Hilfe für Straẞenkitten

Aus dem Print-Magazin

Hilfe für Straẞenkitten

Die Situation von Straßenkatzen in Deutschland ist dramatisch – unzählige von ihnen sterben bereits kurz nach der Geburt. Neue Zahlen des Deutschen Tierschutzbundes zeigen, wie gering die Überlebenschancen vor allem der Jungtiere sind und wie sehr das Leid der Straßenkatzen Tierschutzvereine, die sich um sie kümmern, sowohl emotional als auch finanziell belastet.

  • Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER

Die Katzenwelpen sind oft nur wenige Tage alt, krank und verletzt. „Oft sind sie voller Parasiten wie Fliegenmaden und Flöhe“, berichtet Gaston Prüsmann, erster Vorsitzender des Vereins Tierschutz Mölln/Lauenburg und Umgebung, Mitgliedsverein des Deutschen Tierschutzbundes. Die Verwaisten unter ihnen benötigen alle zwei Stunden Katzen-Ersatzmilch – und das rund um die Uhr. Daher nehmen die Tierpfleger*innen des Tierheims Mölln in Schleswig-Holstein die Kleinen nach Möglichkeit sogar über Nacht mit nach Hause. Morgens geht es dann direkt wieder ins Tierheim, wo die Kitten auch medizinisch behandelt werden müssen. Doch egal, wie aufopferungsvoll die Tierschützer*innen um jedes einzelne Tier in ihrer Obhut kämpfen – für viele Katzenjunge, die auf der Straße geboren wurden, kommt jede Hilfe zu spät: „Sehr viele Kitten haben ganz schlechte Überlebenschancen und sterben unseren Mitarbeiter*innen regelrecht unter den Händen weg“, so Prüsmann. „Für uns alle ist das natürlich eine enorme psychische Belastung – und so wie uns geht es zurzeit den meisten Tierschutzvereinen.“

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Umfrage belegt dramatische Situation

Neue Zahlen des Deutschen Tierschutzbundes bestätigen, dass die Gesamtpopulation an Straßenkatzen in Deutschland immer weiter ansteigt – und damit auch das Leid dieser Tiere und die finanzielle, räumliche, zeitliche und vor allem emotionale Belastung für alle Tierschützer*innen, die sich für sie einsetzen. Der Verband hat im September eine Umfrage unter seinen 725 angeschlossenen Tierschutzvereinen durchgeführt, von denen insgesamt 544, also 75 Prozent, teilnahmen. Dabei berichteten 71 Prozent der Tierschutzvereine bundesweit von steigenden Straßenkatzenpopulationen in ihrer Region. 72 Prozent von ihnen gaben zudem an, dass sie 2024 (viel) mehr Kitten aufnehmen mussten als im Jahr zuvor. 97 Prozent hatten jedoch nicht genug Platz für die vielen Katzen. Wie die Umfrage außerdem ergab, sind die Straßenkitten, wenn Tierschutzvereine sie finden, in 99 Prozent der Fälle krank, 69 Prozent sogar ernsthaft krank. Darüber hinaus stufen 67 Prozent die emotionale Belastung ihrer Mitarbeiter*innen im Umgang mit Straßenkatzen als (sehr) hoch ein. Die Zahlen sind eine Ergänzung zum „Großen Katzenschutzreport“ des Deutschen Tierschutzbundes, der 2023 erschienen ist. Bereits dieser hat durch zahlreiche Daten und Fakten belegt, dass sich das Leid der Straßenkatzen zu einem der größten unbemerkten Tierschutzprobleme in Deutschland entwickelt hat. Denn tatsächlich leben hierzulande schätzungsweise mehrere Millionen frei lebende Katzen. Ein wesentlicher Grund hierfür ist die riesige Zahl unkastrierter Freigängerkatzen von Privathalter*innen, die sich unkontrolliert vermehren können. Auch unkastrierte Wohnungskatzen können zum Elend beitragen, wenn sie entlaufen oder ausgesetzt werden und es nicht gelingt, sie rechtzeitig einzufangen.

Kätzchenschwemmen überrollen Tierheime

Die neuen Umfrageergebnisse des Deutschen Tierschutzbundes zeigen, dass die Schwemmen an Straßenkatzen und ihr Leid nicht mehr handelbar sind und bereits jetzt unzählige Tiere im Verborgenen sterben. Heutzutage beschränken sich die Kätzchenschwemmen ohnehin nicht mehr nur auf Mai und Herbst, wie es früher der Fall war, beobachtet auch Prüsmann. „Mittlerweile ist die Natur so durcheinander, dass uns das ganze Jahr über zahlreiche Kitten gemeldet werden, die unsere Hilfe brauchen.“ Prüsmann und seine Mitstreiter*innen fangen die Straßenkatzen auch über die Grenzen von Mölln hinweg ein, um sie zu versorgen, sie kastrieren zu lassen und andere Tierschutzvereine zu unterstützen. „Wenn wir Glück haben, haben die Katzen noch nicht geworfen“, so Prüsmann. Denn der Nachwuchs habe bessere Überlebenschancen, wenn er im Tierheim zur Welt komme, wo die Katzenmütter und ihre Kitten sicher untergebracht sind und intensive Betreuung erhalten. „Wenn es unserem Team gelingt, die Jungtiere aufzupäppeln, können wir sie oft gut vermitteln – denn sie gewöhnen sich von klein auf an Menschen“, schildert Prüsmann. Die Muttertiere hingegen scheuen meistens den menschlichen Kontakt und werden in vielen Fällen nicht mehr zahm.

Politik ist der gröẞte Frustfaktor

Prüsmann wünscht sich vor allem mehr Unterstützung von der Landesund der Bundespolitik. Wie auch die Umfrage ergab, ist es für 74 Prozent der Tierschutzvereine der größte Frustfaktor, dass die Politik das Straßenkatzenproblem nicht ernst nimmt. Der Deutsche Tierschutzbund und seine Mitgliedsvereine befürchten, dass weiterhin unzählige Straßenkatzen sterben und sich der praktische Katzenschutz von dem aktuellen Kollaps nicht wieder erholen wird, wenn die Politik nicht sofort handelt. Sie appellieren daher weiter eindringlich an die Bundesregierung, schnellstmöglich eine bundesweite Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für Freigängerkatzen einzuführen, da es nur so möglich ist, Straßenkatzenpopulationen langfristig flächendeckend zu verkleinern. Zugleich würde diese Lösung Katzenhalter*innen in die Pflicht nehmen, damit weniger Katzen in den Tierheimen landen. So sieht das auch Tierschützer Prüsmann: „Das Leid der Katzen und die psychische Belastung unserer Mitarbeiter*innen sind nicht weiter hinnehmbar – wir brauchen endlich eine bundesweite Regelung für mehr Katzenschutz.“


Umfrageergebnisse

  • 99 Prozent der Straßenkitten sind krank.
  • Nur 17 Prozent der Tierschutzvereine gehen davon aus, alle Kitten aus einem Wurf gerettet zu haben.
  • 71 Prozent der Tierschutzvereine berichten 2024 von steigenden Straßenkatzenpopulationen.
  • Insgesamt ist die Situation für 78 Prozent der Tierschutzvereine ein Problem.
  • 81 Prozent der Tierschutzvereine hatten in den letzten 12 Monaten eine stärkere Anfrage für die Aufnahme von Katzen.
  • 72 Prozent der Tierschutzvereine mussten (viel) mehr Kitten aufnehmen als im Jahr zuvor.
  • 97 Prozent der Tierschutzvereine hatten nicht genug Platz für die vielen Katzen.
  • Dass die Politik das Straßenkatzenproblem nicht ernst nimmt, ist für 74 Prozent der Tierschutzvereine der größte Frustfaktor.
  • 67 Prozent der Tierschutzvereine ordnen die emotionale Belastung ihrer Mitarbeiter*innen im Umgang mit Straßenkatzen als (sehr) hoch ein.

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