Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER
Ob im Supermarkt, auf der Speisekarte, in der Drogerie oder auf weiteren Produkten unseres Alltags – das Wort vegan ist heute omnipräsent. Zwei Prozent der Deutschen ernähren sich rein pflanzlich, viele andere zeigen großes Interesse an der veganen Lebensweise und bauen immer mehr vegane Produkte in ihren Alltag ein. Der Deutsche Tierschutzbund blickt sehr positiv auf diese Entwicklung und freut sich über jede Person, die sich dem Veganismus nähern möchte. Denn der Verband macht sich für alle Tiere stark – auch für all die Rinder, Schweine, Hühner, Puten, Fische und all die anderen landwirtschaftlich genutzten Tiere, die meist fern von den Blicken der Öffentlichkeit hinter Stalltüren leiden. Dabei definiert der Deutsche Tierschutzbund die vegane Ernährungs- und Lebensweise als den direktesten und konkretesten Weg zu mehr Tierschutz und macht sich für einen Wandel in unserem Ernährungssystem stark. „So wie die Tiere heute behandelt werden und für unseren Konsum leiden und sterben müssen, darf es nicht weitergehen“, sagt Dr. Isabel Knößlsdorfer, Referentin für Veganismus beim Deutschen Tierschutzbund. „Jeder Mensch, der eine oder mehrere Mahlzeiten vegan gestaltet, leistet einen wichtigen Beitrag und erhebt seine Stimme für die Tiere.“ Doch gleichzeitig gibt es immer noch sehr viele Menschen, denen es nicht so leichtfällt, sich dem Veganismus zu nähern – andere lehnen ihn direkt von vorneherein ab, halten ihn für übertrieben und zu radikal. Der Grund: Es ranken sich um das Thema Tierschutz und die pflanzliche Ernährung nach wie vor zahlreiche Mythen und Vorurteile, die auf Unwissenheit oder Fehlinformationen beruhen. „Um dem entgegenzuwirken, haben wir unsere Publikation ‚Warum vegan Argumentieren für den Tierschutz‘ veröffentlicht“, so Knößlsdorfer. Mit diesem 50 Seiten langen Papier möchten die Tierschützer*innen allen Interessierten einen Leitfaden an die Hand geben, um die Grundlagen der Philosophie des Veganismus zu verstehen, Argumente gegen den Veganismus besser einordnen zu können und in Gesprächen mit anderen gut aufgestellt zu sein.
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Bei der Definition des Veganismus beruft sich der Deutsche Tierschutzbund auf die der 1944 gegründeten Vegan Society of England und deren Mitbegründer Donald Watson. In der Übersetzung lautet diese: „Der Veganismus ist eine Philosophie und eine Lebensweise, die danach strebt, alle Formen der Ausbeutung von und Grausamkeiten gegenüber Tieren – soweit es möglich und praktisch durchführbar ist –, sei es für die Ernährung, für Kleidung oder für irgendeinen anderen Zweck, zu vermeiden. Darüber hinaus fördert er zum Vorteil von Mensch, Tier und Umwelt die Entwicklung und Nutzung tierfreier Alternativen. Auf die Ernährung bezogen bezeichnet der Veganismus die Praxis, auf alle Produkte zu verzichten, die ganz oder teilweise von Tieren stammen.“
Eine vegane Lebensweise, die ohne tierische Produkte auskommt und für die kein Tier genutzt wird und letztendlich beabsichtigt sterben muss, ist aktiver Tierschutz. Dabei achten Veganer*innen nicht nur auf eine rein pflanzliche Ernährung, sie vermeiden tierische Bestandteile und Materialien in allen Lebensbereichen, zum Beispiel bei der Kleidung und Einrichtung sowie an Tieren getestete Produkte. Darüber hinaus besuchen sie in der Regel keine Orte und Veranstaltungen, an oder bei denen Tiere zur Unterhaltung von Menschen leiden müssen, etwa im Zirkus oder bei Stierkämpfen. Damit setzt der Veganismus ein konsequentes Mensch-Tier-Verhältnis um. Er ist ethisch motiviert und lehnt das Prinzip des Speziesismus, also der Ungleichbehandlung von Lebewesen aufgrund ihrer Artzugehörigkeit, ab. Gleichzeitig strebt er nicht nach Perfektionismus. „Der Veganismus fordert keine völlige Selbstaufopferung, was durch den Einschub ‚soweit wie möglich und praktisch umsetzbar‘ in seiner Definition deutlich wird“, sagt Knößlsdorfer. „Zudem muss niemand sein Leben von heute auf morgen auf den Kopf stellen. Jeder einzelne Schritt zählt und ist wichtig.“
In erster Linie hilft die vegane Ernährungs- und Lebensweise den Tieren. Aber sie birgt auch das Potenzial, sich positiv auf die Ökosysteme, das Klima, die Landnutzung und die Biodiversität auszuwirken. Denn die Haltung von Tieren in der Landwirtschaft hat nicht nur furchtbare Konsequenzen für die Tiere selbst. „So sind zum Beispiel sechs der neun Belastungsgrenzen unserer Ökosysteme bereits überschritten. Dies betrifft den Klimawandel, dieBelastung durch neuartige Stoffe, die Veränderung der biogeochemischen Kreisläufe wie Stickstoff- und Phosphorkreisläufe, die Veränderung von Süßwassersystemen sowie die Änderung der Landnutzung und den Zustand der Biosphäre“, erklärt Knößlsdorfer. In der Folge steigt nicht nur das Risiko für unumkehrbare Umweltveränderungen, sogenannte Kipp-Punkte, sondern es wird auch die Widerstandsfähigkeit unseres Planeten gefährdet. „Alle Überschreitungen lassen sich zu großenTeilen auf unser Ernährungssystem und vor allem die Produktion tierischer Produkte zurückführen.“ Auch die negativen Auswirkungen tierischer Produkte auf das Klima sind stark überproportional zu ihrem Beitrag an der Ernährungssicherung.
so Knößlsdorfer. Damit liegen zahlreiche Gründe, die für den Veganismus sprechen, auf der Hand. Gleichzeitig kursieren Mythen und Vorurteile rund um die vegane Ernährungs- und Lebensweise: von „Vegan leben ist ungesund“ und „Als Veganer*in kann ich gar nichts mehr essen“ über „Sojaanbau für Tofu zerstört den Regenwald“ bis hin zu „Tiere sind dafür da, um von uns gegessen und genutzt zu werden“. In seiner Publikation bringt der Deutsche Tierschutzbund Licht in den Argumentationsdschungel, entkräftet die 30 häufigsten Mythen sowie Vorurteile und erklärt zudem, was es in Diskussionen für Scheinargumente gibt. „So hoffen wir, viele weitere Unterstützer*innen für die vegane Bewegung zu begeistern“, sagt Knößlsdorfer.