Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER
Spannt eure Flügel aus und lasst euch tragen – möchte man den jungen Störchen zurufen, die im Juli ihre ersten Flugversuche starten. „Zunächst heben sie nur ein kleines bisschen ab. So trainieren sie ihre Muskeln“, erklärt Denise Ritter, Referentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. Nach zwei bis drei Wochen begleiten sie ihre Eltern dann auf ersten Nahrungsflügen. Schon im August beginnt ihre Reise in den Süden – bis zu 10.000 Kilometer liegen jetzt vor ihnen.
Majestätisch wirken die Störche am Himmel, wenn sie nach Afrika ziehen. Bis zu 200 Kilometer legen sie täglich zurück. Dabei nutzen sie die warmen Aufwinde, die sich über größeren Landflächen bilden, und lassen sich gleiten. Ohne diese wäre die weite Reise nicht möglich. „Je nachdem, wo die Vögel aufgewachsen sind oder leben, wählen sie andere Routen. Manche fliegen westlich über Gibraltar, andere östlich über die Türkei, Ägypten und am Nil entlang“, so Ritter. Weil die Aufwinde über großen Wasserflächen fehlen, fliegen sie vorwiegend über Land. Allerdings nehmen heute nicht mehr alle Störche diese Reise auf sich. Manche bleiben hier, weil Menschen sie füttern.
Aus Tierschutzsicht ist das höchst problematisch. Abgesehen davon, dass das nicht notwendig ist, ist das Futter meist nicht artgerecht und der Biorhythmus der Tiere wird gestört. Andere fliegen nur bis Südspanien und sparen durch die kürzere Strecke viel Energie. Allerdings überwintern sie häufig auf Mülldeponien. „Weil sie dort übermäßig viele Schadstoffe und Plastik zu sich nehmen, leiden sie oft unter inneren und äußeren Verletzungen“, so Ritter. Zudem fehlen diese Tiere in ihrem eigentlichen Winterquartier in Afrika, wo sie ein wichtiger Teil des Ökosystems sind, weil sie zum Beispiel Heuschrecken bei massenhaftem Vorkommen fressen. Laut Wissenschaftlern kann das immense Langzeitfolgen haben.
Wo auch immer sie überwintern, die Jungvögel kommen meist erst wieder zurück, wenn sie mit drei bis vier Jahren geschlechtsreif sind. Von da an werden sie die Reise jedes Jahr antreten und hier mit dem gleichen Partner brüten – vorausgesetzt sie überleben und kehren zurück. Denn Weißstörche gelten als gefährdet. Auch wenn sich ihr Bestand dank verschiedener Schutzmaßnahmen wieder etwas erholt hat, sind ihr Leben und ihre Lebensräume weiterhin in Gefahr. Noch immer müssen Feuchtwiesengebiete und Auenlandschaften der intensiven Landwirtschaft weichen. Auch schlecht gesicherte Strommasten werden immer wieder zur tödlichen Falle. Darüber hinaus sterben jedes Jahr unzählige Störche durch die Gewehrkugeln illegaler Wilderer.
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