Ein Herz für Krebstiere

Am Meeresgrund, in Süßwasser, an Land und in Mangroven spielt sich ein faszinierendes Leben ab. Hummer, Garnelen und andere Krebstiere tummeln sich in Höhlen, schwimmen gemeinsam in Schwärmen und gehen auf Nahrungssuche. Leider betrachten die meisten Menschen diese Tiere als „Meeresfrüchte“, die für den Konsum leiden und sterben müssen. Es ist an der Zeit, das verborgene Leben dieser intelligenten und fühlenden Wesen zu entdecken.

Düstere Delikatesse

Für viele Menschen gehören sie zu einem Urlaub am Meer einfach dazu – Krebstiere. Was sie eben noch bei einem Tauchgang bewundert haben, landet abends im Restaurant auf ihren Tellern. Sogenannte Meeresfrüchte gelten als Delikatesse, die beispielsweise in Form von Krabbencocktails oder mitsamt ihrer Schale serviert werden. Dabei preisen Köchinnen und Köche in der vermeintlichen Gourmetküche vor allem besonders frisch zubereitete Meerestiere an. Dieses Versprechen bedeutet insbesondere für Hummer einen grausamen Tod: Nachdem Restaurantbesucher*innen sich im hauseigenen Aquarium ein Tier ausgesucht haben, wandert es anschließend in den Kochtopf, wo es bei lebendigem Leibe qualvoll verendet. Dieser Umgang mit Lebewesen zeigt, dass es wichtig ist, diese Geschöpfe kennen- und respektieren zu lernen. Denn auch sie haben Gefühle sowie Bedürfnisse und erleiden Schmerzen.

 

Krebstiere sind empfindungsfähig

Doch weshalb scheint unsere Empathie mit Krebstieren noch geringer zu sein als unser Mitgefühl für andere Tierarten? Verantwortlich dafür ist unter anderem unsere fehlende Auseinandersetzung mit dem Gefühlsleben der Tiere. Noch bis vor wenigen Jahren ging die Wissenschaft davon aus, dass nur Lebewesen Schmerzen empfinden, die ein Bewusstsein besitzen. Dafür ist der Neocortex, auch Großhirnrinde genannt, verantwortlich – rein anatomisch betrachtet fehlt dieser Fischen und wirbellosen Tieren wie dem Hummer. Doch dieses Wissen gilt längst als überholt und neue Forschungen bewerten Schmerz wesentlich komplexer. Notwendig für die Empfindung von Schmerz ist unter anderem ein zentrales Nervensystem, über das auch Krebstiere verfügen. Es besteht aus sogenannten Ganglien – das sind Nervenzellenkörper. Krebstiere spüren und verarbeiten Schmerzreize so ähnlich wie Säugetiere, weshalb wir davon ausgehen müssen, dass beispielsweise Hummer die Berührung mit kochendem Wasser und dem damit verbundenen qualvollen Tod bewusst vernehmen.

Doch nicht nur die Anatomie der Tiere ist der Beweis für die Empfindung von Schmerz, auch ihre Verhaltensweisen sind auffällig. Haben Hummer an einem Ort beispielsweise eine feindliche Auseinandersetzung oder gar einen Kampf mit einem Artgenossen erlebt, so vermeiden sie diese Stelle fortan. Durch ein sogenanntes Strickleiternervensystem mit Nervenganglien können sie sich an solche Ereignisse gut erinnern. Das sind große Ansammlungen an Nervenzellen, die in jedem ihrer Körperteile zu finden sind. Diese lassen die Tiere nicht nur Schmerzen spüren, sondern befähigen sie auch dazu, Handlungen vorauszusehen, die ihnen Schaden zufügen können. Krebse erinnern sich an negative Einflüsse und sind durch ihre hohe Intelligenz dazu in der Lage, abzuwägen, wie sie handeln. In der Konsequenz verstecken sie sich in manchen Situationen lieber, als sich einer Gefahr auszusetzen.

 

Krebstiere sind intelligent

Diese Verhaltensweisen veranschaulichen, dass die Tiere dank ihrer neuronalen Netzwerke zu intelligentem Handeln fähig sind. So sind Krebse beispielsweise dazu in der Lage, Werkzeuge zu benutzen. Die sogenannte „Decorator Crab“ gehört zu verschiedenen Arten von Krebstieren und verwendet ihre Scheren, um sich mit den unterschiedlichsten Muscheln und mit Seegras als Tarnung zu dekorieren. Außerdem können die Tiere sich „verbarrikadieren“ und aus einer Vielzahl von Objekten einen richtigen Schutzwall errichten. Auch im sozialen Bereich beweisen sie soziale Intelligenz – sie können Verwandte individuell erkennen und kümmern sich um ihren Nachwuchs. Darüber hinaus können beispielsweise Flusskrebse Neues erlernen und verschiedene Informationen verarbeiten. Dabei kann es sich um Ortskenntnisse handeln, die ihnen unter anderem dabei helfen, sich zu orientieren. Hummer wiederum erkennen ihre Artgenossen wieder und erinnern sich sogar an frühere Begegnungen. Forscher*innen zufolge sind sie ähnlich intelligent wie Oktopoden.

 

 

Garnelen haben unterschiedliche Persönlichkeiten

Nicht nur ihre ausgeprägte Intelligenz ist eine erstaunliche Erkenntnis über Krebstiere. Während die meisten von uns sie nur als eintönig betrachten, zeigt die nähere Auseinandersetzung mit diesen spannenden Lebewesen, wie vielfältig sie wirklich sind. Persönlichkeiten sind nicht nur unseren Heimtieren oder uns Menschen vorbehalten – auch die Geschöpfe, die tief verborgen leben, beeindrucken mit unterschiedlichen Charakteren. Hast Du zum Beispiel schon mal von schüchternen Felsengarnelen gehört? In der Tat befinden sich unter den in Schwärmen lebenden Tieren mutige und etwas zurückhaltende Zeitgenossen. Dies kommt in bestimmten Situationen zutage, auf die sie zögerlich oder voller Tatendrang reagieren – zum Beispiel bei drohenden Gefahren. Ist der Feind verschwunden, kommen draufgängerische Tiere schneller aus ihrem Versteck hervor als andere. Ihre individuellen Verhaltensweisen sind beständig – der Beweis dafür, dass es auch in der Welt der Krebstiere verschiedene Charakterköpfe gibt. Ihre Vielzahl an Persönlichkeiten bringt den Felsgarnelen Vorteile, denn so können die Tiere sich unterschiedlichen und sich verändernden Bedingungen anpassen und überleben.

Die Ausprägung der jeweiligen Persönlichkeiten liegt aber nicht nur an dem individuellen Tier, sondern auch an Umwelteinflüssen. Je nachdem wo die Garnelen leben, können so ganze Populationen ähnlich agieren und sich von Tieren an anderen Orten unterscheiden. Lauern besonders viele Feinde in einer Gegend, so verhalten sich die ansässigen Krebse vorsichtiger, um sich selbst zu schützen. Hummer haben außerdem eine besonders raffinierte Methode, um Gefahren zu entkommen – sie amputieren sich eigene Gliedmaßen, um sich schneller bewegen zu können. Was zunächst vielleicht etwas grausam klingt, ist in Wahrheit ein genialer Trick, bei dem die Tiere sich selbstbestimmt nachwachsender Körperteile entledigen, die bei der nächsten Häutung wieder nachwachsen.

 

Fortpflanzung auf Hummerart

Apropos Häutung: Dabei handelt es sich um eine Verhaltensweise, die Krebstiere in regelmäßigen Abständen durchführen, da ihre Schale im Laufe ihres Lebens für sie zu klein wird. Hummer beispielsweise wachsen immer weiter und könnten durch ein Enzym, das sie anders altern lässt, vermutlich unsterblich sein. Wäre da nicht die Schale, die sie irgendwann erdrückt. Der Energieaufwand, sie im hohen Alter immer wieder zu erneuern, ist für die Tiere einfach zu hoch.

Doch die Häutung spielt nicht nur im eigenen Lebenszyklus, sondern auch bei der Fortpflanzung von Hummern eine zentrale Rolle. Normalerweise verbringen die Tiere ihr Leben als Einzelgänger, die sich in kühleren Gewässern mit felsigem Untergrund und guten Verstecken besonders wohlfühlen. Die beste Behausung bleibt dem Obersten in der Hummerrangordnung vorbehalten. Dieser hat auch während der Paarungszeit im Spätsommer die besten Chancen. Schließlich suchen sich die Weibchen den Hummer mit dem besten Unterschlupf und dem schönsten Duft aus. Für den sogenannten Deckakt müssen Hummerdamen sich häuten – also ihre Schale abwerfen – sodass das Männchen ihr sein Samenpaket überlassen kann. Im darauffolgenden Sommer legt das Weibchen dann bis zu 40.000 Eier, aus denen neues, faszinierendes Leben auf dem Meeresgrund entsteht.

 

 

Tierliebe fängt beim Essen an

Leider hat dieses Leben keine Chance, wenn wir damit fortfahren, Hummer, Garnelen und andere Krebstiere als „Meeresfrüchte“ zu betrachten und die Meere zu überfischen oder Tiere aus Aquakulturen zu verzehren. Diese Tiere, die wir nie in der freien Wildbahn zu Gesicht bekommen, haben einen eigenen Lebensrhythmus, individuelle Bedürfnisse, sind intelligent und fühlen Schmerz. Das ist Grund genug, um sich für sie einzusetzen und ihnen den Respekt zu zeigen, den sie verdienen. Der direkte Weg, um uns für die Krebstiere starkzumachen, ist die vegane Ernährungs- und Lebensweise. Längst sind die Regale in den Supermärkten voller köstlicher Alternativen, die kein Tierleid verursachen. Auch die gesamte Palette an Gemüse- und Obstsorten steht uns zur Verfügung. Wie wäre es beispielsweise mit diesen köstlichen veganen „Garnelen“ aus Kräuterseitlingen? In „Tierschutz genießen – Die Vorratskammer“ haben wir zudem die wichtigsten Zutaten einer pflanzlichen Ernährung zusammengefasst. Sie steht Dir hier zum kostenlosen Download zur Verfügung. Auf unserer Rezeptseite sowie in unserem Kochbuch „Tierschutz genießen“ und „Tierschutz genießen – Das Backbuch“ findest Du außerdem herzhafte als auch süße Inspirationen, die tierfreundlich und voller leckerer Zutaten sind.

Von Melanie Frommelius, Redakteurin beim Deutschen Tierschutzbund