Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER
Wenn ein Gastgeber seine Gästinnen und Gäste herzlich begrüßt, sie zu angeregten Gesprächen einlädt, aber im nächsten Satz ankündigt, „in der Sache hart kämpfen zu wollen“, dann bewegen wir uns im politischen Berlin. Frank Meuser, Leiter des Hauptstadtbüros des Deutschen Tierschutzbundes, eröffnete den Parlamentarischen Abend des Verbandes vor rund 100 Vertreter*innen aus Bundestag, Ministerien, Verbänden, Wissenschaft und Wirtschaft mit eben dieser Ankündigung. Er fügte seiner „Kampfansage“ an die neue Bundesregierung in diesem frühen Stadium der Legislaturperiode aber auch direkt ein klares Regelwerk bei: „Bei vielen Argumenten, die wir austauschen werden, werden wir aneinander rasseln, aber stets nach den Regeln des demokratischen Anstands.“ Die sehr gut besuchte Veranstaltung im Tagungszentrum Octogon, nur wenige Meter vom Bundesrat entfernt, diente dazu, mit den Mitgliedern des neu zusammengesetzten Bundestages in den Dialog zu kommen und ihnen die Arbeit und Positionen des Verbandes vorzustellen. Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, ging in seiner Rede darum sehr eindrücklich darauf ein, „was uns im Koalitionsvertrag fehlt, um dann zu dem zu kommen, was wir daraus machen können“.
„In den letzten Jahren ist es in vielen sogenannten Stakeholder-Runden wie der Zukunftskommission Landwirtschaft gelungen, Kompromisse zwischen Tier-, Umwelt und Naturschützer*innen, zwischen Tiernutzer*innen, Wirtschaft und Handel auszuarbeiten“, berichtete Schröder. Diese seien allen Beteiligten mit ihren unterschiedlichen Interessenlagen nicht immer leichtgefallen, aber der konstruktiv-kritische Dialog habe auch Brücken gebaut, „die aus unserer Sicht nötig sind, wenn es vorangehen soll“. Dabei appellierte er auch direkt an den anwesenden Staatssekretär im Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat, Prof. Dr. Dr. Markus Schick, solche Kompromissvorschläge im Gegensatz zu den vorigen Regierungen auch umzusetzen, „anders als in den letzten drei Jahren, in den vier davor, den vier davor und den vier davor …“.
Auch zu Überlegungen in Regierungskreisen, die Förderpolitik für Stallbauten für alle Ställe zu öffnen – also auch für die Haltungsformen „Stall“ und „Stallhaltung Plus“ beziehungsweise Eins und Zwei im Handel – sparte Schröder nicht mit Kritik: „Wer diese tierschutzwidrigen Haltungssysteme fördert, betreibt reine Klientelpolitik, ohne Weitsicht und ohne politische Lenkungsabsicht.“ Dass die Koalition das Haltungskennzeichen der Ampel überarbeiten möchte, begrüßte er. „Mein Rat: Einstampfen und neu beginnen. Denn wer an Murks herummurkst, der macht nur größeren Murks“, sagte Schröder und lud Schick ein, die wissenschaftliche Expertise und Markterfahrung des Tierschutzlabels „Für Mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes zu nutzen. „Unsere Tür steht dafür offen.“
Als „ein starkes Zeichen an die Hunderttausenden Tierschützer*innen vor Ort“ bewertet Schröder das Bekenntnis der Koalition, die Tierheime und Auffangstationen mit Investitionen stützen zu wollen. Deren Bedeutung als gesellschaftliches Rückgrat betonte auch die Bundestierschutzbeauftragte Ariane Kari. „Darum ist es so wichtig, dass die Einrichtungen schnell und effizient entlastet werden.“ In ihrem Grußwort ging sie auf das große Leid der Straßenkatzen und die enorme Belastung der Teams in den Tierheimen durch illegalen Tierhandel, die hohe Nachfrage nach „Trendhunderassen mit Qualzuchtmerkmalen“ und die mangelnde Sachkunde vieler Halter*innen ein. „Wir sind den Tieren Gerechtigkeit schuldig – und den Menschen, die sich unermüdlich für ihren Schutz einsetzen.“
Staatssekretär Schick hielt ebenfalls ein Grußwort und zeigte Verständnis für die Ungeduld aller Tierschützer*innen. So merkte er an, die Situation aller Tiere, ob in der Landwirtschaft, in privater Haltung oder in Laboren verbessern zu wollen, bat im Namen der Bundesregierung aber auch um Verständnis, „dass wir uns die Zeit nehmen müssen, um Diskussionen zu führen“. Schick bedankte sich zudem bei allen Vertreter*innen aus dem Tierschutz für ihr großes Engagement, lobte die wichtige Arbeit in den Tierheimen und lud zur Zusammenarbeit ein. „Lassen Sie uns schauen, dass wir gemeinsam etwas auf die Straße bekommen.“ Eine Einladung, die Schröder gern aufnahm, mit Einschränkungen und klarer Zielsetzung: „Als Deutscher Tierschutzbund werden wir uns auch weiterhin der Herausforderung stellen, in den Dialog zu treten und Kompromisse einzugehen – wenn die Kompromisse erkennbar den Weg hin zu mehr Tierschutz ebnen.“
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