Aus dem Print-Magazin

Übersehen, aber nicht vergessen

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Übersehen, aber nicht vergessen

Ältere Hunde, scheue Katzen oder auch Tiere mit Handicap – manche Tierheimtiere werden ständig von Besucher*innen übersehen. Die Tierpfleger*innen geben ihr Bestes, um ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten.

  • Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER

Blonde Tierpflegerin hat in der Hocke drei Kitten auf dem Arm. Sie befinden sich in einem gekachelten Raum des Tierheims.

Die Tierpfleger*innen des Tierheims Gifhorn setzen alles daran, jedem Tier in ihrer Obhut zu helfen.

Das Leben im Tierheim kann für viele Tiere stressig sein – da ist es nicht verwunderlich, wenn sich der eine oder andere tierische Schützling am liebsten in eine ruhige Ecke zurückzieht oder auch schon mal etwas kratzbürstig reagiert. Niedliche Hundewelpen oder zutrauliche Katzen haben im Vergleich dazu oft deutlich bessere Karten, schnell vermittelt zu werden. Ob ältere Hunde, scheue Katzen, Tiere mit Handicap oder einer schwierigen Vergangenheit – viele dieser Tierheimtiere werden von Besucher*innen immer wieder übersehen und müssen oft besonders lange auf ein neues Zuhause warten – manchmal sogar bis an ihr Lebensende. Bundesweit beherbergen die meisten Tierheime solche „Langzeitbewohner“ – und die Mitarbeiter*innen geben sich umso mehr Mühe, ihnen den Alltag im Tierheim so angenehm wie möglich zu gestalten. So zum Beispiel auch das Tierheim Gifhorn aus Niedersachsen, das dem Deutschen Tierschutzbund angeschlossen ist. „Wir versorgen unter anderem neun Tauben, die dauerhaft bei uns untergebracht sind“, berichtet Sabine Hölter, Leiterin des Tierheims Gifhorn. „Sie wurden vor Jahren in Umzugskartons vor unsere Türe gestellt. Da sich herausstellte, dass eine von ihnen an Geflügeltuberkulose erkrankt war, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch die anderen Tauben diese Krankheit in sich tragen – somit können wir sie nicht vermitteln.“ Auch wenn sie keine Symptome zeigen, sei die Ansteckungsgefahr für andere Vögel zu groß, sodass die Tauben nun langfristig im Tierheim leben. Um ihnen möglichst viel Platz zu bieten, haben die Tierheimmitarbeiter*innen eigens ein Katzenfreigehege zur Voliere umfunktioniert.

„Leider macht generell jedes Handicap eine Vermittlung schwieriger.“

– Sabine Hölter

Dunkelhaarige Frau kniet neben einem dunklen Hund und bürstet ihn.

Die Tierschützer*innen versuchen, auch oft übersehenen Katzen, Hunden, Kaninchen und Co. eine Chance auf ein schönes neues Zuhause zu geben.

Individuelle Lösungen für besondere Bedürfnisse

Auch bei den beiden Katzen Sara und Leo rechnet Hölter damit, dass sie längere Zeit im Tierheim verbringen werden. „Die sieben und acht Jahre alten Katzen wurden im Februar dieses Jahres von älteren Menschen schweren Herzens bei uns abgegeben, weil sie sich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr um die Tiere kümmern konnten“, schildert Hölter. „Sara und Leo hatten mit ihnen liebevolle Vorbesitzer*innen, aber sie sind trotzdem überaus scheu gegenüber anderen Menschen und Katzen.“ Die Tierpfleger*innen haben den beiden Tieren einen eigenen Katzenraum zur Verfügung gestellt, damit sie sich im Tierheim weniger gestresst fühlen. „Bei insgesamt nur dreieinhalb Katzenräumen fehlt uns dadurch allerdings der Platz für weitere Katzen“, sagt Hölter. Bei Leo bestehe zudem der Verdacht auf eine Autoimmunerkrankung, die seine Zahnwurzeln schädigt. „Leider macht generell jedes Handicap eine Vermittlung schwieriger.“ Ein Handicap hat auch Rottweiler Ralfi, der bereits seit 2020 im Tierheim Gifhorn lebt. „Seine Brustwirbelsäule ist verkrümmt, wodurch die Nerven zu seinen Hinterbeinen abgedrückt werden und er ein Bein hinter sich herzieht“, erläutert die Tierheimleiterin. „Vom Kopf her ist er sehr fit, nur sein Körper kommt nicht immer ganz mit – er tobt und spielt, muss sich aber zwischendurch ausruhen.“ Und wenn er merke, dass er mit den anderen Hunden nicht immer mithalten könne, bekäme er schlechte Laune, so Hölter. „Trotzdem ist er in erfahrenen Händen sicherlich ein guter Begleiter, aber leider gab es in den rund fünf Jahren, die er bereits bei uns lebt, keine ernsthaften Interessent*innen für ihn.“

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DU UND DAS TIER, Ausgabe 2/2025

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Jedes Tier verdient eine zweite Chance

Das Tierheimteam setzt dennoch alles daran, jedem Tier in seiner Obhut zu helfen und eine Chance auf ein schönes neues Zuhause zu geben. Um auch für als nicht ganz einfach geltende Hunde passende neue Besitzer*innen zu finden, legen Hölter und ihre Mitstreiter*innen zum Beispiel großen Wert auf ein gutes Hundetraining. „Wir arbeiten mit einer örtlichen Hundeschule zusammen und gehen regelmäßig mit unseren Hunden auf ein gepachtetes Gelände, wo sie trainiert werden und zugleich vom Tierheimalltag abschalten können“, sagt Hölter. „Darüber hinaus bieten wir seit kurzem gemeinsam mit der Hundeschule Gruppenspaziergänge an, bei denen Externe unsere Hunde in lockerer Atmosphäre kennenlernen können.“ Für Tiere mit schlechten Vermittlungschancen, wie etwa chronisch kranke oder ältere Hunde und Katzen, versuchen Hölter und ihr Team außerdem, geeignete Pflegestellen zu finden. „Im Tierheimalltag bleibt uns leider nie die Zeit, die wir uns gern für jedes einzelne Tier nehmen möchten – auch wenn wir uns noch so viel Mühe geben.“ Bei Pflegestellen können die tierischen Schützlinge hingegen in einem ruhigeren Umfeld leben. Außerdem haben die Tierschützer*innen dort eher die Möglichkeit, sich intensiver mit den Tieren in ihrer Obhut zu beschäftigen. Zum Glück gebe es zudem auch immer wieder Fälle, in denen Tierheimtiere nach langer Zeit und dank des Engagements der Tierpfleger*innen doch noch das perfekte neue Zuhause finden. „Das ist dann ein richtiger Jackpot, über den wir uns riesig freuen“, so Hölter. Auch nach der Vermittlung stehen die Tierpfleger*innen den neuen Halter*innen bei Rückfragen oder Beratungsbedarf zur Seite – ein Angebot, das ebenfalls die Vermittlungschancen erhöht. „Falls es also doch Probleme gibt, sind wir jederzeit erreichbar“, bekräftigt Hölter. Für sie und ihr Team steht fest: Jedes Tier ist liebenswert und hat eine zweite Chance verdient – ganz gleich, wie alt, ängstlich oder beeinträchtigt es ist. Wer bereit ist, sich mit Geduld und Liebe auch den anfangs übersehenen Tierheimtieren zu widmen, bekommt nicht nur einen liebenswerten tierischen Gefährten, sondern leistet auch einen wertvollen Beitrag für den Tierschutz.

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