Aus dem Print-Magazin

Für ein Silvester ohne Angst und Schrecken

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Für ein Silvester ohne Angst und Schrecken

Für viele Menschen ist das Feuerwerk an Silvester der perfekte Start in das neue Jahr. Während sie feiern und die leuchtenden Raketen am Himmel bestaunen, sorgen die extremen Geräusche, Lichtblitze und Gerüche bei Millionen Haus- und Wildtieren vor allem für Angst. Der Deutsche Tierschutzbund fordert mehr Tierschutz in der Silvesternacht und setzt sich für ein Verbot privater Feuerwerke ein.

  • Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER

Das Alte hinter sich lassen und mit zahlreichen Wünschen nach vorn schauen – der Jahreswechsel ermöglicht uns jedes Jahr einen symbolischen Neustart. Während die einen sich in schicke Outfits schmeißen und wilde Partys feiern, sitzen die anderen gemütlich mit ihren Liebsten zusammen, essen genussvoll, stoßen mit Sekt oder Feuerzangenbowle an und lassen das alte Jahr Revue passieren. Spätestens um kurz vor 24 Uhr versammeln sich die meisten von ihnen auf den Straßen, Dachterrassen und Balkonen, zählen die letzten Sekunden und starten mit einem großen Feuerwerk in das neue Jahr. Die Explosionen und Lichter lassen den Himmel in den buntesten Farben erstrahlen, vor allem Glück soll mit den Funken auf uns herunterregnen. Der spektakuläre Jahresstart ist eine schöne Tradition, deren Wurzeln weit in der Vergangenheit liegen. Bereits die Germanen veranstalteten zum Ende eines jeden Jahres Feuerzeremonien, um böse Geister zu vertreiben. Das Problem: Das Feuerwerk bedeutet für Tiere großen Stress. Sie haben Angst, geraten in Panik und bezahlen unser Vergnügen zum Teil sogar mit ihrem Leben.

Ein Abend voller Angst und Panik

Wie viele andere Tiere haben Hunde und Katzen ein sehr viel empfindlicheres Gehör als wir. Hunde hören Frequenzen bis zu 50.000 Hertz, Katzen sogar bis zu 60.000. Im Vergleich: Unser Spektrum endet bei 20.000 Hertz. Daher reagieren die Tiere auf Töne und Geräusche, die wir überhaupt nicht wahrnehmen. „Das bedeutet gleichzeitig auch, dass sie die Explosionen von Raketen und Böllern viel deutlicher hören“, erklärt Dr. Moira Gerlach, Referentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund. „Hochfrequente Töne, die von Silvester-Böllern erzeugt werden, können sogar zu dauerhaften Schäden führen“, so die Expertin. In der Folge kauern unzählige Hunde in der Silvesternacht zitternd unter dem Sofa oder verkriechen sich voller Panik in die dunkelste Ecke des Raumes. Nicht selten hält dieser Angstzustand mehrere Tage an. Für alle Menschen, die ihre Tiere an Silvester so leiden sehen, hat der Abend nicht mehr viel mit Spaß und der Vorfreude auf ein neues Jahr zu tun. „Die Geräuschangst von Hunden verschwindet auch nicht einfach von allein oder wird im nächsten Jahr besser, wie viele Besitzer*innen hoffen. Nicht therapiert steigern sich die Angst und Panik von Jahr zu Jahr“, sagt Gerlach.

Stress auch in den Tagen um Silvester hoch

Doch der Stress beginnt nicht erst in der eigentlichen Silvesternacht. Da viele Menschen bereits einige Tage vorher die ersten Böller zünden, ist es wichtig, dass Besitzer*innen in dieser Zeit schon – insbesondere mit ängstlichen Hunden – ausschließlich an der Leine und in Gegenden spazieren gehen, in denen nicht so viel geböllert wird. Sonst besteht die Gefahr, dass die Tiere sich erschrecken, in ihrer Angst wegrennen und sich verirren. Jedes Jahr werden um die Silvestertage vermehrt vermisste Tiere gemeldet. Nicht alle davon werden wiedergefunden. Und das betrifft nicht nur Hunde.

Insgesamt sind in Deutschland 35 Millionen Haustiere, zig Millionen Wildtiere, über eine Million Pferde und 200 Millionen Tiere in der Landwirtschaft vom Silvesterfeuerwerk betroffen.

Auch Freigängerkatzen sind mit der Knallerei konfrontiert, wenn sie draußen unterwegs sind. „Wenn Katzen in Panik geraten, kann es passieren, dass sie vor ein Auto laufen, sich schwer verletzen oder im schlimmsten Fall sterben. Gleichzeitig ist es möglich, dass sie sich Verstecke suchen, aus denen sie selbst nicht mehr herausfinden. Viele von ihnen laufen zudem viele Kilometer weit weg“, sagt Gerlach. Auch wenn es im Idealfall nicht so weit kommt, dass ein Hund oder eine Katze verschwindet, ist es immens wichtig, dass die Tiere gekennzeichnet und bei FINDEFIX, dem Haustierregister des Deutschen Tierschutzbundes, registriert sind. Nur so können sie im Fall der Fälle wieder zu ihren Besitzer*innen zurückfinden. „Katzenhalter*innen sollten ihre Tiere zudem unbedingt den ganzen Silvestertag zu Hause lassen und entsprechend ablenken. Kein Haustier sollte Silvester im Freien verbringen.“

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Ruhe bewahren und für die Tiere da sein

Daher ist es auch wichtig, Vögel wie beispielsweise Sittiche und Papageien, die in Volieren im Freien gehalten werden, besonders gegen einfallende Raketen und Böller zu schützen. Eine Nacht-Beleuchtung kann zudem dabei helfen, die hellen Lichtblitze optisch etwas abzumildern. Außerdem können sich die Tiere so besser orientieren, falls Unruhe entsteht. Darüber hinaus müssen die Vögel ihren Schutzraum in der Außenvoliere stets ungehindert aufsuchen können. Auch für Meerschweinchen, Kaninchen und Hamster ist der ruhigste Raum der Wohnung am Silvesterabend das beste Quartier. Bei geschlossenem Fenster und heruntergelassenen Jalousien sind sie von dem Trubel gut abgeschirmt. „Die Vogelvoliere oder das Kleintiergehege sollte dabei weit vom Fenster entfernt stehen und zusätzlich durch ein großes Tuch abgedeckt werden“, sagt Dr. Henriette Mackensen, Leitung der Abteilung Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund. „Am besten ist es, wenn die bekannte Bezugsperson an einem solchen Abend in der Nähe der Tiere bleibt und ihnen durch einen bewusst ruhigen und ihren Gewohnheiten entsprechenden Umgang Sicherheit vermittelt – das gilt im Übrigen auch für Hunde und Katzen. Je mehr Hektik der Mensch in die Situation bringt, desto eher lässt sich das Tier hiervon verunsichern.“ Darüber hinaus kann es helfen, im Hintergrund Musik oder den Fernseher laufen zu lassen, das lenkt ab und manche Tiere empfinden das als beruhigend. Andere suchen lieber den direkten Körperkontakt. „Übermäßiges und aufgeregtes Streicheln oder Zureden helfen dem Tier jedoch leider nicht. Je souveräner und gelassener sich der Mensch verhält, desto eher erkennt das Tier in ihm einen Ruhepol und entspannt sich ebenfalls.“ Auf gar keinen Fall sollten Besitzer*innen ihren Tieren irgendwelche Beruhigungspräparate ohne Rücksprache mit einer Tierärztin oder einem Tierarzt verabreichen.

Pferde können sich in ihrer Panik schnell verletzen

Aber der Silvesterlärm trifft nicht nur die Tiere zu Hause. Auch Pferde reagieren besonders empfindlich auf plötzliche Lärmquellen. „Die Fluchttiere können nicht nur sich selbst erheblich verletzen, wenn sie sich erschrecken und versuchen, zu fliehen. Panisch fliehende Pferde können auch Verkehrsunfälle verursachen, was zusätzlich Menschen gefährdet“, sagt Andrea Mihali, Leitung der Abteilung Interdisziplinäre Themen beim Deutschen Tierschutzbund. Stall- und Pferdebesitzer*innen sollten daher schon im Vorhinein mit den Anwohner*innen sprechen, sodass in der Nähe der Ställe im besten Fall gar nicht erst geböllert wird. „Darüber hinaus sollten die Pferde unbedingt in den Ställen und nicht draußen auf den Weiden untergebracht sein, um zu verhindern, dass sie in ihrer Panik durch Weidezäune ausbrechen und sich und andere in Gefahr bringen. Das gleiche gilt für Rinder, Schafe und Ziegen“, so Mihali. Im Idealfall ist zudem eine Person vor Ort, die die Situation beobachtet, die Fenster und Türen schließt sowie den Tieren besonders leckeres Futter anbietet, um sie abzulenken. Abgesehen von dem unmittelbaren Tierleid sollte der Abschuss von Knallern und Co. rund um landwirtschaftliche Betriebe so oder so tabu sein. Denn das dort gelagerte trockene Heu und Stroh ist sehr leicht entzündlich. Fliegende Funken können zu einem Brand mit verheerenden Folgen führen.

Wildtiere verbrauchen wichtige Energiereserven

Die Liste der Tiere, die unter dem Feuerwerk an Silvester leiden, ist lang. Denn die Knallerei und Lichtblitze schrecken vor allem auch Wildtiere völlig unvorbereitet auf. „Vögel fliegen in Panik und ohne Orientierung umher und verunglücken häufig durch Kollisionen mit Gebäuden“, erklärt James Brückner, Leitung der Abteilung Wildtiere beim Deutschen Tierschutzbund. „Besonders problematisch ist, dass die Tiere durch die akute Stressbelastung lebensnotwendige Energiereserven verlieren, die sie brauchen, um die kalte Jahreszeit gut zu überstehen.“ Eine Studie zeigte, dass beispielsweise Wildgänse nicht nur am Silvesterabend selbst, sondern auch an den Tagen danach noch durch die Situation beeinträchtigt waren. „Während der Silvesternacht flogen die Tiere höher und weiter als normal, einzelne Tiere sogar bis zu fünfhundert Kilometer. Das sind Strecken, die sie normalerweise während eines gesamten Zuges zurücklegen würden“, so Brückner. Auch kehrten die Vögel nicht in ihre vorherigen Rastgebiete zurück. „Bis zu zwölf Tage nach Silvester fraßen die Wildgänse zudem deutlich mehr und bewegten sich weniger als normal, um ihr Energiedefizit zu kompensieren.“ Rehe, Hirsche, Hasen, Igel und all die anderen Wildtiere leiden ebenfalls. Auch sie rennen panisch durch den Wald oder werden in ihrer Winterruhe gestört und verbrauchen unnötig Energie.

„Das Feuerwerk reduziert die Überlebenswahrscheinlichkeit zahlreicher Wildtiere.“

– James Brückner

Forderungen des Deutschen Tierschutzbundes

Laut Paragraf 1 des Tierschutzgesetzes darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. So schön das Feuerwerk an Silvester auch ist, unser Vergnügen kann nicht als ein solch vernünftiger Grund gewertet werden. Daher fordert der Deutsche Tierschutzbund bereits seit 2022 im Bündnis mit der Deutschen Umwelthilfe das Verbot privater Silvesterfeuerwerke. So haben die Tierschützer*innen gemeinsam mit den Umweltschützer*innen Unterschriften für ein böllerfreies Silvester gesammelt und in einem offenen Brief an die Innenministerin übergeben sowie eine Pressekonferenz und eine Aktion im Rahmen der Innenministerkonferenz in Berlin veranstaltet. Neben dieser Maximalforderung setzt sich der Deutsche Tierschutzbund für eine Änderung der Sprengstoff-Verordnung ein, die es zulässt, dass zumindest Schutzzonen an Silvester auch aus Tier-, Natur- und Umweltschutzgründen erlassen werden können. Um diese Forderung zu untermauern, haben die Tierschützer*innen unter anderem verschiedene Briefe an die zuständigen Landesminister*innen verfasst. „So wollen wir erreichen, dass tierhaltende Einrichtungen wie zum Beispiel Tierheime geschützt werden. Seit Jahren bekommen wir mit, welche Belastung die Silvesterzeit für die in unseren Einrichtungen befindlichen Tiere und die dortigen Mitarbeiter*innen darstellt. Daher wären solche Schutzzonen ein erster wichtiger Schritt“, so Gerlach. Darüber hinaus appelliert der Verband dringend an alle, auch ohne Verbot oder Schutzzonen auf Böller zu verzichten, erst recht, wenn Tiere in der Nähe sind oder sein könnten. „Besonders am Waldrand, auf Waldlichtungen, in Parkanlagen, an Uferregionen und in der Nähe von Stallungen sollten Feuerwerke tabu sein. Auch in der Nähe von Privathaushalten, in denen Tiere leben, haben Raketen und Co. nichts zu suchen.“ Das Ziel des Deutschen Tierschutzbundes ist es, alle Tiere möglichst angst-, stress- und vor allem unfallfrei durch diese Zeit zu bringen.

So können Sie helfen

  • Unterstützen Sie unseren offenen Brief für ein böllerfreies Silvester an die Innenministerin mit Ihrer Unterschrift.
    l.duh.de/boellerciao