Aus dem Print-Magazin

Produktionsmaschine Legehenne

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Produktionsmaschine Legehenne

Nicht nur zu Ostern stehen Eier ganz oben auf dem Speiseplan der Deutschen. Ob gekocht, als Rühr-, Spiegelei oder verarbeitet in Kuchen, Nudeln oder anderen Produkten. Eier gehören einfach dazu. Bei dem Genuss vergessen werden leider die Tiere, die die Eier für uns liefern – und für die Produktion nicht nur häufig leiden, sondern am Ende auch immer sterben müssen.

 

  • Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER

Der Hahn steht auf dem Misthaufen und kräht vergnügt, während die Hühner in einer kleinen Gruppe gackernd über den Bauernhof laufen, in der Erde scharren oder gemeinschaftlich im Gras picken und ab und an ein Ei legen. Jede*r von uns kennt diese idyllische Vorstellung, die in Kinderbüchern bis heute gelehrt wird. Doch die Zeiten sind schon lange vorbei. Die Eierproduktion ist längst ein hoch industrialisiertes Geschäft. Allein Deutschland hat 2023 14,6 Milliarden Eier produziert. Hinter dieser wahnsinnig hohen Menge stehen etwa 50 Millionen Legehennen, wovon 4,6 Prozent in Kleingruppenkäfigen, 59,7 Prozent in Bodenhaltung, 22,4 Prozent in Freilandhaltung und 13,4 Prozent in ökologischer Haltung leben. Nur die wenigsten von ihnen dürfen ein tiergerechtes Leben führen und nur die Hühner in der Freiland- und ökologischen Haltung sehen regelmäßig Tageslicht und fühlen Sonnenstrahlen auf ihren Federn. Vor einem jähen, viel zu frühen Ende im Schlachthof sind jedoch auch diese Tiere nicht gefeit.

Im Ausland sind Käfighaltungen und kupierte Schnäbel nach wie vor gang und gäbe. Die Eier von diesen Hühnern landen noch immer in deutschen Supermärkten und verstecken sich in verarbeiteten Produkten wie Nudeln oder Kuchen, wenn dies nicht anders auf der Verpackung angegeben ist.

Legehennen leiden in Käfigen

Käfigbatterien sind in Deutschland seit 2010 zum Glück verboten, es gibt aber immer noch Millionen Legehennen, die jetzt in diesem Moment in sogenannten Kleingruppen leben. Hierbei sind diese Tiere mit jeweils etwa 65 weiteren in übereinander gestapelten Käfigen eingepfercht und jedes Huhn hat nur etwas mehr als ein DIN A4-Blatt Platz. Die Enge in den Käfigen ist unerträglich und statt Sand, Erde oder Gras fühlen die Hühner Gitterböden unter ihren Füßen. „Es gibt zwar Tränken, ein Futterband, eine Sitzstange, einen Bereich zur Eiablage und einen zum Scharren und Staubbaden. Es steht aber insgesamt zu wenig Platz zur Verfügung, um diese Angebote richtig nutzen zu können. Sie können nicht herumlaufen und Futter suchen, nur wenige Tiere können gleichzeitig fressen und auch der Platz zum Staubbaden ist viel zu klein“, sagt Annika Lange, Referentin für Tiere in der Landwirtschaft beim Deutschen Tierschutzbund. Diese Haltungsform schränkt sämtliche natürliche Verhaltensweisen der Tiere massiv ein, und Tageslicht sehen die Tiere in ihrem Leben kein einziges Mal. „Niemand sollte Eier aus dieser Kategorie kaufen. Tatsächlich ist diese Haltung noch bis Ende 2025, in manchen Fällen sogar noch bis 2028 erlaubt.“ Im Ausland sind zudem auch Käfighaltungen nach wie vor gang und gäbe, die noch schlimmer sind. Und die Eier von diesen Hühnern landen bis heute in deutschen Supermärkten.

„Solche Käfigeier verstecken sich zum Beispiel in verarbeiteten Produkten wie Nudeln oder Kuchen, wenn dies nicht anders auf der Verpackung angegeben ist“,

so Lange. „Jetzt an Ostern sind auch die vorgefärbten bunten Eier im Handel oft nicht gekennzeichnet. Menschen, denen irgendetwas an Tieren liegt, sollten hiervon unbedingt die Finger lassen.“

Enorme Enge auch in der Bodenhaltung

Die meisten Eier, die in den Einkaufswagen der Deutschen landen, stammen aus Bodenhaltung. Bei dieser Haltungsform leben mehrere Tausend Hühner in einer riesigen Halle – auf einen Quadratmeter kommen neun Tiere. Der betonierte Boden ist mit Spänen oder Stroh eingestreut und es gibt Tränken, Futtereinrichtungen, ein paar Nester und Sitzstangen. Zum Teil sind die Ställe mit Volieren ausgestattet, die es den Hühnern ermöglichen, sich auf mehreren Etagen aufzuhalten. „Auch wenn das besser ist, als wenn es nur eine Ebene gibt, werden auf der eingestreuten Scharrfläche auf dem Boden so noch mehr Tiere pro Quadratmeter gehalten“, so Lange. Theoretisch können sich die Hennen in der Bodenhaltung freier bewegen als in den Kleingruppenkäfigen, aber nicht zurückziehen. In der Praxis engt die schiere Masse an Individuen die Tiere auch hier enorm ein. „Es kommt zu vielen Konflikten und Dauerstress. Verhaltensstörungen und Kannibalismus sind die Folge.“ Und auch in dieser Haltungsform sehen die Hühner kein Tageslicht oder atmen frische Luft. Vielmehr herrscht im Stall durch Staub und Ammoniak oft ein schlechtes Klima.

Freiland- und Biohaltung besser, aber nicht ausreichend

In der Freilandhaltung leben die Legehennen in einem Stall, der der Bodenhaltung gleicht. Tagsüber können sie aber in einen Auslauf wechseln, in dem jedes Tier mindestens vier Quadratmeter Platz hat. Hier können sich die Tiere theoretisch frei bewegen und in der Sonne oder im Staub baden. „Der Auslauf bietet den Hühnern abwechslungsreiche Klima- und Umweltreize, und auf dem natürlichen Boden können sie sich beschäftigen, indem sie nach Fressbarem scharren und picken“, so Lange. „Die Hühner nutzen den Auslauf aber nur, wenn dieser durch strukturelle Elemente genug Deckung vor Räubern und Greifvögeln bietet. Handelt es sich bei dem Auslauf lediglich um eine unausgestaltete Fläche, bleiben die Hühner im oder nah beim Stall.“ Auch in der Bio-Haltung können Legehennen einen großen Auslauf nutzen. Zudem haben sie im Stall etwas mehr Platz: Auf einem Quadratmeter leben hier nicht neun, sondern sechs Tiere. Und ihr Futter stammt aus ökologischem Anbau, das zu 30 Prozent aus der Region stammen muss. „Die Freiland- und die Bio-Haltung sind deutlich besser als die Boden- oder Kleingruppenkäfighaltung“, sagt Lange. „Aber auch in diesen beiden Haltungsformen gibt es eklatante Probleme, unter denen die Tiere enorm leiden.“

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Die meisten Legehennen sterben nach nur eineinhalb Jahren

Denn egal, wie viel Platz sie auch haben, all diese Hühner dienen einzig und allein dem ihnen auferlegten Zweck der Eierproduktion. Und durch die Hochleistungszucht legen sie mehr Eier, als ihre Körper leisten können. Im Gegensatz zu ihren wilden Verwandten legen die landwirtschaftlich gehaltenen Hennen, weil ihnen das so angezüchtet wurde, annähernd täglich ein Ei und kommen so auf bis zu 320 Eier pro Jahr. Im Vergleich: Ihre Vorfahren, die Bankivahühner, die es in Asien bis heute in freier Wildbahn gibt, legen maximal 40 Eier jährlich. Doch der Zyklus der Hochleistungstiere dient schon lange nicht mehr vorrangig der Fortpflanzung, sondern der Produktion tierischer Lebensmittel. „Um immer mehr Eier pro Tier zu erhalten, wurde die Zucht auf Legeleistung spezialisiert. Und diese Einseitigkeit hat dramatische Konsequenzen“, sagt Lange. „Eine Folge der hohen Leistung ist zum Beispiel, dass die Legehennen häufig Gesundheitsprobleme wie Eileiterentzündungen und durch den Kalziummangel brüchige Knochen bekommen.“ Die Knochenbrüche, vor allem des Brustbeins, treten in allen Haltungsformen auf, zum Teil sind über 90 Prozent der Tiere betroffen. „Obwohl viele Hühner sich auf den ersten Blick normal zu bewegen scheinen, zeigen Studien, dass sie Schmerzen haben und sich ihr Verhalten ändert“, so Lange. Neben dem Kalziummangel durch die hohe Menge an Eiern, die sie legen, wirken sich auch die Genetik, die Haltung und die Fütterung auf die Brustbeine der Tiere negativ aus. „Darüber hinaus haben auch Verhaltensstörungen wie Federpicken und Kannibalismus eine genetische Komponente.“ Doch der Mensch setzt nicht nur die Zucht ein, um die Legeleistung der Tiere in die Höhe zu treiben.

Weil die Hennen natürlicherweise nicht zu jeder Jahreszeit Eier legen würden, wird ihnen in den Ställen ein immerwährender Sommer vorgegaukelt. Das Licht brennt bis zu 16 Stunden am Tag.

Die Konsequenz aller Komponenten der Zucht und Haltung: Die Hennen sind nach etwa eineinhalb Jahren am Ende ihrer Kräfte, der ganze Stall wird auf einmal geleert und die Tiere müssen im Schlachthof sterben – obwohl ihre Artgenossen in freier Natur eine Lebenserwartung von zehn Jahren haben. Doch zu diesem Zeitpunkt haben sie keinen wirtschaftlichen Wert mehr, und ihr Fleisch landet zu großen Teilen in Tierfutter oder wird zum Beispiel zu Wurst oder Frikassee verarbeitet.

Forderungen des Deutschen Tierschutzbundes

Der Deutsche Tierschutzbund setzt sich für eine tiergerechtere Legehennenhaltung innerhalb Deutschlands und der EU ein und macht zudem darauf aufmerksam, dass die Ernährung im Alltag ganz leicht ohne Eier gestaltet werden kann. „Am meisten helfen die Verbraucher*innen den Hühnern, wenn Sie auf pflanzliche Alternativen zurückgreifen. Jede Mahlzeit, die ohne Eier auskommt, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu mehr Tierschutz.“

Weiterführende Informationen

  • Aktuell macht sich der Deutsche Tierschutzbund neben allen anderen Aktivitäten vor allem für Verbesserungen beim Thema Fangen und Transport von Hühnern stark. Erfahren Sie mehr zum Thema Kopfüberfangen, über das wir auch schon in Ausgabe 01/2024 berichteten.
    tierschutzbund.de/kopfueberfangen