Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER
Eine ehrenamtliche Helferin (r.) hatte einen einsamen Welpen auf einer Straße entdeckt und ihn in das Kastrationszentrum des Tierheims
Smeura gebracht.
Der Welpe hatte Glück: Eine ehrenamtliche Helferin hatte die einsame kleine Hündin zufällig auf einer Straße im rumänischen Landkreis Argeș entdeckt und sie in das Kastrationszentrum des Tierheims Smeura gebracht – geleitet wird es von der Tierhilfe Hoffnung, einem Mitgliedsverein des Deutschen Tierschutzbundes. Das Team versorgte das dehydrierte Tier sofort und gab ihm eine Infusion – auf der Straße hätte der wenige Wochen alte Welpe wahrscheinlich nicht überlebt. Sobald die Hündin alt genug ist, wird sie geimpft, gechipt und registriert. In einer Welpengruppe des Tierheims kann sie dann ein Leben abseits der Straße kennenlernen und wird dort auf ein schönes neues Zuhause vorbereitet. Es ist nur eines von unzähligen Tierschicksalen, um die sich die Tierschützer*innen in Rumänien Tag für Tag kümmern. Denn Hunde vermehren sich dort oft unkontrolliert und sind allgegenwärtig. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen und die Zahl der Straßentiere tiergerecht und nachhaltig zu reduzieren, setzen sich der Deutsche Tierschutzbund und die Tierhilfe Hoffnung seit Jahren für das Prinzip „Fangen, Kastrieren, Freilassen“ ein – und zeigen, dass dies eine weitaus bessere Alternative ist, statt wie in Rumänien üblich die Hunde einzufangen und nach Ablauf von 14 Tagen zu töten.
Es ist ihr Ziel, so viele Menschen wie möglich aufzuklären und die Umsetzung der landesweiten Kastrationspflicht sicherzustellen, damit Hundebesitzer*innen ihre Tiere kastrieren, kennzeichnen, registrieren und gegen Tollwut impfen lassen. Dafür haben der Deutsche Tierschutzbund und die Tierhilfe Hoffnung 2024 mit der nationalen und der regionalen Veterinärbehörde ein auf fünf Jahre angelegtes Modellprojekt für den Landkreis Argeș gestartet – also dort, wo die Tierhilfe Hoffnung ihren Sitz hat und seit April 2024 das erste Kastrations- und Registrierungszentrum Rumäniens betreibt. „Die Veterinärbehörden haben bereits 2023 eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht, die die Einhaltung der Pflichten durch Hundehalter*innen stärken soll“, berichtet Luca Secker, Referentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund. „Durch das Projekt haben Veterinär*innen und Behörden im Landkreis Argeș anschließend den Auftrag erhalten, die bestehenden Pflichten auch umzusetzen.“ Ein weiterer Bestandteil des Projektes ist Tierschutzunterricht, in dem Grundschüler*innen des Landkreises lernen, warum die Kastration von Hunden so wichtig ist.
Unterstützen Sie die Arbeit des Deutschen Tierschutzbundes: Werden Sie Fördermitglied und erhalten Sie das Magazin DU UND DAS TIER frei Haus. Wir informieren Sie über alle tierschutzrelevanten Entwicklungen mit Berichten, Reportagen und spannenden Hintergrundberichten und Sie helfen uns dabei, den Tieren zu helfen.
Ein Jahr nach Beginn des Modellprojekts waren Vertreter*innen des Deutschen Tierschutzbundes nun erneut in Rumänien, um sich mit den lokalen Behörden auszutauschen und das Projekt weiter voranzutreiben. „Seit letztem Jahr wurden 34.650 Hunde und Katzen kastriert – ein deutlicher Anstieg“, so Secker. 2023 waren es noch 20.948. Die Tierhilfe Hoffnung hat sich sogar vertraglich dazu verpflichtet, jährlich bis zu 40.000 Kastrationen durchzuführen. In manchen Gemeinden trifft der Verein jedoch noch auf Widerstand, oft mit der Begründung, dass den Rathäusern die finanziellen Mittel fehlten. Aus Tierschutzsicht ist das zu kurz gedacht. Denn langfristig lohnen sich die jetzigen Investitionen, da die Zahl der Straßentiere nur so nachhaltig zurückgeht. Werden die Hunde hingegen weiterhin getötet, ist das nicht nur grausam – durch dieses rabiate Vorgehen wird die Population auch nur kurzfristig begrenzt. Genau darum ging es auch in den jüngsten Gesprächen zwischen den Tierschützer*innen und der lokalen Tierpolizei – einer Art Ordnungsamt für Tiere –, dem Kreisrat des Landkreises Argeș und dem Direktor der regionalen Veterinärbehörde, Dr. Sorin Sorescu. „Wir freuen uns, dass der Zuspruch der Behörden für einen tierschutzgerechteren Umgang immer größer wird“, sagt Secker. So plant die Tierpolizei, in die unterschiedlichen Gemeinden zu fahren und Kastrationsaktionen anzukündigen. Dabei will sie Halter*innen informieren, dass ihnen ein Bußgeld droht, wenn sie ihren Pflichten nicht nachkommen, und dass die Tierhilfe Hoffnung anbietet, die Kastration kostenlos vorzunehmen. „Die Tierpolizei hilft somit, die bestehenden Gesetze umzusetzen“, so Melanie Thill, Referentin für EU-Politik beim Deutschen Tierschutzbund. Eine engere Zusammenarbeit planen die Tierschützer*innen auch mit dem Kreisrat Argeș. Dieser möchte unter anderem andere Gemeinden aktiv einbinden. So kündigte der Vizepräsident des Kreisrates Adrian Bughiu bereits an, Treffen zwischen den Gemeinden und den Tierschützer*innen zu organisieren.
Damit die nationalen Veterinärbehörden das Modellprojekt landesweit ausweiten, müssen die Beteiligten dessen Erfolg wissenschaftlich nachweisen. Dazu hat der Deutsche Tierschutzbund Mitarbeiter*innen der Smeura geschult, die Zahl der Straßenhunde und ihren Gesundheitszustand nach bestmöglichen wissenschaftlichen Standards zu dokumentieren. „Zur Evaluation untersuchen wir auch, ob sich die Einstellung der Bevölkerung ändert, und ob die Kinder und Jugendlichen innerhalb des Schulprojektes tatsächlich für einen tierschutzgerechteren Umgang sensibilisiert werden“, sagt Secker. Die von den regionalen Behörden erhobenen offiziellen Daten fließen ebenfalls in die Gesamtevaluation ein. „Durch die Zusammenarbeit mit den Behörden leisten wir Hilfe zur Selbsthilfe“, so die Expertin. „Wenn die Menschen spüren, dass unsere Lösungen funktionieren und nachhaltig und tierschutzgerecht sind, dann kann ein echter Wandel stattfinden. Und der Wille zum Erfolg des Modellprojekts ist spürbar.“