Autor: Nadia Wattad, Redaktion DU UND DAS TIER
DU UND DAS TIER: In einer aktuellen repräsentativen Umfrage von Kantar EMNID, die der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Auftrag gegeben hat, wird deutlich, dass sich 56 Prozent der befragten Verbraucher die Einführung eines Tierwohllabels wünschen. Der vzbv und der Deutsche Tierschutzbund (DTschB) haben die Mitarbeit an den Plänen von Bundesminister Christian Schmidt zum Label allerdings auf Eis gelegt. Was waren die Gründe und wie müsste ein ambitioniertes staatliches Label aus Ihrer Sicht aussehen?
Der vzbv hat seine Mitarbeit nicht auf Eis gelegt, sondern einen ehrgeizigen Neustart der nächsten Bundesregierung gefordert. Beim Tierwohllabel muss die neue Regierungskoalition zügig liefern – die Vorschläge liegen ja bereits in der Schublade. Wir brauchen schnellstmöglich ein ambitioniertes staatliches Tierwohllabel, das glaubwürdig ist und Verbrauchern Orientierung bietet. In der Einstiegsstufe muss solch ein Label mindestens dem Standard des Deutschen Tierschutzbundes entsprechen.
DU UND DAS TIER: Da die Politik schon so lange untätig geblieben ist, ist der Deutsche Tierschutzbund mit seinem Label „Für Mehr Tierschutz“ aktiv geworden. Dieses zweistufige Label behauptet sich bereits seit fünf Jahren auf dem Markt. Denken Sie, dass unser Label dem Verbraucher eine gute Alternative bietet, wenn es um das Thema „Mehr Tierschutz im Stall“ geht?
Wir halten das Label des Deutschen Tierschutzbundes für eine gute Orientierung. Aber im Moment ist das Label eines neben vielen. Es ist für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht immer einfach, den Überblick zu behalten. Deshalb bevorzugen wir ein staatliches Label, das sich an dem Labelsystem des Deutschen Tierschutzbundes orientiert. Ziel muss sein, dass das staatliche Tierwohllabel eine Bekanntheit ähnlich des Bio-Labels erreicht. Das setzt auch eine entsprechende Bewerbung voraus.
DU UND DAS TIER: Neben dem geplanten staatlichen Tierwohllabel hat Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt kurz vor Ende der Legislaturperiode auch seine ersten Ansätze einer Nutztierhaltungsstrategie vorgestellt. Für den Deutschen Tierschutzbund gehen einige Ankündigungen daraus in die richtige Richtung, allerdings enthält das Papier keine konkreten Ziele. Wie lautet Ihre Einschätzung?
Im bisherigen Entwurf einer Nutztierhaltungsstrategie fehlen neben den klaren Zielen auch ein Zeitplan und konkrete Aussagen zu der Frage, wer die Maßnahmen finanziert und wie. Es gibt, angestoßen vom Bundesumweltministerium, eine Debatte über einen Gesellschaftsvertrag. Dieser sollte auch für den Bereich des Tierschutzes geschlossen werden. Jedoch nicht nur bezogen auf die Haltung der Tiere, sondern für die gesamte Lebensmittelkette – vom Zugang zu Boden über die Art der Landbewirtschaftung und Futterherstellung bis hin zur Schlachtung der Tiere in dezentralen Schlachtbetrieben.
DU UND DAS TIER: Die Initiative Tierwohl (ITW) hat auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin ein eigenes Label für Geflügel vorgestellt. Ab April soll es in den Supermärkten sein, dem Verbraucher verspricht die ITW damit mehr Transparenz. Wie beurteilen Sie das neue Label?
Das geplante Label der Initiative Tierwohl für unverarbeitetes Geflügelfleisch stiftet eher Verwirrung statt Orientierung zu geben: Jetzt sollen Verbraucher an der Kühltheke zwischen unterschiedlichen Kennzeichnungsmethoden bei Geflügelund Schweinefleisch unterscheiden. Wer soll das verstehen? Zudem ist der Standard der Initiative Tierwohl zu niedrig. Jeder Schritt zu mehr Tierwohl ist gut und die konkrete Zuordnung zum Tier erst recht – aber hinter einem Label müssen ambitioniertere Schritte stehen. Nur das macht es glaubwürdig.