Exklusiv online
Deutscher Tierschutzbund bewertet Koalitionsvertrag aus Tierschutzsicht

Was die Bundesregierung plant, um Tieren zu helfen

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Deutscher Tierschutzbund bewertet Koalitionsvertrag aus Tierschutzsicht

Was die Bundesregierung plant, um Tieren zu helfen

Mit ihrem Koalitionsvertrag hat sich die neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP vorgenommen, die seit Jahren überfälligen Verbesserungen im Tierschutz angehen zu wollen. Doch einige der Formulierungen bleiben vage. Was klingt vielversprechend? Und wo besteht aus Sicht des Tierschutzes noch Nachbesserungsbedarf?

  • Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER

In der Printausgabe von DU UND DAS TIER kommentieren Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, und wissenschaftliche Experten des Verbandes den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aus Sicht des Tierschutzes. Sie begrüßen die Vorhaben von SPD, Grünen und FDP grundsätzlich. Sie nehmen ihre Pläne zur Kennzeichnung tierischer Produkte, dem Schutz von Heimtieren und zur Reduktion von Tierversuchen unter die Lupe. Gleichzeitig fordern sie, den teils noch vagen Ankündigungen zügig Konkretes folgen zu lassen und bieten Unterstützung an. Wir analysieren an dieser Stelle exklusiv online einige Auszüge aus dem 177 Seiten starken Dokument. Und zeigen auf, wo die Ampelkoalition noch nachbessern muss, um den Tieren spürbar zu helfen.

 

Das hat sich die Bundesregierung vorgenommen, um künftig verheerende Stallbrände zu verhindern

Wir verbessern die Rechtsvorschriften zum Schutz vor Bränden und technischen Störungen in Ställen, unter Berücksichtigung von angemessenen Übergangsfristen.

So bewertet der Deutsche Tierschutzbund das Vorhaben

„Das ist natürlich positiv zu betrachten. Doch noch fehlen die konkreten Zusätze, wie die Bundesregierung dies tatsächlich ausführen möchte. Dazu ist unklar, welche Übergangsfristen die Koalition als „angemessen“ erachtet.

Wir empfehlen dringend strengere Brandschutzkonzepte als Voraussetzung für die Genehmigung von Stallneubauten.

Bestehende Ställe sollten allgemeine Vorgaben für die Nachrüstung erhalten. Und Behörden sollten mit betriebsindividuellen Prüfungen ermitteln, welche weiteren Nachrüstungen möglich sind. Zur Sicherheit der Tiere sind dabei möglichst kurze Übergangsfristen nötig, damit sich Unglücke aus der Vergangenheit nicht wiederholen.“
Frigga Wirths, Referentin für Tiere in der Landwirtschaft beim Deutschen Tierschutzbund


Das hat sich die Bundesregierung zu Tiertransporten in Drittstaaten vorgenommen

Lebendtiertransporte in Drittstaaten werden künftig nur erlaubt, wenn sie auf Routen mit nachgewiesen tierschutzgerechten Versorgungseinrichtungen stattfinden. Wir setzen uns auch auf EU-Ebene für bessere Regelungen für Tiertransporte und einen Ausbau des Datenbanksystems TRACES ein.

So bewertet der Deutsche Tierschutzbund das Vorhaben

„Dieser Punkt ist eine große Enttäuschung. Sogar die alte Bundesregierung mit Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat sich für ein Verbot von Drittlandtransporten ausgesprochen. Die Grünen hatten sich im Wahlkampf ebenfalls entsprechend positioniert und die SPD hat sich zumindest gegen Transporte ausgesprochen, die länger als acht Stunden dauern.

Die Bundesregierung muss genau solche Transporte von mehr als acht Stunden Dauer untersagen, insbesondere Langstreckentransporte in Staaten außerhalb Europas.

Dafür sprechen auch der Umwelt- und Klimaschutz. Sie sollten durch den Transport von Fleisch beziehungsweise genetischem Material ersetzt werden. Versorgungsstationen und bessere Datenerfassung können zwar dazu beitragen, die Transportbedingungen etwas zu verbessern, aber auch dann bleiben sie tierschutzrelevant. Aktuell wird auf EU Ebene darüber diskutiert, die Tierschutztransportverordnung zu überarbeiten. Das ist ganz wichtig und die Chance auf Verbesserungen in unserem Sinne war seit 15 Jahren noch nie so groß wie im Moment. Darum wäre es ein massiver Rückschritt, wenn Deutschland nun nicht mehr zu bereits gemachten Aussagen steht.“
Frigga Wirths, Referentin für Tiere in der Landwirtschaft beim Deutschen Tierschutzbund


Das hat sich die Bundesregierung zum Einsatz von Antibiotika in landwirtschaftlichen Betrieben vorgenommen

Wir werden den wirkstoff- und anwendungsbezogenen Antibiotikaeinsatz in landwirtschaftlichen Betrieben erfassen und senken.

So bewertet der Deutsche Tierschutzbund das Vorhaben

„Das Ziel ist richtig, die Formulierung aber nicht konkret genug. Auch der Deutsche Tierschutzbund fordert, den Einsatz von Antibiotika in der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu reduzieren. Dies würde verhindern, dass sich zunehmend mehr resistente Keime entwickeln. Im Umkehrschluss würden viele Wirkstoffgruppen wirksamer bleiben und in behandlungswürdigen Fällen besser helfen.

Vor allem dürfen Antibiotika nicht länger dazu dienen, Systemmängel zu vertuschen.

Entgegen der eigentlich üblichen Praxis ist es in der Landwirtschaft immer noch völlig normal, gesunden Tiere Antibiotika zu verabreichen, damit sie aufgrund der Systemfehler nicht erkranken. Eine Strategie zur Reduzierung von Antibiotika darf jedoch nicht auf Kosten von kranken Einzeltieren gehen. Sie müssen bei entsprechender Erkrankung weiterhin antibiotische Therapie erhalten können. Deswegen sind Pauschalverbote nicht der richtige Weg. Entscheidend ist, die Haltungsbedingungen in den Betrieben zu optimieren. Auch die Zucht von robusteren und weniger leistungsorientierten Rassen würde seltener Antibiotika erfordern. Begleitend sind vorsorgliche Impf- und Hygienemaßnahmen sinnvoll. Letztere dürfen jedoch nicht dazu führen, Tiere isoliert von der Außenwelt zu halten – Außenklimakontakt ist für die Tiergesundheit essenziell.“
Dr. Melanie Dopfer, Referentin für Tiere in der Landwirtschaft


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Das hat sich die Bundesregierung für den Fall länderübergreifender Krisen- und Seuchenfälle vorgenommen

Der Bund nimmt in länderübergreifenden Krisen- und Seuchenfällen wie der Afrikanischen Schweinepest eine koordinierende und unterstützende Funktion wahr und beseitigt rechtliche Mängel.

So bewertet der Deutsche Tierschutzbund das Vorhaben

„Diese Bestrebungen sind grundsätzlich zu begrüßen.

Die Bundesregierung muss aber sicherstellen, dass im Tierseuchenfall auch der Tierschutz oberste Priorität hat.

Die Tiere in der Landwirtschaft brauchen Schutz vor tierschutzrelevanten Seuchenbekämpfungsmaßnahmen wie der Aufstallungspflicht oder Keulungen. Darum muss der Bund Risiken wissenschaftlich belegbar einschätzen. Nur so kann er stets fundiert begründen, ob Maßnahmen verhältnismäßig sind. Diese wissenschaftlichen Grundlagen sollen den Ländern als Handlungsleitlinie dienen. Das kann einheitliche Maßnahmen gewährleisten. Wirtschaftliche Ziele und Gründe sollten dabei untergeordnet in die Beurteilung einfließen.“
Dr. Melanie Dopfer, Referentin für Tiere in der Landwirtschaft


Das hat sich die Bundesregierung zum Schutz von Wölfen und Weidetieren vorgenommen

Unser Ziel ist es, das Zusammenleben von Weidetieren, Mensch und Wolf so gut zu gestalten, dass trotz noch steigender Wolfspopulation möglichst wenige Konflikte auftreten. Wir werden mit allen in diesen Fragen befassten Organisationen und Verbänden einen institutionalisierten Dialog „Weidetierhaltung und Wolf“ einrichten. Wir werden durch eine Überarbeitung der Monitoringstandards die Anzahl der in Deutschland lebenden Wölfe realitätsgetreu abbilden und wollen den Ländern europarechtskonform ein regional differenziertes Bestandsmanagement ermöglichen.

So bewertet der Deutsche Tierschutzbund das Vorhaben

„Das Ziel einer friedlichen Ko-Existenz begrüßen wir natürlich und beteiligen uns gern am geplanten Dialog. Die Formulierung, dass die Koalition die Anzahl der Wölfe „realitätsgetreu“ abbilden möchte, lässt aufhorchen. Wolfsgegner argumentieren immer wieder, dass es viel mehr Wölfe gäbe, als offizielle Stellen angeben. Daher sei angeblich längst ein „günstiger Erhaltungszustand“ erreicht. Der würde ihrer Ansicht nach stärkere Eingriffe – sprich Abschüsse – zulassen. Tatsächlich ist das Monitoring in Deutschland schon sehr gut. Es kann die Rudelanzahl entsprechend erfassen. Die Monitoringstandards sollten in den Ländern, die für das Monitoring zuständig sind, jedoch vereinheitlicht und gestärkt werden.

Ein Bestandsmanagement mit Bejagung lehnen wir ab. Gerade im Herdenschutzbereich ist noch erhebliches Potenzial vorhanden.

Dabei müssen die Regierung und Bundesländer Herdenschutzmaßnahmen stärker finanzieren und die Tierhalter unterstützen. Wir haben in der Verbändeplattform „Weidetierhaltung und Wolf“ bereits verschiedene Handlungsvorschläge dazu erarbeitet und vorgelegt.“
James Brückner, Leiter der Abteilung Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund


Das hat sich die Bundesregierung zum Schutz von Wildtieren in Zirkussen vorgenommen

Wir […] erarbeiten eine Positivliste für Wildtiere, die nach einer Übergangsfrist noch in Zirkussen gehalten werden können.

So bewertet der Deutsche Tierschutzbund das Vorhaben

„Dieser Passus ist enttäuschend und unzureichend. Diese Formulierung ist unverständlich und entspricht auch nicht dem geplanten Wildtierverbot, das sich insbesondere die Grünen vorgenommen hatten. Von Seiten des Tierschutzes kann es nur eine „leere“ Liste mit Wildtieren geben.

Denn wir fordern ein komplettes Wildtierverbot in Zirkussen.“

James Brückner, Leiter der Abteilung Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund


Das hat sich die Bundesregierung zur Pelztierhaltung vorgenommen

Wir setzen uns für ein EU-weites Verbot der Haltung und Zucht von Pelztieren ein.

So bewertet der Deutsche Tierschutzbund das Vorhaben

„Das ist sehr begrüßenswert.

Als ersten konsequenten Schritt bräuchte es dazu aber ein nationales Verbot von Pelztierfarmen.

Das hat Deutschland bislang nicht, sondern nur ein ‚grundsätzliches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für Farmen, die höhere Tierschutzstandards erfüllen‘. Theoretisch wäre es also weiterhin möglich, dass Farmen in Deutschland eröffnen. Würde das passieren, wäre die deutsche Regierung unglaubwürdig, dann nur auf EU-Ebene ein Handeln einzufordern.“
Dr. Henriette Mackensen, Referentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund

Bildrechte: Artikelheader: A. Farkas/afi (Huhn); Deutscher Tierschutzbund e.V. – NEULAND e.V (Rinder); Tierheim Feucht (Welpe); Fotos: Deutscher Tierschutzbund e.V.