Hinter den Kulissen
Wachteleier

Feinkost aus der Legebatterie

Hinter den Kulissen
Wachteleier

Feinkost aus der Legebatterie

Nachdem Wachteleier lange vor allem unter Feinschmeckern begehrt waren, erobern sie nun die Supermärkte und Discounter. Doch leider gehören die immer häufiger auch als Superfood beworbenen hübschen Eier im Mini-Format zu der Kategorie von Lebensmitteln, für die Tiere einen sehr hohen Preis bezahlen. Denn für ihre Haltung gibt es keinerlei Vorgaben.

  • Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER

Wachteleier aus Legebatterien sind in Deutschland noch immer legal.

Die kleinen gepunkteten Hennen können sich kaum um sich selbst drehen. Die Standardausführung der Batteriekäfige lässt das einfach nicht zu. Vielmehr zwingt sie die Tiere zu einer geduckten Haltung, da die Käfige oft nur genauso hoch sind wie sie selbst. Eine Deckenhöhe von 20 Zentimetern macht ein Ausstrecken, gar Flattern unmöglich. Auch ein Umherlaufen ist äußerst schwierig, weil sich dafür einfach zu viele Tiere auf zu engem Raum befinden. Ihre Füße entzünden sich auf den mit Kot verschmutzten Gitterböden und ihre Körper verändern sich schmerzhaft unter der unnatürlichen Haltung. Ganz zu schweigen von den psychischen Leiden in einem Leben ohne die Möglichkeit, frische Luft zu atmen, im Gras nach Futter zu suchen oder im Sand zu baden. Doch ihre Bedürfnisse spielen in der industriellen Haltung genauso wenig eine Rolle wie ihr gesundheitlicher Zustand.

Vielmehr sind die Wachteln dazu gezwungen, die ihnen vom Menschen auferlegte Aufgabe als Eierlegemaschine zu erfüllen, während viele Verbraucher denken, dass es Legebatterien in Deutschland überhaupt nicht mehr gibt. Bei Hühnern ist das auch so. Zumindest hierzulande. Doch bis heute verstecken sich Käfigeier in Backwaren, Pasta oder Fertiggerichten, die auch in unseren Supermärkten erhältlich sind. Während Hühnereier aus Käfighaltung so immer noch auf Umwegen ihren Platz in die Regale finden, sind Wachteleier aus Legebatterien von vornherein legal. Möglich wird das durch die Abwesenheit eines Gesetzes, das die Haltung der Tiere regulieren würde. „Es gibt einfach keine speziellen konkreten, rechtsverbindlichen Vorgaben zur Haltung von Wachteln, welche die allgemeinen Anforderungen des Tierschutzgesetzes oder der Tierschutznutztierhaltungsverordnung konkretisieren würden“, erklärt Nina Brakebusch, Referentin für Interdisziplinäre Themen beim Deutschen Tierschutzbund. Wie viele Wachteln hierzulande in Batterien leben, wird statistisch nicht erfasst. Bekannt sind nur 2019 aus Niedersachsen gemeldete Zahlen, bei denen von 1.342 Beständen mit circa 55.000 Tieren die Rede ist. Es ist davon auszugehen, dass bei uns noch deutlich mehr Wachteln für den menschlichen Konsum leiden. „Grundsätzlich werden die Tiere hier vor allem zur Produktion von Eiern, im Ausland zusätzlich auch für die von Fleisch gehalten – alle hauptsächlich in unstrukturierten Käfigen mit Gitterböden“, so Brakebusch.

Vom Leben als Zugvogel in die Legebatterie

Dass das alles andere als tiergerecht ist, sollte nicht nur Tierschützern klar sein. Zwar haben die Wachteln, die dem Menschen heute als sogenannte Nutztiere dienen, nicht alle Verhaltensweisen ihrer wilden Vorfahren behalten. Ein gutes Argument, sie deswegen in kleine Käfige sperren zu können, in denen sie keines ihrer Bedürfnisse auch nur ansatzweise ausleben können, ist das dennoch nicht. Die Wachteln, die heute in der Landwirtschaft leben, sind allesamt Nachkommen der wild lebenden Japanischen Wachtel. Bereits seit dem 12. Jahrhundert domestizierten Japaner die Tiere und züchteten sie um 1910 erstmals gezielt auf Legeleistung und Fleischansatz. Ab den 1930er-Jahren exportierten sie die sogenannten Japanwachteln dann nach Europa, Amerika und in den Mittleren Osten. Die wilden Artgenossen der Batterietiere, die es in Japan, China und der Mongolei bis heute gibt, leben auf offenen Feld- und Wiesenflächen und bevorzugen dabei Gegenden, die ihnen durch Kräuter oder angrenzende Hecken und Wälder gleichzeitig Deckung bieten. Für den Winter ziehen sie in die südlichen Gebiete Japans, Vietnams und Koreas – denn Wachteln gehören als einzige unter den Hühnervögeln zu den Zugvögeln. Das gilt auch für die nahen Verwandten, die Europäischen Wachteln, die unter anderem hier in Deutschland leben. Diese Tiere überwintern in Afrika, Äquatornähe oder Vorderindien.

Besonders geschützte Art

Die Europäische Wachtel ist hierzulande ganzjährig von der Jagd verschont, unterliegt dem Schutz der EU-Vogelschutzrichtlinie und gehört zu den vom Bundesartenschutzgesetz besonders geschützten Arten. Die an ihrem braunen Federkleid mit einer Vielzahl von rötlich-braunen bis schwarzen oder weißen Streifen und Punkten zu erkennenden Japanwachteln ernähren sich vor allem von Körnern, Sämereien, Früchten, Pflanzenteilen und Insekten. In der Natur sind sie vor allem während der Morgen- und Abenddämmerung aktiv und täglich viele Stunden damit beschäftigt, scharrend und pickend nach Futter zu suchen. Sie werden etwa 15 bis 20 Zentimeter groß und erreichen ein Gewicht von 90 bis 110 Gramm – ihre Artgenossen in der Landwirtschaft wiegen durch die Zucht auf Leistung bei einer ähnlichen Größe das Doppelte bis Dreifache. Alle Details über das Sozialverhalten wildlebender Wachteln sind nicht bekannt, da die sehr scheuen Vögel bisher nur selten beobachtet wurden. Belegt ist aber, dass die territorialen Männchen meist einzelgängerisch umherziehen und sich mit verschiedenen Weibchen paaren. Diese brüten in Nestern auf dem Boden, wofür sie Mulden ausscharren und auspolstern. Wachteln ziehen gewöhnlich eine Brut pro Jahr groß, wobei ein Gelege zwischen sieben und zwölf Eiern umfasst. Die Küken, die nach 16 bis 19 Tagen auf die Welt kommen, sind als Nestflüchter schon kurze Zeit nach dem Schlüpfen recht eigenständig. Nach einer Woche bilden sich Schwungfedern und Flügel, ab dem 19. Lebenstag sind sie bereits voll flugfähig. Bis zum zwölften Lebenstag bleiben sie aber noch in der Nähe ihrer Mutter, da sie ihre Körpertemperatur am Anfang noch nicht selbst regulieren können und auf ihre Wärme angewiesen sind.

So werden die Wachteln in viel zu enge Batteriekäfige gepfercht, in denen sie sich so gut wie gar nicht bewegen können.

Spuren eines tierschutzwidrigen Lebens

Während die Tiere in der Natur bis zu drei Jahre alt werden können, erreichen Mastwachteln ihre Schlachtreife mit gerade einmal vier bis sechs Wochen. Legewachteln werden aus wirtschaftlichen Gründen mit spätestens 38 Wochen getötet. Zu dieser Zeit hat die schlechte Haltung längst deutliche Spuren hinterlassen. „Durch das lebenslange Stehen auf Gitterböden entstehen schmerzhafte Fußballenerkrankungen, Zehengelenks- und Sehnenscheidenverletzungen. Dadurch kommt es zu Lahmheit, dem Absterben von Gewebe und zum Teil schweren Infektionen“, erklärt Brakebusch. „Durch die Zucht auf eine möglichst hohe Legeleistung entstehen zudem die aus der Legehennenhaltung bekannten Probleme wie Eileiter- und Bauchfellentzündungen und eine zunehmende Instabilität der Knochen.“

Am Ende ihres kurzen Lebens sind die Wachteln daher nicht nur physisch, sondern auch psychisch völlig am Ende.

Auch Verhaltensstörungen prägen das Leben in der Batterie: Durch gegenseitiges Bepicken und Übereinandersteigen entstehen blutige Verletzungen und Federlosigkeit, was wiederum dazu führt, dass die Tiere ihre Körpertemperatur nicht mehr halten können und schnell unterkühlen. Teilweise kommt es zu Kannibalismus. Da die Tiere zudem nur vorgefertigtes Futter erhalten, verkürzt sich die Zeit des Fressens so extrem, dass es durch Langeweile zu weiteren stereotypischen Verhaltensweisen kommt. Auch das Sozialverhalten ist in der Enge gestört. Unterlegene Tiere können sich vor dominanteren nicht zurückziehen, eine ungestörte Eiablage ist so oder so nicht möglich. „Besonders die fehlende Möglichkeit, ihren natürlichen Drang zum Nestbau auszuleben, führt zu einem hohen Maß an Unruhe und Stress“, so Brakebusch.

Käfighaltung abschaffen

Der Deutsche Tierschutzbund fordert die Abschaffung der Käfighaltung. Aber die Bodenhaltung ist häufig nicht weniger problematisch: „Verklumpungen von Streu und Kot an den Füßen führen auch hier zu gegenseitigem Bepicken, nasse oder mit Kot verschmutzte Einstreu zu Infektionen“, so Brakebusch. „Beiden Haltungsformen ist zudem gemein, dass hohe Staub-, Schimmelsporen- oder Schadgaskonzentrationen herrschen, die zu Lungen- oder Luftsackinfektionen, Verätzungen der Schleimhäute und Lidbindehautentzündungen führen können.“ Aus Tierschutzsicht führt kein Weg daran vorbei, dass endlich verbindliche Anforderungen für die tierschutzkonforme Haltung von Wachteln geschaffen werden müssen. Außerdem müssen Wachteleier eindeutig deklariert werden. Die derzeitigen EU-Vermarktungsnormen gelten ausschließlich für Hühnereier. Dennoch gelangen immer wieder Wachteleier aus angeblicher Bodenhaltung auf den Markt, obwohl diese Kennzeichnung jeglicher rechtlichen Grundlage entbehrt. Das ist nichts anderes als Verbrauchertäuschung. Der Deutsche Tierschutzbund rät vom Kauf von Wachteleiern aus Käfig- oder Bodenhaltung ab. Wenn es denn Wachteleier sein müssen, sollten Verbraucher nur welche aus zertifizierter Biohaltung von Ökoverbänden wie Naturland oder Bioland kaufen.

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