Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER
Gebraten, gekocht, geräuchert oder roh – Lachs ist ein Klassiker bei jedem Fest. Der Atlantische Lachs, lateinisch Salmo Salar genannt, ist einer der Fische, die am häufigsten auf den Teller kommen. Die einstige Delikatesse ist längst zur Massenware geworden. Wie die Aufschrift vieler Verpackungen verrät, stammt bereits heute fast jeder Lachs aus Aquakultur.
Kaum eine andere Art der Lebensmittelerzeugung boomt so wie die Aquakultur. Rund 70 Millionen Tonnen Fisch und Meeresfrüchte produzieren Fischfarmen jährlich. Etwa zwei Millionen Tonnen davon sind Lachs. Der nach Deutschland importierte Lachs stammt zur Hälfte aus Norwegen, gefolgt von Polen und China. Eine Prognose der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) besagt, dass wir schon in einigen Jahren mehr Fisch aus Aquakultur als aus Wildfang essen werden.
Schon seit Jahren gibt es Bio-Fisch im Supermarkt. Die Vorgaben für ökologische Aquakulturen sind im Rahmen der EU-Ökoverordnung bereits 2009 in Kraft getreten. Doch was sind die Unterschiede zur konventionellen Aquakultur? Lesen
Der Sinn von Aquakulturen besteht darin, dass Fisch zu allen Jahreszeiten, in großen Mengen und zu niedrigen Preisen verfügbar ist. Der Atlantische Lachs wird in riesigen Netzgehegen oder Käfiganlagen vor den Küsten im Meer gehalten. Da das Futter für die Lachse aus Fischmehl und Fischöl besteht, trägt diese Haltungsform ebenfalls zur Überfischung der Meere bei.
In freier Natur wandern Lachse über Tausende von Kilometern. In Zuchtfarmen sind die Fische in großer Anzahl zusammengepfercht, leiden unter Stress und an einer Vielzahl von Krankheiten. Bis zu ein Viertel der Lachse stirbt bereits während der Gefangenschaft. Haben die Fische die Aufzucht und Mast überlebt, werden sie betäubt und getötet. Allerdings wirken die derzeit zulässigen Betäubungsmethoden bei allen Fischarten unterschiedlich. Gerade rund um die Schlachtprozesse besteht dringender Forschungsbedarf.
Neben dem Leid für die Tiere sind Fischfarmen auch ökologisch bedenklich. Große Mengen absinkender Fäkalien und Nahrungsreste verschmutzen den Meeresboden. Außerdem gelangen Medikamente wie Antibiotika aus den offenen Netzkäfigen in die Meere und Flüsse und schädigen die dort frei lebenden Tiere und das sensible Ökosystem der Küstengewässer.
Auch die Krankheiten der intensiv gehaltenen Lachse können sich schnell auf die wild lebenden Lachse übertragen. „Jährlich entkommen Hunderttausende Zuchtlachse ihren Netzkäfigen und gelangen ins freie Meer. Obwohl sie sich durch die Zucht genetisch von Wildlachsen unterscheiden, können sie sich mit ihnen verpaaren und somit den Genpool der Wildlachse stören“, so Dr. Henriette Mackensen, Referentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund.
Rund 90 Millionen Tonnen Fisch und Meerestiere holt die globale Fischindustrie jedes Jahr aus den Meeren. Hochtechnisierte Fangflotten dringen mit gigantischem Aufwand in immer abgelegenere Gebiete, um dort an die letzten Speisefische zu gelangen. In Europa gelten bereits über 80 Prozent aller Fischbestände als überfischt.
Der Atlantische Lachs wird mit sogenannten Kiemennetzen gefangen, deren Maschen so fein sind, dass sich die Fische mit ihren Kiemendeckeln darin verhaken. Hängen die Lachse im Netz, haben sie keine Chance mehr zu entkommen. Sie werden zu Tausenden an die Meeresoberfläche geholt, auf Schiffen entladen und ersticken dort an der Luft. Nicht selten platzen zuvor schon auf dem schnellen Weg an die Oberfläche die Schwimmblasen der Tiere. Der Massenfang ist rechtlich nicht geregelt – eine Betäubung der Fische nicht vorgesehen. Aus Tierschutzsicht ist das unverantwortlich. Auch Fische sind schmerzempfindliche und leidensfähige Lebewesen.
Neben den Fischen verfangen sich in den Netzen unzählige andere Meeresbewohner. 38 Millionen Tonnen Beifang werden jährlich ins Meer zurückgeworfen. So sterben Hunderttausende Haie, Seevögel, Meeresschildkröten, Delfine und Wale einen meist qualvollen Tod.
Es ist Zeit, darüber nachzudenken, was wir den Tieren, uns und unserem Planeten mit den Aquakulturen und dem Ausbeuten der Weltmeere zumuten.
Der Verbraucher kann aktiv zum Schutz der Tiere und Meere beitragen, indem er vollständig auf Fisch verzichtet oder seinen Konsum zumindest auf ein gesundes Maß reduziert. Dabei sollte er auf Fisch aus ökologischen Aquakulturen oder bei Wildfischen auf nachhaltige Kriterien wie das „Friend of the Sea-“ oder „MSC“-Siegel achten.