterstäben Druckstellen und erkranken durch den Bewegungsmangel. Darüber hinaus würden Schweine, hätten sie die Wahl, niemals dort koten, wo sie auch schlafen. Verhaltensstörungen sind in dieser eingeengten und reizarmen Umgebung zusätzlich vorprogrammiert und äußern sich durch Stangenbeißen und aggressives Verhalten. Der Deutsche Tierschutzbund lehnt die Haltung von Sauen in Kastenständen ausdrücklich ab.

Zuchtsauen leben in einem Kastenstand auf einer Fläche von 200 x 70 Zentimetern.

 

Auf der heutigen Agrarministerkonferenz in Hannover fordert der Verband die Bundesländer auf, die tierschutzwidrigen Zustände schnellstmöglich abzustellen. Gleichzeitig fordert der Deutsche Tierschutzbund mit dem gesetzlichen Ausstieg aus der Kastenstandhaltung eine grundlegende Änderung der Sauenhaltung. Vielfältige Erfahrungen aus Bio-, NEULAND- und anderen alternativen Betrieben zeigen, dass Sauen, die sich frei bewegen können, nicht mehr Ferkel erdrücken als Sauen in einem Kastenstand. Es gibt noch Forschungsbedarf, jedoch sind bereits viele erfolgreiche und praktikable Umbauempfehlungen vorhanden.

Die gesetzliche Lage

Eine Sau in einem Kastenstand in Spanien.

Diese Sau ist in einem Kastenstand eingepfercht und kann sich kaum bewegen.

Laut Gesetz muss ein Kastenstand so beschaffen sein, dass jedes Schwein – auch wenn alle Kastenstände belegt sind – ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und – in Seitenlage – die Gliedmaßen ausstrecken kann. Eine genaue Breite der Kastenstände ist in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung nicht formuliert und somit interpretierten die Schweinezüchter und Kontrolleure die Vorgaben bisher unterschiedlich. Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Magdeburg konkretisierte nun die tierschutzrechtlichen Auflagen zur Breite von Kastenständen. Auslöser war die Klage gegen einen Betrieb der Straathof-Unternehmensgruppe im Landkreis Jerichower Land.

Das Oberverwaltungsgericht entschied, dass die Vorgabe der Kastenstandbreite, die sich aus dem Paragrafen 24 Absatz 4 Nummer 2 der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung ergibt, nur erfüllt ist, wenn dessen Breite mindestens der Widerristhöhe des konkreten Tieres entspricht. Demnach sind die Kastenstände in den heute üblichen Sauenhaltungen viel zu eng. Das Gericht stellte zudem klar, dass die Möglichkeit, die Gliedmaßen in den benachbarten Kastenstand zu strecken, nur ausreicht, wenn dieser unbesetzt ist.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte im November 2016 eine Revision des Magdeburger Urteils abgelehnt und damit klar gestellt, dass die gängige Haltung von Sauen in Kastenständen gegen die Mindestbedingungen in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung verstößt. Die Länder als Vollzugsverantwortliche sind daher nun in der Pflicht, bestehende Anlagen und erteilte Baugenehmigungen zu überprüfen und gesetzeswidrige Zustände abzustellen. Doch eine Verbreiterung der Kastenstände löst nicht das Grundproblem: den tierschutzwidrigen Kastenstand.

Dem Muttertier bietet diese Art von Gefängnis keinerlei Komfort und es schränkt seine Bedürfnisse massiv ein. Häufige Erkrankungen während der Fixierung sind eine äußerst schmerzhafte Gesäuge- und Gebärmutterentzündung, Harnwegserkrankungen und Verletzungen des Bewegungsapparates. Ihr Leben endet deutlich schneller als das gesunder Sauen. In der Regel werden konventionell gehaltene Zuchtsauen schon nach wenigen Jahren geschlachtet.

Der Deutsche Tierschutzbund kämpft weiterhin für eine tiergerechte Haltung von Schweinen und setzt sich für eine Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ein. Sowohl Sau als auch Ferkel müssen die Möglichkeit haben, sich frei bewegen zu können. In dieser Hinsicht haben uns einige Nachbarländer etwas voraus.

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