Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER
Dr. Sorin Sorescu, Direktor der regionalen Veterinärbehörde des Landkreises Argeș, Matthias Schmidt, Vorsitzender der Tierhilfe Hoffnung, Anette Kramme, Parlamentarische Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit und Soziales, Dr. Csutak Nagy Laszlo, Vizepräsident der nationalen Veterinärbehörde, und Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes (v. l. n. r.).
Im Tierschutz gehört ein langer Atem quasi zum Anforderungsprofil. Selbst für kleine Fortschritte zugunstender Tiere ist oft jahrelanger Einsatz von Nöten, und positive Nachrichten scheinen gegenüber neuen Schreckensmeldungen leider oft in der Minderheit. Doch Hartnäckigkeit, Leidenschaft und überzeugende Argumente zahlen sich aus. Das zeigt sich in Rumänien. Dort kämpfen der Deutsche Tierschutzbund und sein Mitgliedsverein Tierhilfe Hoffnung seit Jahren dafür, die Populationen der Straßenhunde tiergerecht und nachhaltig einzudämmen und eine Alternative zum im Land üblichen Einfangen und Töten der Hunde nach Ablauf von 14 Tagen aufzuzeigen. Dazu warben sie in Gesprächen mit Politiker*innen sowie Veterinärbehörden für das Prinzip „Fangen, Kastrieren, Freilassen“ und entwickelten bereits 2021 ein Gesamtkonzept für ganz Rumänien, das sie als Modellprojekt im Landkreis Arge? vorschlugen. Genau dieses konnte eine Delegation bei ihrem Besuch in Rumänien nun mittels einer gemeinsam unterzeichneten Kooperationsvereinbarung mit der nationalen und der regionalen Veterinärbehörde auf den Weg bringen. „Wir sind froh und stolz, dass die von uns erarbeiteten Vorschläge für das Modellprojekt nun umgesetzt werden. Ziel muss sein, die mehr als 140 Tötungsstationen in Rumänien zu Kastrations- und Registrationszentren umzurüsten. Nur so lässt sich die Hundepopulation tierschutzgerecht und nachhaltig in den Griff bekommen“, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.
Ann-Catrin Schmidt, 1. Vorsitzende des Tierheims Alsfeld und ehrenamtlich engagierte Lehrerin (Mitte), gibt Tierschutzunterricht an einer Grundschule in Micești.
Der Dachverband und der Verein, der im Landkreis Argeș mit der Smeura das größte Tierheim der Welt betreibt,verfolgen das Ziel, den Teufelskreis der unkontrollierten Vermehrung von Hunden in Rumänien zu durchbrechen. Dazu haben sie in dieser Region nun fünf Jahre Zeit. Auf diesen Zeitraum ist das Modellprojekt zunächst befristet. „Mit ihm setzen wir den Fokus auf die Kastration der Hunde, die ein Zuhause haben. Diese Tiere tragen maßgeblich zur unkontrollierten Vermehrung bei und sorgen für immer neuen Zuwachs bei den Straßenhunden, welche dann Gefahr laufen, in Tötungsstationen zu landen“, sagt Matthias Schmidt, Vorsitzender der Tierhilfe Hoffnung. Gemeinsam mit den Veterinärbehörden wollen der Verein und der Deutsche Tierschutzbund dafür sorgen, dass Hundebesitzer*innen ihre Tiere kastrieren, kennzeichnen, registrieren und gegen Tollwut impfen lassen. „All das ist gesetzlich sowieso schon seit 2013 vorgeschrieben, wird bislang jedoch aufgrund verschiedener Faktoren nicht umgesetzt“, berichtet Luca Secker, Referentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund. Dazu zählen etwa Vorbehalte gegenüber der Kastration, Armut in der Bevölkerung, fehlendes Wissen und fehlende Kontrollen.
Um das zu ändern, haben die rumänischen Veterinärbehörden 2023 eine Gesetzesänderung im Sinne des Modellprojektes auf den Weg gebracht, die die Einhaltung der Pflichten durch Hundehalter*innen stärken soll. Durch das Projekt erhalten Tierärztinnen, Tierärzte und Behörden im Landkreis Argeș nun den expliziten Auftrag, die bestehenden Pflichten umzusetzen. Die kommunalen Verwaltungen sind außerdem angehalten, die Kastrationen, Kennzeichnungen und Registrierungen zu finanzieren. „Das ist eine tolle Nachricht, die Mut macht. So kann es wirklich ein erfolgreiches Vorbild für das ganze Land werden“, so Secker. Um flächendeckend aktiv zu werden und möglichst die breite Masse der Bevölkerung für den tierschutzgerechteren Umgang mit den Straßentieren zu gewinnen, soll zudem an allen Grundschulen des Landkreises Tierschutzunterricht angeboten werden. Aufklärung ist ein wichtiger Bestandteil des Modellprojekts. Die Delegation tauschte sich im Bildungsministerium sogar über nationale Möglichkeiten der Bildungsarbeit aus – ebenfalls ein wichtiger Schritt nach Jahren großer Zurückhaltung seitens der Behörden.
Die Delegation tauschte sich mit dem Deutschen Botschafter, Dr. Peer Gebauer (Mitte), zur aktuellen politischen Lage aus und berichtete ihm über das Modellprojekt.
„Nimmt die Zahl der Hunde auf den Straßen durch das Projekt ab, haben wir die Hoffnung, dass zukünftig weniger Straßenhunde in den Tötungsstationen landen, sondern nach ihrer Kastration wieder freigelassen werden dürfen“, erklärt Schmidt. Bislang ist es in Rumänien noch verboten, kastrierte Straßenhunde wieder in angestammten Revieren freizulassen. Aber da es mittlerweile möglich ist, herrenlose Hunde auf juristische Personen wie Städte oder Gemeinderäte zu registrieren, könnte es in der Zukunft im besten Falle doch legal werden. Den Straßenhunden, die heute kastriert werden, hilft das leider noch nicht. Um ihnen ein Schicksal in den Tötungsstationen zu ersparen, versorgt das Team der Smeura derzeit rund 6.000 Hunde. Eine unvorstellbare Zahl, ebenso wie die der rund 85.000 Straßenhunde, die laut Schätzungen im Landkreis Argeș leben. Darum unterstützt die Tierhilfe Hoffnung die rumänischen Verantwortlichen innerhalb des Modellprojektes. Die Mitarbeiter*innen des Vereins haben sich nach insgesamt 20.948 Kastrationen im Jahr 2023 dazu verpflichtet, jährlich bis zu 40.000 Kastrationen zu stemmen. Dazu setzen sie – neben einer aufgestockten Flotte an Kastrationsmobilen – auf ein neues, für das Projekt errichtetes Kastrations- und Registrationszentrum. Es ist das erste Zentrum dieser Art in Rumänien und schirmt die Smeura von der danebenliegenden Tötungsstation ab. Bei seiner feierlichen Eröffnung betonte auch der Direktor der regionalen Veterinärbehörde, Dr. Sorin Sorescu, nochmals seine Begeisterung für die Zusammenarbeit und das gemeinsame Projekt, sehr zur Freude der Tierschützer*innen. „Es ist nach so vielen Jahren, die wir dicke Bretter bohren mussten, ein großer Erfolg, dass nun der Wille da ist und die Behörden bereit sind, anderen Wegen eine Chance zu geben, anstatt eines Systems, das komplett auf Kosten der Tiere geht“, sagt Secker. Nun geht es darum, die Wirksamkeit der Maßnahmen zu beweisen. „Bei einem Erfolg ist es das ausdrückliche Ziel der Behörden, das Projekt auf ganz Rumänien auszuweiten.“