Titelthema
Tierversuche

Gequält und weggeworfen

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Tierversuche

Gequält und weggeworfen

Deutschland soll eines der strengsten Tierschutzgesetze der Welt haben. Der Umgang mit den Tieren, die in Versuchen leiden müssen, zeigt das Gegenteil – sie empfinden Angst und Schmerzen und werden zu Tode gequält. Lesen Sie, wie es wirklich um die Tierversuchspraxis in Deutschland steht.

  • Autor: Nadia Wattad, Redaktion DU UND DAS TIER

Die nackte Angst ist in den Augen des Äffchens zu sehen. Das Tier ist in einem sogenannten Primatenstuhl bis zum Hals fixiert, in dem es sich kaum bewegen kann. Nur der Kopf schaut heraus. In diesem steckt ein Implantat, das ihm die Forscher in einer Operation in den Schädel eingesetzt haben. An diesem fixieren sie seinen Kopf und zwingen den Affen so, zu einem Bildschirm zu sehen. Die Kooperation der Affen erzwingen die Mitarbeiter durch Wasserentzug.

Nur wenn die Tiere die Aufgaben am Bildschirm richtig erfüllen, erhalten sie tropfenweise Saft. Diese tierquälerischen Versuche sollen helfen, medizinische Erkenntnisse für die Hirnforschung zu gewinnen.

Die beschriebene Szene, die auch in vielen anderen Tierversuchsanstalten Alltag und gesetzlich zulässig ist, ereignete sich letztes Jahr im Tierversuchslabor des Max-Planck-Instituts (MPI) für Kybernetik in Tübingen. Ein Tierschützer hatte sich dort als Pfleger eingeschleust und sechs Monate lang heimlich gefilmt. Die entstandenen Aufnahmen, die der Sender RTL im Format SternTV ausgestrahlt hat, gehen unter die Haut. Sie zeigen Affenversuche in der sogenannten Grundlagenforschung, wie sie in Deutschland zulässig sind – und wie grausam diese sein können.

Es sind Sequenzen zu sehen, die eindeutig zeigen, dass die Tiere unter den Nachwirkungen der Operationen leiden und dass es an medizinischer Betreuung fehlt. Die Filmaufnahmen belegen auch, mit welchen unzulässigen Methoden die Forscher die Affen auf die Versuche im Primatenstuhl „vorbereiten“. Sie zerren diese gewaltsam an einem Ring, den sie 24 Stunden um den Hals tragen müssen, aus den Käfigen. Die Affen, die sich nicht dazu bringen lassen, ihren Kopf im Primatenstuhl fixieren zu lassen, werden sediert, um sie daran zu „gewöhnen“.

Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt der ermittelten Missstände, die im TV zu sehen waren. Im Anschluss an die Sendung hat der Deutsche Tierschutzbund gemeinsam mit dem Landestierschutzverband Baden-Württemberg ein eindringliches Schreiben an die verantwortlichen Minister Alexander Bonde und Theresia Bauer verfasst. Es müssen umgehend alle notwendigen Schritte in die Wege geleitet werden, um die quälerischen Affenversuche in Tübingen zu beenden und sich auf Bundesebene für eine dringend notwendige Überarbeitung des Tierschutzgesetzes einzusetzen. Zusätzlich hat der Deutsche Tierschutzbund Strafanzeige gegen Mitarbeiter des MPI gestellt.

Das Regierungspräsidium Tübingen hat im Januar in einem Zwischenbescheid verkündet, dass es bislang keine Verfehlungen feststellen konnte und die Genehmigung für die Versuche daher nicht zurückgezogen werde. Die Staatsanwaltschaft hat jedoch das MPI noch Ende Januar aufgrund mehrerer Strafanzeigen durchsucht. Das sichergestellte Material wird noch untersucht.

KEIN ENDE DER HIRNVERSUCHE IN SICHT

Der Versuchsaufbau im MPI ist vergleichbar mit dem des Wissenschaftlers Prof. Andreas Kreiter. Dieser führt Tierversuche an der Universität Bremen durch – und das bereits seit 1998. 2008 wollte sich Kreiter die Erlaubnis, solche Versuche weiterhin durchführen zu dürfen, erneut von der zuständigen Genehmigungsbehörde einholen.

Auszug aus der Beschwerde gegen die fehlerhafte Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie in deutsches Recht

Auszug aus der Beschwerde gegen die fehlerhafte Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie in deutsches Recht

Diese stufte aber die Hirnversuche an Affen als ethisch nicht vertretbar ein – der Beginn eines jahrelangen Rechtsstreits. Die Uni legte Widerspruch gegen die Entscheidung der Genehmigungsbehörde ein und das Bremer Oberverwaltungsgericht (OVG) fällte daraufhin die Entscheidung, dass die Behörde die Tierversuchsgenehmigung nicht entziehen dürfe. Eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen. Der Bremer Senator für Gesundheit legte im April 2013 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein. Das Bundesverwaltungsgericht wies diese in ihrem Beschluss von 2014 wiederum zurück – somit ist das Bremer OVG-Urteil rechtskräftig.

Weitere Rechtsmittel sind nicht mehr möglich. Die traurige Konsequenz ist, dass Kreiter die Hirnversuche an Affen in Bremen weiterhin durchführen kann. Im November 2014 wurde eine Genehmigung für weitere drei Jahre erteilt.

Es ist davon auszugehen, dass die Tiere in diesen Versuchen besonders stark leiden. Die Forscher selbst behaupten jedoch, die Schmerzen, Leiden und Schäden für die Tiere seien gering bis mäßig. Gängige sogenannte Belastungskataloge wie die der Schweiz und der EU-Kommission bewerten diese Tierversuche entschieden strenger:

  • Das mehrmalige invasive Ableiten von Hirnströmen entspricht einer mittelgradigen Belastung.
  • Die Fixierung im Primatenstuhl ist stark belastend.
  • Ein Wasserentzug ist stark belastend.
  • Chirurgische Eingriffe sind in der Regel mittelgradig belastend. Sie werden dann als stark belastend eingestuft, wenn es (wie im Fall MPI Tübingen) zu Komplikationen kommt.

Weiterführende Informationen

  • Auf unserer Inernetseite finden Sie umfangreiche Informationen über Tierversuche und Alternativmethoden. Eine Liste zu tierversuchsfrei hergestellter Kosmetik ist dort ebenfalls zu finden.
    www.tierschutzbund.de/tierversuche
  • Informieren Sie sich über die Stiftung zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zur Einschränkung von Tierversuchen.
    www.stiftung-set.de

Bildrechte: Titelbild: picture-alliance / ZB / Peter Förster