Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER
Wenn sie mit ihren muskulösen Körpern über eine Wiese galoppieren, ihre Mähnen im Wind wehen und ihre Hufe vom Erdboden abheben, ist das ein einzigartiger Moment von Freiheit. Pferde bewegen sich derart anmutig und elegant, dass es nicht verwunderlich ist, wie sehr sie seit jeher für ihre Schönheit gefeiert werden. Ob in Kunst, Literatur oder Kultur – Pferde verkörpern das Sinnbild von Unabhängigkeit, Kraft und Eleganz. Die edlen Tiere üben eine ganz besondere Anziehungskraft auf uns Menschen aus und haben eine tiefe historische Bedeutung. Sie waren wesentlich an der Entwicklung unserer Zivilisation beteiligt. Spielten sie in der Vergangenheit lange eine zentrale Rolle in der Landwirtschaft, im Transportwesen und im Krieg, sind sie heute aus der Freizeitgestaltung nicht wegzudenken. Doch Pferde sind nicht nur schön anzusehen. Sie überzeugen auch mit ihren inneren Werten. Sie können Emotionen lesen und bauen enge Bindungen zu uns Menschen auf, was sie zu wertvollen Begleitern und beliebten Partnern in Sport und Freizeit macht. Die Tiere erkennen, ob Menschen fröhlich oder traurig sind, und reagieren erstaunt, wenn unsere Stimme nicht zu unserer Mimik passt. Darüber hinaus sind sie in der Lage, komplexe Aufgaben zu erlernen, und besitzen ein ausgezeichnetes Gedächtnis, das ihnen hilft, sich an Menschen, Orte und Situationen zu erinnern. Außerdem erkennen sich Pferde im Spiegel. Damit verfügen sie über eine erstaunliche Fähigkeit, nämlich ein Selbstbewusstsein, das nach aktuellem Wissensstand nur einigen Spezies zugeschrieben wird.
Wer in Berührung mit diesen faszinierenden Lebewesen kommt, wird schnell in ihren Bann gezogen. In einer 2019 durchgeführten Studie gaben rund 11,2 Millionen Deutsche über 14 Jahren an, Interesse an Pferden und dem Pferdesport zu haben. 2,32 Millionen Menschen bezeichneten sich selbst als Reiter*innen. Kaum ein anderes Tier hat die Menschheit so sehr geprägt wie das Pferd – und das einzigartige Band, das vor rund 5.000 Jahren geknüpft wurde, hält bis heute an. Doch obwohl das Leben der Tiere schon seit so langer Zeit so eng mit dem unseren verknüpft ist, haben die Pferde während der langen Domestikationsgeschichte keine ihrer ureigenen Verhaltensweisen und Bedürfnisse verloren.
Wenn der Tag anbricht und die Sonne die ersten Strahlen auf die Erde wirft, nutzen die Przewalskipferde die noch kühlen Morgenstunden, um sich in der kargen Landschaft der Mongolei auf die Suche nach etwas Essbarem zu begeben. Sie sind die letzten Vertreter der ehemaligen Unterarten des Urwildpferdes. Nachdem sie vor über 50 Jahren in freier Wildbahn als ausgestorben galten, weil sie für ihr Fell und Fleisch gejagt wurden und ihren Lebensraum an Viehherden verloren, leben heute dank verschiedener Auswilderungsprojekte wieder mehrere hundert Tiere in den Weiten der mongolischen Steppe. Die nicht allzu großen Tiere mit dem sandfarbenen Fell, dem dunklen langen Streifen auf dem Rücken und der charakteristischen Stehmähne gelten jedoch immer noch als stark gefährdet. Bis auf kurze Phasen, in denen sie sich ausruhen, schlafen oder ihre sozialen Kontakte pflegen, sind sie ständig in Bewegung. Unter natürlichen Bedingungen bewegen sich Pferde, das gilt nicht nur für Przewalskipferde, circa 16 bis 18 Stunden am Tag im Schritt fort und grasen dabei fast durchgehend, auch nachts. Dabei suchen die Fluchttiere sich genau aus, was sie fressen, und mögen süß schmeckende Pflanzen besonders gern. Je nach Vegetation und Jahreszeit stehen neben Gräsern und Kräutern auch Zweige, Blätter, Rinde, Schilfgräser oder Moose auf ihrem Speiseplan. Auf fast allen Kontinenten gibt es heute noch wild lebende Pferdeherden, die anders als die Przewalskipferde von verwilderten domestizierten Pferden abstammen: Brumbys in Australien, Mustangs in den USA, Garranos in Portugal, Namib Desert Horses in Namibia, Welsh Ponys in Wales, Exmoor Ponys in England und Misaki-Pferde in Japan zum Beispiel. Sie alle sind wahre Überlebenskünstler und überaus anpassungsfähig. Ob in Graslandschaften, Wüsten oder Bergen – Pferde kommen mit wahnsinnig vielfältigen Temperaturunterschieden zurecht und können unter den verschiedensten klimatischen Bedingungen überleben.
Pferde sind so gut wie nie alleine unterwegs. „Sie fühlen sich nur in der Gruppe sicher, da sie sich so die Aufgaben zum Schutz teilen können. Ein Pferd, das alleine ist, ist eher gestresst, da es ständig wachsam sein muss, um keinen Feind zu verpassen“, erklärt Andrea Mihali, Leiterin der Abteilung Interdisziplinäre Themen beim Deutschen Tierschutzbund. Die Tiere, die unter natürlichen Bedingungen bis zu 25 Jahre alt werden können, sind überaus sozial. Die Fohlen toben spielend um die älteren Pferde herum, während diese entweder genüsslich grasen oder sich gegenseitig die Mähne und den Rücken kraulen. Wenn sie sich ausruhen, stehen oder liegen sie meist zu zweit oder in kleineren Gruppen zusammen – Pferde lieben die Nähe ihrer Artgenossen. Die Familienverbände bestehen meistens aus einem Hengst und ein bis sechs Stuten mit ihrem Nachwuchs. Die Fohlen kommen im Frühling und Frühsommer zur Welt und verbringen die ersten Lebenswochen in der Nähe ihrer Mütter. Danach treibt sie schnell die Neugierde an, die Welt zu entdecken. Mit ein bis vier Jahren ziehen die jungen Hengste los, um zunächst Junggesellengruppen zu bilden, in denen auch ältere Hengste leben, und später neue Familienverbände zu gründen. „Einzeln lebende Pferde kommen in der Natur eigentlich nicht vor“, so Mihali. Die Hierarchie der Gruppen ist vor allem durch Zweierbeziehungen bestimmt. Dabei kann jedes Pferd die Gruppe dazu bringen, die Richtung zu wechseln, weiterzugehen oder zu ruhen. Das Konzept, dass es eine Leitstute gibt, die alles alleine bestimmt, gilt inzwischen als überholt. Die Hierarchie schafft klare Verhältnisse und hält aggressives Verhalten im Zaum. Jedes Pferd weiß, wo sein Platz ist, wann es weichen muss und wann es Vortritt hat. Das führt zu Sicherheit, ist kräfteschonend und für das Überleben wichtig. Denn eine Verletzung kann in freier Wildbahn schnell den Tod bedeuten.
Auch in Deutschland gibt es frei lebende Pferde. So leben im nordrhein-westfälischen Naturschutzgebiet Merfelder Bruch rund 400 Dülmener Wildpferde in einem weitläufigen Moor- und Heidegebiet ein naturnahes Leben. Die braun- und graugelben Pferde gelten als zäh und robust. Kein Wunder, müssen sie sich vorwiegend alleine durchschlagen. Lediglich in den Wintermonaten erhalten sie Heu. Jedes Jahr im Mai werden zudem die einjährigen Hengste eingefangen, verlost und versteigert. „Für die Tiere bedeutet das natürlich großen Stress. Abgesehen von dem Fangprozedere müssen sie sich ganz plötzlich den veränderten Haltungsbedingungen von ‚frei‘ zu ‚gefangen‘ anpassen“, sagt Mihali. Darüber hinaus gibt es verschiedene Auswilderungsprojekte, wie zum Beispiel im Rekultivierungsgebiet am Braunkohletagebau Hambach, wo im Frühjahr 2024 sieben Konik-Pferde „freigelassen“ worden sind. Der Deutsche Tierschutzbund sieht solche Projekte kritisch. „Natürlich ist eine naturnahe Haltung in gut verträglichen Gruppen gut für die Tiere und kann zudem Vorteile für die Artenvielfalt haben. Nichtsdestotrotz handelt es sich hierbei um künstlich zusammengestellte Gruppen auf ihnen künstlich zugewiesenen Flächen. Das heißt, die Pferde kennen sich in dem Gebiet nicht aus und sind zudem domestiziert. Mit seit Generationen wild lebenden Gruppen ist das nicht zu vergleichen“, so Mihali. „Das bedeutet, sie brauchen Menschen, die täglich kontrollieren, ob es jedem einzelnen Tier gut geht, und die es mit Futter, Wasser und, wenn nötig, tiermedizinisch versorgen.“ Auch das Management der Population müssen die Verantwortlichen im Blick behalten.
Das Leben der meisten Pferde in Deutschland hat mit einem naturnahen Leben nur in den wenigsten Fällen etwas zu tun. Laut Hochrechnungen gibt es hierzulande rund 1,25 Millionen Pferde in Privatbesitz. Die meisten von ihnen dienen dem Profi- und Freizeitsport – und das in den vielfältigsten Disziplinen, von denen viele olympisch sind. Neben Dressur, Springen und Vielseitigkeit gehören das Voltigieren, Polo und Kutschfahren genauso wie der Galopp- und Trabrennsport und das Westernreiten zu den beliebten Beschäftigungen der Deutschen. In der Dressur geht es darum, eigentlich natürliche Bewegungen der Pferde durch das Reiten zu fördern, zu verfeinern und anschließend in verschiedenen Lektionen auf den Punkt abrufen zu können. Es gibt eine Ausbildungsskala, die der klassischen Reitlehre zugrunde liegt, die auf das Wohl der Pferde ausgerichtet ist und das Fundament für eine harmonische Reiter*in-Pferd-Beziehung bilden soll, egal auf welchem sportlichen Level oder in welcher Disziplin. Diese gilt auch für das Springen, bei dem es das Ziel ist, einen Parcours aus Hindernissen möglichst fehlerfrei und entweder möglichst schnell oder stilistisch sauber in einer bestimmten Reihenfolge zu überwinden.
– Andrea Mihali
Allein diese beiden Disziplinen zeigen, wie vielfältig und leistungsstark Pferde sind. Viele von ihnen sind wirklich lernbegeistert und arbeiten gerne mit dem Menschen zusammen. Auch ihren Bewegungsdrang machen sich die Reiter*innen zu Nutze, wogegen im ersten Moment nichts spricht. Doch leider stehen oft der Ehrgeiz und der Wunsch nach schnellem Erfolg und Geld über dem Ideal einer sanften und pferdegerechten Ausbildung. So rücken die Bedürfnisse der Tiere in den Hintergrund. In der Dressur werden heute vor allem übertriebene Bewegungsabläufe gut bewertet. Je spektakulärer sich ein Pferd bewegt, desto höher sind auf einem Turnier seine Erfolgschancen. „Im Zentrum steht nicht mehr unbedingt die korrekte klassische Ausbildung mit dem Durchlaufen aller Stufen und dem Ziel der hohen Kunst der Versammlung, sondern es geht darum, den Pferden so schnell wie möglich eine übertriebene Leistung abzuverlangen“, kritisiert Mihali. Eigentlich soll eine korrekte Ausbildung auch der Gesunderhaltung der Tiere dienen. Doch heute sind überlastete Bänder, Sehnenrisse und andere Überlastungserscheinungen leider eher normal als eine Ausnahme.
Auch beim Springen oder in der Vielseitigkeit werden von den Tieren immer wieder enorme Leistungen abverlangt. Damit sie massiv hohe und weite Sprünge in hohem Tempo meistern und dabei gleichzeitig gut kontrollierbar sind, kommen unter anderem verschiedenste Gebisse und Trensen zum Einsatz, die zum Teil eine enorme Krafteinwirkung auf das Maul und das Genick haben. Auch Schläge, wenn ein Pferd einen Sprung verweigert oder eine Stange vom Hindernis heruntertritt, sind leider keine Seltenheit, ganz zu schweigen von tierquälerischen Trainingsmethoden, damit die Tiere noch höher springen. Keine Frage, es wäre falsch, alle Reiter*innen über einen Kamm zu scheren. Aber leider hat jede Disziplin eine Schattenseite, und so harmonisch wie auf dem Turnier läuft es zu Hause nicht immer ab. Und selbst auf den Plätzen, auf denen die Tiere für die Prüfungen vorbereitet werden, spielen sich immer wieder Szenen ab, die das Wohl der Tiere vermissen lassen. Und all das, obwohl es aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes durchaus möglich ist, Pferde schonend und an ihren Bedürfnissen ausgerichtet auszubilden. Aber das dauert natürlich länger. Doch nicht nur im Turniersport gibt es Probleme. „Nur weil der Druck der Turniere wegfällt, heißt das nicht, dass das Reiten beziehungsweise der gesamte Umgang mit den Pferden im Freizeitbereich automatisch immer tierschutzkonform ist“, so Mihali. „Während im Sportbereich die Gefahr besteht, dass die Pferde als Sportgeräte betrachtet werden, besteht im Freizeitbereich die Gefahr, dass die Kenntnis zu Ausbildung und Nutzung der Tiere eher mangelhaft ist und die Pferde so zu wenig korrekt gymnastiziert beziehungsweise fehlerhaft ausgebildet werden.“
Darüber hinaus gibt es noch ein ganz anderes Problem. Denn an die Weiten eines natürlichen Lebensraums sind vor allem Boxen in Ställen mit rationierter Fütterung getreten, die den bewegungsfreudigen Pferden kaum Freiheit lassen. Darin können sie nur wenige Schritte laufen und sich um sich selbst drehen. Zudem sind sie von ihren Artgenossen getrennt, zu denen oft nur der Kontakt durch Gitterstäbe bleibt. Ein Großteil der Pferde wird nur wenige Stunden am Tag herausgeholt und steht die anderen 20 und mehr Stunden nahezu bewegungslos im Stall. Wenn sie Glück haben, kommen die Tiere im Sommer zu zweit oder gemeinsam mit mehreren Pferden einige Stunden auf die Wiese und im Winter auf einen Auslauf. „Aber selbst das ist einfach zu wenig, wenn man bedenkt, wie die Tiere sich verhalten würden, wenn sie könnten“, sagt Mihali. Gleichzeitig gibt es natürlich auch Pferde, die in Gruppen leben, was grundsätzlich erstmal tiergerechter ist. „Das Problem hierbei ist jedoch, dass die Gruppen künstlich zusammengestellt werden und die Gruppenmitglieder nicht selten wechseln. Die Pferde brauchen viel Platz, um gleichzeitig liegen, fressen, trinken und dabei ihre Individualdistanzen einhalten zu können, damit keine Konflikte entstehen“, so die Expertin. „Gleichzeitig bietet der Auslauf im Offenstall nicht unbedingt genügend Raum, um die vorgeschriebene freie Bewegung ausüben zu können. Es wird oft vergessen, dass es dafür zusätzliche größere Flächen braucht.“ Eine tiergerechte Haltung und Fütterung von Pferden ist sehr anspruchsvoll. Aus Tierschutzsicht gelingt das leider nicht überall, der Verbesserungsbedarf ist daher sehr hoch.
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In der Folge leiden weltweit circa 15 Prozent der Pferde in menschlicher Obhut unter Verhaltensstörungen, die es in freier Wildbahn so nicht gibt. Dazu gehört zum Beispiel das Weben, das am häufigsten vorkommt, und fast ausschließlich bei Pferden in Boxenhaltung zu beobachten ist. Hierbei pendeln die Tiere ihren Kopf und Hals rhythmisch hin und her. Die Vorderbeine spreizen sie dabei leicht und heben sie zum Teil synchron zu der Kopf-Hals-Bewegung hoch. „Die Ursache hierfür ist zu wenig oder völlig fehlender Sozialkontakt sowie zu wenig oder gänzlich fehlende freie Bewegungsmöglichkeit“, erklärt Mihali. Beim Koppen setzen die Pferde ihre Schneidezähne zum Beispiel auf ihrem Futtertrog auf, ziehen Luft in die Speiseröhre ein und machen ein rülpsendes Geräusch. „Auch hier ist der Grund eine nicht bedürfniserfüllende Haltung, Fütterung oder eine nicht tiergerechte Ausbildung“, sagt Mihali. Die nicht pferdegerechte Umwelt, in der viele Tiere reizarm leben, führt zu chronischem Stress. Das äußert sich zum Beispiel auch im Zungenspiel, bei dem die Pferde ihre Zunge innerhalb der Maulhöhle verdrehen, einrollen, seitlich heraushängen lassen oder mit ihr gegen die Lippe schlagen. Auch die Apathie gehört dazu, wenn sie nicht auf eine Erkrankung zurückzuführen ist. Bei dieser Verhaltensstörung zeigen sich die Pferde völlig teilnahmslos. Sie halten ihr Genick typischerweise auf derselben Höhe wie ihren Widerrist, strecken ihren Hals lang, reagieren kaum auf Berührungen oder die Anwesenheit von Menschen und starren mit einem in sich gekehrten Blick vor sich hin. „All diese und weitere sogenannte reaktive Verhaltensstörungen sind therapieresistent, also nicht heilbar“, so Mihali. Das bedeutet, wenn die Pferde diese Verhaltensweisen einmal entwickelt haben, bleiben sie in der Regel für immer bestehen, auch wenn sich die Umstände bessern.
Oft fällt der Startschuss für solche Störungen schon in den ersten Lebensjahren. Die Fohlen werden nicht selten von einer auf die andere Minute von ihren Müttern getrennt, erhalten keine Milch mehr und werden mit ihnen nicht bekannten Pferden zusammengewürfelt. Hinzu kommen das Einstallen in Boxen, die Umstellung auf energiereiche Fütterung und das später oft plötzlich einsetzende Training und zu harte Ausbildungsmethoden. „In solchen Fällen ist ein gestörtes Verhalten eines erwachsenen Tieres nicht unbedingt ein Zeichen dafür, dass ein Pferd aktuell leidet, sondern basiert eher auf einem Trauma in der Vergangenheit“, sagt Mihali. Verhaltensstörungen sind nicht ansteckend, so wie es beim Koppen früher häufiger behauptet wurde, es können aber natürlich mehrere Pferde eines Stalls betroffen sein. Zu Beginn können sie als sogenanntes Coping betrachtet werden. Das bedeutet, dass die Tiere ihr Verhalten an die sie stressende Umgebung anpassen, um die belastende Situation zu überwinden. „Daher darf stereotypes Verhalten nicht durch irgendwelche Zwangsmaßnahmen oder Bestrafungen unter- oder abgebrochen werden, da es womöglich ein Weg des Pferdes darstellt, um mit der Situation fertig zu werden. Solche Methoden sind tierschutzrelevant.“
Alle reaktiven Verhaltensstörungen entstehen, wenn die Grundbedürfnisse der Tiere nicht erfüllt werden und sie leiden. Dabei hat jedes Pferd eine individuelle Schwelle, wie viel es erträgt, bevor sich sein Leid in Verhaltensstörungen äußert. „Zudem ist bekannt, dass im Blut höherstehende Rassen wie zum Beispiel Vollblüter eher dazu neigen“, so Mihali. Es ist die Verantwortung aller Menschen, die mit Pferden Umgang haben, dass es gar nicht erst so weit kommt. Prophylaxe ist das wichtigste Gegenmittel. Und hier hilft es nur, die Haltung, die Fütterung und den Umgang pferdegerecht zu gestalten. Im Grundsatz bedeutet das, den Tieren so viel freie Bewegung und direkte soziale Kontakte zu ermöglichen, wie es nur geht, ihnen den ganzen Tag über verteilt Raufutter in guter Qualität zur Verfügung zu stellen und sie in gut organisierten und strukturierten Gruppen zu halten. Ein pferdegerechter Umgang und eine gewaltfreie Reitweise sollten zudem selbstverständlich sein. Die Bedürfnisse der Pferde müssen stets im Mittelpunkt stehen und die Arbeit über Belohnung statt Bestrafung und vor allem im respektvollen Miteinander geschehen. Pferde bereichern unser Leben auf eine so wunderbare Art und Weise. Sie sind unsere Partner, Begleiter und besten Freunde. Es sollte doch auch in unserem Sinne sein, dass es ihnen in unserer Obhut gut geht.