Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER
Eine artgerechte Tierhaltung, weniger Pflanzengift, mehr Unterstützung für kleine und mittlere Landwirtschaftsbetriebe – die Liste der Forderungen, für die Tausende Menschen auf Berlins Straßen gingen, war lang. Mit Trillerpfeifen, Kochtöpfen und Plakaten gewappnet, taten sie ihren Unmut über die derzeitige Agrarpolitik kund. Unter dem Motto „Wir haben es satt!“ hatte ein breites Bündnis aus mehr als 50 Organisationen aus Landwirtschaft und Zivilgesellschaft – darunter der Deutsche Tierschutzbund – zu einer Demonstration am Rande der Internationalen Grünen Woche aufgerufen. Etwa 33.000 Menschen nahmen nach Angaben der Veranstalter teil, darunter Landwirte, Tierschützer sowie Vertreter aus Umwelt- und Verbraucherorganisationen aus dem ganzen Bundesgebiet. Sie alle hatten nur ein Ziel: die Politik aufzufordern, die fatalen Folgen der industriellen Landwirtschaft endlich zu stoppen.
Natürlich war auch der Deutsche Tierschutzbund wie in den Vorjahren stark vertreten: Zahlreiche Mitarbeiter, Mitglieder, Landesverbände und angeschlossene Tierschutzvereine zogen auf einer Strecke von rund fünf Kilometern durch das Regierungsviertel in Richtung Brandenburger Tor. Einen besonderen Blickfang bildete dabei das aufblasbare pinke Riesenschwein des Verbandes, das stellvertretend für die unzähligen Mastschweine in der industriellen Landwirtschaft steht. „In Deutschland muss sich grundsätzlich etwas im Tierschutz ändern, insbesondere in der Landwirtschaft“, bekräftigte Renate Seidel, Vizepräsidentin des Deutschen Tierschutzbundes. „In den vergangenen Jahren ist in dieser Hinsicht viel zu wenig passiert, deshalb müssen wir den Politikern heute nachhelfen.“
Für eine faire Entlohnung und eine globale Agrarwende setzten sich auch zahlreiche Landwirte ein – sie hatten wohl die mühsamste Anfahrt und nahmen mit ihren insgesamt 160 Traktoren weite Distanzen etwa aus Augsburg oder Göttingen auf sich, um gemeinsam in einer eindrucksvollen Kolonne den Demonstrationszug anzuführen. Den Startpunkt bildete der Washingtonplatz vor dem Berliner Hauptbahnhof – zum Leidwesen der Bahnreisenden. Denn auf dem Platz hatte sich eine riesige Menschenmasse gebildet, die es Pendlern kaum ermöglichte, das Bahnhofsgebäude zu verlassen. Auf der Bühne stimmten mehrere Redner die Demonstranten ein – auch Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, trat vor die zahlreichen Teilnehmer: „Tagtäglich wird das Recht der Tiere ignoriert, weil die Agrarindustrie weiter Profit machen will“, so Schröder. Die neue Bundesregierung müsse begreifen, dass wir jetzt eine neue Agrarpolitik und eine nationale Nutztierstrategie brauchen. „Tierschutz ist kein Nischenthema mehr, es bewegt die Gesellschaft.“
Diese Ansicht teilte auch Monika Hahn, Vorsitzende des Tierschutzvereins Südthüringen: „Ich demonstriere heute mit, weil ich es als notwendig erachte, dass Tiere so leben können, wie es ihrer Art entspricht – das Tierleid, das wir in großen Industriebetrieben sehen, muss ein Ende haben.“
Mit mehreren Mitstreitern war auch Holger Sauerzweig-Strey vom Landesverband Schleswig-Holstein zum siebten Mal angereist: „Wir wollen unseren Protest gegen die kommerzielle Landwirtschaft ausdrücken. Auch Richtung Politik: Es wird immer viel geredet,aber zu halbherzig gehandelt“, so Sauerzweig-Strey. Außerdem ist er der Ansicht, dass der Tierschutz in ein anderes Ministerium verlegt werden müsse. Besonders lautstark wurde der Protest, als die Demonstranten das Wirtschaftsministerium erreichten: Am Rande der Internationalen Grünen Woche tagten dort zu dem Zeitpunkt Agrarminister aus aller Welt. Mit ohrenbetäubendem Lärm machten sie auf ihre Forderungen aufmerksam. „Wir müssen heute vor Ort Präsenz zeigen und unsere Stimme erheben – für eine auf das Wohl der Menschen ausgerichtete Landwirtschaft und für eine auf das Wohl der Tiere ausgerichtete Tierhaltung“, sagt Petra Dünkler, Vorsitzende des Tierschutzvereins Erfurt. Zum ersten Mal nahmen Silvia und Bernd Dreeke aus dem Landkreis Coburg an der Demo teil: „Wir sind schon seit vielen Jahren Mitglieder des Deutschen Tierschutzbundes und jetzt, da wir in Rente sind und mehr Zeit haben, war es uns eine Herzensangelegenheit, heute mit zu demonstrieren. Wir haben schließlich nur eine Erde und müssen auch an zukünftige Generationen denken.“