Aktuell

Ökologische Aquakultur

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Ökologische Aquakultur

Schon seit Jahren gibt es  Bio-Fisch im Supermarkt. Die Vorgaben für ökologische Aquakulturen sind im Rahmen der EU-Ökoverordnung bereits 2009 in Kraft getreten. Doch was unterscheidet die ökologische Aquakultur von der konventionellen?

  • Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER

Die Basis aller ökologischen Ansätze ist es, die Umwelt weniger zu belasten und die Tiere artgerechter zu halten. So schreiben die ökologischen Richtlinien unter anderem vor, die Standorte für die Aquakultur-Anlagen sorgfältig auszuwählen, um die Auswirkungen auf die umliegenden Ökosysteme gering zu halten. Darüber hinaus sollen die Betreiber die Wasserflächen der Aquakulturen so bewirtschaften, dass die natürlichen Funktionen, etwa als Laichgebiet für Amphibien, als Wanderweg für Fische oder als Rastplatz für Vögel, erhalten bleiben. Für die Zucht werden Fischarten bevorzugt, die auch unter natürlichen Bedingungen in dem entsprechenden Gebiet vorkommen.

Tiergerechte Haltung?

Unter dem Gebot der tiergerechten Haltung schreiben die ökologischen Richtlinien eine geringere Besatzdichte als in der konventionellen Haltung vor. Das bedeutet, dass auf der Fläche der ökologischen Aquakultur weniger Fische leben. Bio-Lachse haben demnach zwei- bis dreimal so viel Platz. Aus Tierschutzsicht sind diese Besatzdichten für die meisten Fischarten immer noch sehr hoch angesetzt.

Um die Fische in ökologischen Aquakulturen artgerecht zu halten, sollen sie nicht nur ausreichend Platz für Bewegung haben, auch das Wasser soll von guter Qualität und Licht sowie Temperatur der Art entsprechend gewählt sein. Allerdings ist es fraglich, ob diese Maßnahmen ausreichen, damit sich Fische in einer künstlichen Haltungsform artgemäß verhalten können. Der Atlantische Lachs zum Beispiel wandert in freier Natur tausende von Kilometern. In den Netzkäfigen der Aquakultur sind die Lachse gezwungen, tagtäglich auf vergleichbar engem Raum im Kreis zu schwimmen.

Nicht alle Fischarten sind geeignet

Zudem wäre es wichtig, dass sich die Haltungsvorschriften nicht nur auf Besatzdichten beschränken, sondern auch die speziellen Bedürfnisse der jeweiligen Fischart berücksichtigen. Fische, die im natürlichen Lebensraum in großen Schwärmen leben, können auch in Aquakulturen in einer höheren Besatzdichte leben. Handelt es sich um Fische, die in freier Natur territoriale Einzelgänger sind, wie zum Beispiel der Heilbutt, leiden sie in den engen Netzkäfigen erheblich. Auch der Lachs ist kein klassischer Schwarmfisch. Die Fische sind sehr anfällig für verschiedene Krankheiten, leiden unter Stress und entwickeln ein artfremdes Schwimmverhalten und Aggressionen. Hinzu kommt, dass viele Fische durch die unzureichenden Haltungsbedingungen einfach sterben. Territoriale Fischarten eignen sich nicht für die Fischzucht. Die Vorgaben der ökologischen Aquakultur schließen allerdings nicht alle ungeeigneten Fischarten von der Zucht aus. Auch Wildfänge dürfen zu Zuchtzwecken eingesetzt werden.

Im Gegensatz zur konventionellen Aquakultur ist es in ökologischen Fischzuchten strikt verboten, die Fruchtbarkeit oder das Paarungsverhalten der Fische durch Hormone zu beeinflussen. Auch gentechnisch veränderte Organismen sind nicht erlaubt. So dürfen weder die Futtermittel, noch die Fische selbst gentechnisch verändert sein.

Die Fische werden nicht ausreichend betäubt

Um eine natürliche Nahrungskette aufzubauen und Krankheiten zu vermeiden, halten die Betreiber von ökologischen Aquakulturen die Fische bevorzugt mit anderen Arten zusammen. So leben Bio-Lachse in der Zucht häufig gemeinsam mit Lippfischen, die die Lachse vor Parasiten schützen sollen. Allgemein gelten in der ökologischen Aquakultur strengere Vorschriften, was die Vergabe von Medikamenten angeht. Die Fische erhalten deutlich weniger Antibiotika. Außerdem dürfen im Gegensatz zur konventionellen Aquakultur keine Chemikalien eingesetzt werden, um zum Beispiel die Netzgehege vor Algen zu schützen. Die möglichen Umweltschäden durch Medikamente und Chemikalien sind daher geringer als in der konventionellen Haltung.

Die pflanzlichen Futtermittel für die Fische stammen aus der ökologischen Landwirtschaft. Fischmehle und –öle sollen zwar im Idealfall aus nachhaltig und ökologisch anerkannten Fischereien kommen, es sind aber auch Produkte aus den Resten der Speisefischverarbeitung und Fischmehle, die aus Beifängen der Speisefisch-Fischerei stammen, zulässig. Dadurch wirkt sich auch die ökologische Aquakultur negativ auf die frei lebenden Fischpopulationen in den Meeren aus. Übergeordnetes Ziel ist es, den Anteil tierischer Futtermittel weitestgehend zu reduzieren und durch pflanzliche zu ersetzen. Fast alle in Aquakulturen gehaltenen Fischarten, wie der Lachs, sind allerdings Fleischfresser. Es gibt nicht genügend wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, welche Auswirkungen eine erzwungene pflanzliche Ernährung auf diese Fische hat.

Sowohl der Transport als auch die Schlachtung muss in ökologischen Aquakulturen zügig und schonend erfolgen, damit den Tieren unnötiges Leid erspart bleibt. Was genau darunter zu verstehen ist, wird mit dieser Formulierung nicht klar – sie lässt einen großen Spielraum für Interpretationen. Die deutsche Durchführungsverordnung der EU- Schlachtverordnung bietet zwar einen Rahmen für die Betäubung und Tötung von Fischen in Aquakulturen, allerdings reicht dies aus Tierschutzsicht in der Praxis nur selten aus. Die derzeit zugelassenen Betäubungsmethoden sind nicht für alle Fischarten gleich geeignet. Um alle Fische ausreichend zu betäuben, müssen die verschiedenen Betäubungsverfahren an die einzelnen Fischarten angepasst werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Schlachtung ohne Schmerz, Angst und Stress erfolgt. Fest steht: Rund um die Fischzucht, die Haltung von Fischen in Aquakulturen und die Schlachtprozesse gibt es einen dringenden Forschungsbedarf.

Auch bei der ökologischen Aquakultur steht der Profit über dem Tier

Auch in der ökologischen Aquakultur wird die Wirtschaftlichkeit nicht außer Acht gelassen. Selbst wenn die Vorschriften deutlich strenger sind, als in der konventionellen Haltung, müssen  auch ökologische Aquakulturen Profit abwerfen. Das Wohl der Tiere wird wohl auch hier immer hinter dem Gewinn für die Fischindustrie stehen.

Will ein Verbraucher nicht gänzlich auf Fisch verzichten, sollte er den Fischen und der Umwelt zuliebe beim Kauf aber auf die Zertifizierung mit dem europäischen Öko-Siegel oder besser noch, einem Siegel der bekannten ökologischen Anbauverbände wie Bioland oder Naturland achten. Diese Verbände haben eigene, noch strengere Kriterien und Richtlinien entwickelt, die über die EU-Öko-Verordnung hinausgehen. Im Gegensatz zur konventionellen Aquakultur ist dies die bessere Wahl. Die Produkte sind neben den Bio-Supermärkten, in der Regel auch in den gängigen Supermärkten erhältlich.

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