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Moderner Fünfkampf

Ein würdeloses Spektakel

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Ein würdeloses Spektakel

Die Bilder von Fünfkämpferin Annika Schleu und dem ihr zugelosten Pferd Saint Boy bei der Olympiade in Tokio sorgten für Entsetzen. Es folgte eine Debatte darüber, wie zeitgemäß die Teildisziplin Reiten beim Modernen Fünfkampf überhaupt noch ist. Aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes ist klar: Die verantwortlichen Verbände müssen das System zum Schutz der Pferde grundlegend ändern.

  • Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER

Weinend und völlig überfordert schlägt Fünfkämpferin Annika Schleu mit ihrer Gerte auf das ihr zugeloste Pferd Saint Boy ein und tritt es immer wieder mit den Sporen – ihre Trainerin Kim Raisner ermutigt sie noch dazu: „Hau mal richtig drauf, hau richtig drauf!“ ruft sie ihr zu, gut hörbar für die Fernsehzuschauer, während sie kurz darauf selbst mit der Faust auf die Flanke des Pferdes schlägt. Welch eine Panik das Tier in diesen Minuten empfindet, halten die Kameras ebenso fest – zuerst will es den Parcours nicht betreten, dann sträubt es sich vehement mit weit aufgerissenen Augen, aufgeblähten Nüstern und schweißtriefend, über die Hürden zu springen. Es waren verstörende Szenen, die sich im August beim Modernen Fünfkampf während der Olympiade in Tokio abgespielt haben und nicht nur Tierschützer fassungslos zurückließen. Die Bilder haben eine überfällige Debatte darüber ausgelöst, wie zeitgemäß der Einsatz von Pferden im Modernen Fünfkampf heutzutage überhaupt noch ist. Aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes besteht kein Zweifel – es darf nicht sein, dass Pferde wie Sportgeräte behandelt werden. Einem Tier Schmerzen zuzufügen, es zu etwas zu zwingen, das es nicht freiwillig möchte oder zu dem es sogar psychisch wie physisch nicht in der Lage ist, ist grundsätzlich tierschutzwidrig. Letzteres ist auch im Tierschutzgesetz ausdrücklich verboten und kann mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 Euro geahndet werden.

Strafanzeige wegen Tierquälerei

Wegen Tierquälerei und Beihilfe zur Tierquälerei hat der Deutsche Tierschutzbund bereits kurz nach den Geschehnissen in Tokio Strafanzeige gegen Schleu und Bundestrainerin Raisner gestellt. Mit diesem Schritt geht es dem Verband nicht nur darum, dass Schleu und Raisner persönlich Verantwortung übernehmen – wichtig ist vor allem auch die Systemfrage. So sollte der Weltverband Union Internationale de Pentathlon Moderne (UIPM) das Springreiten als Teildisziplin dieser Sportart ersetzen und das Reglement ändern. Denn das Drama um die Fünfkämpferin Schleu und das Pferd Saint Boy ist bei weitem keine Ausnahme. „Abwürfe, Verweigerungen und Stürze waren bei vielen der Athletinnen zu beobachten, ebenso wie bei den Herren am Folgetag und auch bereits bei anderen Wettbewerben“, kritisiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.

„Der jetzige Rahmen und das bestehende Regelwerk befördern automatisch solche Situationen, in denen den Athleten der sportliche Erfolg wichtiger ist als die Bedürfnisse der Pferde“, sagt auch Dr. Esther Müller, Geschäftsführerin Wissenschaft beim Deutschen Tierschutzbund. Ohnehin haben die Fünfkämpfer gerade einmal 20 Minuten Zeit, um das Pferd kennenzulernen, das ihnen im Wettbewerb zugelost wird. „In diesem kurzen Zeitraum ist es unmöglich, gegenseitiges Vertrauen und eine Partnerschaft aufzubauen“, so Müller. Der Disziplinarausschuss der UIPM hat Raisner bereits einen offiziellen Verweis erteilt und sie gewarnt, ihr die Trainer-Lizenz zu entziehen, sollte sich ein solcher Vorfall wiederholen. Außerdem hat der Ausschuss sie angewiesen, zeitnah ein Trainingsseminar zum richtigen Umgang mit Pferden zu absolvieren, bevor sie wieder an einem UIPM-Wettbewerb teilnehmen darf. Die Athletin Schleu wiederum hat die UIPM von dem Vorwurf des übermäßigen Gebrauchs der Gerte und der Sporen freigesprochen.

Tradition ist keine Entschuldigung für Tierqual

Der Deutsche Tierschutzbund sieht jedoch auch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) in der Pflicht. Deshalb hat der Verband Alfons Hörmann, den Präsidenten des DOSB, in einem Schreiben aufgefordert, den Modernen Fünfkampf nicht mehr für die Olympischen Spiele zu berücksichtigen, solange eine Änderung des Reglements dieser Sportart nicht erfolgt ist. „Tradition darf keine Entschuldigung für Tierqual sein“, heißt es darin. In seiner Antwort an den Deutschen Tierschutzbund bekräftigt Hörmann, dass der DOSB und die anderen beteiligten Verbände die Geschehnisse beim Reitwettbewerb in Tokio umfangreich und kritisch aufarbeiten werden: „Gemeinsam mit unserem nationalen Verband sehen wir uns in einer besonderen Verantwortung, die Ergebnisse dieser Aufarbeitung dazu zu verwenden, die bereits verabschiedeten Veränderungen noch einmal kritisch zu bewerten und sicherzustellen, dass sich derartige Szenen nie wieder bei Wettkämpfen im Modernen Fünfkampf wiederholen.“ Mittlerweile habe der DOSB laut einer Mitteilung auf der eigenen Website den Weltverband dazu aufgefordert, die Regularien anzupassen.

Auch die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) hat Medienberichten zufolge angekündigt, den Druck auf den Modernen Fünfkampf zu erhöhen. Demnach forderte FN-Präsident Hans-Joachim Erbel ebenfalls, dass die Teildisziplin Reiten im Modernen Fünfkampf ersetzt wird. Dabei bemängelte er, dass Fünfkämpfer den Anforderungen des Springreitens nicht gerecht würden, und kündigte an, dass die FN und die Fédération Équestre Internationale (FEI), die internationale Dachorganisation des Pferdesports, das Gespräch mit den nationalen und internationalen Fünfkampf-Verbänden suchen werden.

Die Welle der Betroffenheit und der Empörung,
die das Drama bei den Olympischen Spielen ausgelöst hat,
zeigen, dass weite Kreise der Gesellschaft einen
solchen Umgang mit Tieren nicht mehr hinnehmen.

Der Einsatz von Pferden im Modernen Fünfkampf und der mit den Wettkämpfen verbundene Stress müssen ein Ende haben. Der Deutsche Tierschutzbund wird daher die verantwortlichen Verbände weiterhin in die Pflicht nehmen und erwartet, dass den Worten auch Taten folgen.

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Bildrechte: Artikelheader: Pixabay – Markus Spiske (Pferd/Reitstiefel); Fotos: Pixabay – Pezibear (Pferdeauge); Unsplash – Markus Spiske (Pferd/Hindernis)