Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER
Liegt es daran, dass sie aktiv sind, wenn wir schlafen, und viele die Dunkelheit der Nacht allgemein als unheimlich empfinden? Oder hat erst der Mythos, Vampire könnten sich in ihrer Gestalt unbemerkt von Ort zu Ort bewegen, dazu geführt, dass wir die faszinierenden Tiere als Blutsauger abstempeln und sie uns in Geisterbahnen, Horrorfilmen oder auf Halloween-Feiern mit spitzen Zähnen erschrecken? Fledermäuse haben ein Gruselimage, das den oftmals putzigen, nahezu weltweit verbreiteten Tieren, die auch in unseren Wäldern, Gebirgen und sogar Städten zu Hause sind, nicht gerecht wird. Nur drei der weltweit über 1.000 Arten ernähren sich tatsächlich von Blut. An Menschen sind aber auch diese auf dem amerikanischen Kontinent lebenden Vampirfledermäuse nicht interessiert. Sie erbeuten kleine Tiere. „Die meisten der rund 25 in Deutschland heimischen Fledermausarten haben es eher auf Spinnen und Insekten abgesehen“, sagt Katrin Pichl, Referentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. Die Menge, die sie dabei während ihrer bis zu 20 Lebensjahre täglich benötigen, entspricht etwa einem Drittel ihres eigenen Körpergewichts. Um sogar kleinste Insekten im Flug fangen zu können, orientieren sich die Fledermäuse, die bereits seit etwa 50 Millionen Jahren auf der Erde leben, mit Ultraschall. Dazu senden sie über ihr Maul oder ihre Nase Schallwellen im Hochfrequenzbereich aus. Treffen diese auf Objekte oder Tiere, sind die Fledermäuse in der Lage, dieses Echo blitzschnell zu analysieren und zu erkennen, um was es sich handelt, wie groß es ist und wohin es sich bewegt. Meist können sie dank dieser außergewöhnlichen Ortung unbemerkt zuschlagen. „Insbesondere Nachtfalter stehen auf ihrem Speiseplan ganz oben. Weil deren Bestand, wie der anderer Insekten bedroht ist, finden die Fledermäuse jedoch immer weniger Nahrung“, erklärt Pichl.
Dies ist eine der Ursachen, warum viele Fledermausarten, die neben Flughunden als einzige Säugetiere fliegen können, gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht sind. Auch der Verlust ihrer natürlichen Lebensräume, der Einsatz von Pestiziden und Kollisionen mit Windkraftanlagen setzen den Beständen seit vielen Jahren zu (Wie Sie den Tieren helfen können, lesen Sie unten/rechts). Schätzungsweise 300.000 Fledermäuse sterben in Deutschland pro Jahr bei Kollisionen mit den technischen Anlagen, unter anderem auf ihren Routen in südlichere Gefilde. Dies ließe sich unter anderem durch die Ausweitung von Waldschutzgebieten, genau ausgewählte Standorte, angepasste Höhen der Räder und zeitweise Betriebspausen während der aktivsten Zeiten der Tiere verhindern. „Viele Fledermausarten ziehen im Frühjahr und Herbst wie Zugvögel von ihren Sommerquartieren in ihre Winterlager – meist über einige hundert Kilometer, je nach Art aber auch bis zu 1.500 Kilometer bis nach Südfrankreich oder Spanien“, berichtet Pichl. Spätestens, wenn der erste Frost einsetzt, bereiten sich die Tiere dort auf ihren Winterschlaf vor. Dafür suchen sie sich meistens kühle Höhlen mit hoher Luftfeuchtigkeit oder vergleichbare Unterschlüpfe aus, zum Beispiel Baumhöhlen. Dann fahren sie ihre Energiereserven auf das Nötigste herunter. Während ein Fledermausherz im Flug 400 Mal pro Minute schlägt, pulsiert es im Winterschlaf, den die Tiere wie ihren normalen Schlaf kopfüber hängend verbringen, zwischen zehn- und achtzigmal. Noch extremer sinkt die Atemfrequenz, die sich bis auf einen Atemzug pro Stunde reduzieren kann. Trotz dieses sparsamen Standby-Modus sind Fledermäuse in der Lage, aus dem Winterschlaf zu erwachen, wenn es zu warm oder zu kalt werden sollte oder sie gestört werden. „Dafür benötigen sie jedoch viel Energie, für die ihnen im Winter und Frühjahr das Futterangebot und die Fettreserven fehlen. Das ist der Grund, warum man manchmal geschwächte Tiere am Boden findet, die den Weg in ein anderes Quartier nicht schaffen“, erläutert Pichl. Deshalb sind viele Höhlen, in denen die Tiere überwintern, während der kalten Jahreszeit gesperrt.
Ob Fledermäuse Höhlen in riesigen Kolonien bewohnen, wie man es aus Dokumentarfilmen und den Batman-Blockbustern kennt, oder als Einzelgänger unterwegs sind, hängt von der jeweiligen Art, aber auch vom Lebensraum ab. Einige Arten bilden sogar Gemeinschaften, in denen weibliche Tiere sich die Aufzucht der Jungtiere teilen. Eine Gruppe betreut die jungen Fledermäuse, die anderen Mütter jagen – so viel Gemeinschaftssinn ist doch wahrlich alles andere als gruselig.
Viele Staaten haben die Bedeutung der Fledermäuse, deren Vorkommen ein Indikator für ein gesundes und stabiles Ökosystem ist, und ihren Bedarf nach Schutz erkannt. Innerhalb der EU sind darum alle Arten – etwa 40 leben in Europa – durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie geschützt. Und mit EUROBATS gibt es sogar ein eigenes Abkommen zur Erhaltung der europäischen Fledermauspopulationen, dem sich derzeit 37 Staaten verpflichtet haben. Zusätzlich kann jeder etwas tun, um eine fledermausfreundliche Umgebung zu schaffen: