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Die Wölfe sind zurück

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Die Wölfe sind zurück

Die Mär vom bösen Wolf hält sich bei vielen Menschen hartnäckig. Dabei hat er es nicht auf Menschen abgesehen, reißt aber in manchen Regionen ungeschützte Schafe. Spezielle Hunde sollen helfen. So sinnvoll diese Maßnahme ist, sie birgt auch Risiken für die Tierheime.

  • Autor: Nadia Wattad, Redaktion DU UND DAS TIER

Deutschlandweit sorgte das Verhalten ein Jungwolfs in Niedersachsen für rege Diskussionen. Das Tier war Menschen mehrfach recht nahe gekommen und zeigte dabei ungewöhnlicherweise keine große Scheu – zu gefährlichen Situationen kam es allerdings auch nicht. Das Medienecho war dennoch enorm, im niedersächsischen Landtag stritten Politiker aller Parteien über den richtigen Umgang mit dem Tier, mehrfach ging es dabei auch um seinen Abschuss. Stetige Sichtungen bestätigten, dass der Wolf von Wildeshausen über Meppen nach Holland bis an die Nordseeküste und schließlich wieder zurück in den Landkreis Leer wanderte.

Das zuständige Umweltministerium beauftragte letztlich Experten, die das Tier lebend fangen und untersuchen sollten. Der dazu befragte Biologe Bernhard Kegel, Autor des Buches „Tiere in der Stadt“, bezeichnete im NDR-Interview den Hund im Gegensatz zum Wolf als das Tier, das dem Menschen in der Stadt am gefährlichsten werden kann und weiter: „Es ist jetzt natürlich wichtig, dass die Menschen nicht den Fehler begehen, das Tier anzufüttern und dadurch anzulocken, weil sie sonst ihre natürliche Scheu gegenüber den Menschen verlieren.“ Auch sei es wichtig, Abfälle mit Lebensmittelresten wolfssicher zu machen. „Wir sollten Wölfe nicht mit unserem Wohlstandsmüll anlocken“, so Kegel gegenüber dem NDR.

Seit 2000 erobern sich die Tiere Stück für Stück ihren Platz in Deutschland wieder zurück. Etwa 250 frei lebende Wölfe sollen sich inzwischen hierzulande aufhalten. Die meisten von ihnen leben in den gut 30 erfassten Rudeln, die alle auf zugewanderte Tiere aus Polen zurückgehen. Ausgehend von der Lausitz in Südbrandenburg und Sachsen, haben sich auch in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen ganze Rudel angesiedelt. Weitere Einzeltiere sind auf ihren Wanderungen nach Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Hessen vorgestoßen. Auch aus dem Alpenraum sind in den letzten Jahren immer wieder einzelne Tiere zugewandert.

Wölfe leben in einem Rudel mit verwandtschaftlichen Verbindungen.

Wölfe leben in einem Rudel mit verwandtschaftlichen Verbindungen.

Damit ist der Wolf endgültig wieder zurück. Genau dort, wo ihn der Mensch Mitte des 19. Jahrhunderts ausgerottet hatte. Der Bestand ist aber keineswegs stabil. Erst ab 1.000 erwachsenen Exemplaren ist von einer dauerhaft überlebensfähigen Population auszugehen. Umso schlimmer, dass in vielen Bundesländern die jeweiligen Landesjagdverbände seit Längerem dafür eintreten, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen, wie dies in Sachsen bereits 2012 geschehen ist. Nicht wenige Jäger hoffen, dass dies Abschüsse erleichtert. Auch politische Vertreter, zuletzt Gitta Connemann, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, sehen die Rückkehr des Wolfs kritisch. So soll sie sich „angesichts der zunehmenden Verhaltensauffälligkeit von Wölfen in Deutschland“ in einem Schreiben an Bundesagrarminister Christian Schmidt besorgt geäußert haben.

Wölfe stehen seit 1990 im ganzen Bundesgebiet unter Naturschutz und sind auch nach EU-Artenschutzrecht als „prioritäre Art“ streng geschützt. Es ist nicht erlaubt, diese zu fangen oder zu töten.
Als größte Bedrohung gilt hierzulande der Straßenverkehr, dem jährlich mehrere Tiere zum Opfer fallen. Immer wieder werden jedoch auch Tiere illegal getötet – allein in Sachsen waren es bis dato sechs. Deutschland ist nicht nur verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zum Schutz der Art zu ergreifen, sondern diese auch weiterzuentwickeln. Dazu gehört auch die Erstellung nationaler Managementpläne.

SO LEBT DER WOLF

Wölfe leben in der Regel in Rudeln mit verwandtschaftlichen Verbindungen. Das Rudel selbst besteht meist aus fünf bis zehn Tieren und wird vom Elternpaar angeführt. Da Jungwölfe erst mit circa zwei Jahren geschlechtsreif sind, bleiben sie bis zu diesem Alter bei ihren Eltern. Dann wandern sie ab und suchen ein neues Territorium, um ein eigenes Rudel zu gründen. Manche Jungtiere schließen sich auch familienfremden Rudeln an, sofern sie dort eine Position besetzen können.

Die durchschnittliche Reviergröße beträgt zwischen 100 und 300 Quadratkilometern. In den riesigen Wäldern Kanadas und Sibiriens kann es auch bis zu 2.000 Quadratkilometer groß werden. Wölfe sind sehr anpassungsfähig und können daher auch hierzulande in mehr oder weniger stark besiedelten Kulturlandschaften leben. Voraussetzung ist, dass sie dort ausreichend Nahrung finden. Auf Deutschland bezogen bedeutet dies, dass es in jedem Flächenbundesland geeignete Wolfsregionen gibt.

Auf dem Speiseplan der in Deutschland lebenden Tiere stehen hauptsächlich wild lebende Huftiere wie Rehe, Rothirsche und Wildschweine, deren Bestände –entgegen oft geäußerter Bedenken seitens der Jägerschaft– die Wölfe nachweislich nicht gefährden. Jedoch kommt es immer wieder zu Konflikten mit Landwirten und Tierhaltern, weil Wölfe Schafe und seltener auch Rinder oder Damwild in Gehegen töten. Sind diese Tiere nicht durch Elektronetze- oder hohe Maschendrahtzäune geschützt, werden insbesondere Schafe und Ziegen zur leichten Beute für Wölfe. Da Wölfe nicht zwischen frei lebenden Wildtieren und Tieren in der Landwirtschaft unterscheiden können, müssen Halter ihre Tiere in Wolfsgebieten schützen. Das gilt sowohl für gewerbliche Halter als auch für Hobbyhalter. Laut Paragraf 1 des Tierschutzgesetzes sind Tierhalter nämlich grundsätzlich zum Schutz ihrer Tiere verpflichtet. Der Stall eignet sich hierfür nachts besonders gut. Auch Herdenschutzhunde sind eine Möglichkeit.

HERDENSCHUTZHUNDE IM EINSATZ

Insbesondere große Schafherden profitieren von den Eigenschaften der Herdenschutzhunde. Allerdings eignet sich nicht jeder Hund für diese komplexe Aufgabe. Seine Ausbildung ist aufwändig und beginnt idealerweise bereits von Geburt an. Dazu gehört auch, dass die Tiere im Stall bei den Schafen geboren werden und dort aufwachsen. Die Sozialisierungsphase dauert 16 Wochen. „Hunderassen wie Pyrenäenberghund, Kuvasz und Kangal eignen sich für den Schutz von Schafherden“, so Katrin Umlauf, Expertin für Hunde und Leitung des Tierschutzzentrums Weidefeld.

Herdenschutzhunde sind jedoch keine Hütehunde. Sie treiben die Herden weder zusammen, noch greifen sie attackierende Wölfe an. Der Herdenschutzhund sieht seine Schafe als seine Familie an und seine Weide als Revier – insofern verteidigt er dieses gegen Eindringlinge. „Nähert sich ein Wolf der Herde, stürzen die imponierend großen Hunde mit erhobenem Schwanz und laut bellend auf den Eindringling zu, halten jedoch so weit wie möglich Abstand“, so Elli H. Radinger in ihrem Buch „Wolfsangriffe. Fakt oder Fiktion?“.

Der Herdenschutzhund hat seine Schafherde stets im Blick. Er stellt sich Angreifern laut bellend entgegen, sobald eine Situation auf ihn bedrohlich wirkt.

Der Herdenschutzhund hat seine Schafherde stets im Blick. Er stellt sich Angreifern laut bellend entgegen, sobald eine Situation auf ihn bedrohlich wirkt.

Die Zucht von Herdenschutzhunden kann aber auch Probleme mit sich bringen.

„Wir hatten in der Vergangenheit schon Anfragen, in welchem Tierheim denn Herdenschutzhunderassen abzugeben seien, man wolle mit diesen eine Zucht für die Schäfer aufbauen“, berichtet Renate Seidel, Vizepräsidentin des Deutschen Tierschutzbundes und Vorsitzende des Landestierschutzverbands Brandenburg.

Da nach der jüngsten Entscheidung der Brandenburger Landesregierung jetzt auch Herdenschutzhunde im Rahmen des Wolfsmanagementplanes unter die Schutzmaßnahmen fallen, finanziert diese nun die Landesregierung. Damit steigt gleich wieder der Bedarf an diesen Hunden. „Das Problem, das wir seit geraumer Zeit befürchten, ist, dass bei der Zucht von Herdenschutzhunden immer einige Hunde dabei sein werden, die sich für die Herdenschutzarbeit nicht eignen oder einfach überzählig sind. Was passiert aber mit solchen auf den Menschen unzureichend sozialisierten Hunden? Da braucht man nicht lange zu fragen, wo diese Tiere bleiben – in unseren Tierheimen!“, so Seidel.

Im Umgang mit Menschen hätten diese Hunde aber kaum Erfahrung. Ihre Unterbringung im Tierheim sei ohnehin schon problematisch, besonders für die Tiere selbst. Eine Vermittlung in gute Hände ist aufgrund der speziellen Eigenschaften dieser Hunde nur sehr schwer realisierbar. „In Brandenburger Tierheimen gibt es bis jetzt nur vereinzelte Hunde dieser Rassen. Noch ist es kein großes Problem, aber man muss damit rechnen, dass es das in Zukunft wird“, befürchtet Seidel.

WÖLFE, SEID WILLKOMMEN!

Der Deutsche Tierschutzbund begrüßt die Rückkehr der Wölfe nach Deutschland, ihre Wiederansiedlung ist ein großer Erfolg des Arten- und Naturschutzes. Die Wölfe erfüllen innerhalb ihres Lebensraums wichtige Aufgaben. So erbeuten sie als „Gesundheitspolizei“ des Waldes häufig auch kranke und schwache Tiere und halten somit den Bestand der Beutetiere gesund.

Herdenschutzhunde wie dieser Kangal finden sich vermehrt in den Tierheimen.

Herdenschutzhunde wie dieser Kangal finden sich vermehrt in den Tierheimen.

Damit sich die Population stabilisieren kann, müssen Gebiete, in denen sich Wölfe ansiedeln, einen besonderen Schutz genießen. Verstöße dagegen sind ebenso wie illegale Abschüsse entsprechend hart zu ahnden. Die vielfach geforderte Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht sowie eine Bejagung der Wolfsvorkommen in Deutschland lehnt der Verband strikt ab.

Aufklärungsarbeit ist für den Schutz der Wölfe von großer Bedeutung. Dazu gehört auch, Landwirte und Hundebesitzer über Schutzmöglichkeiten für ihre Tiere aufzuklären. Kommt es zu Übergriffen von Wölfen auf Tiere in der Landwirtschaft, müssen die Tierhalter eine ausreichende Entschädigung erhalten. Hier sind alle Bundesländer gefragt. Entsprechende Managementpläne sollten wie in Sachsen, Brandenburg und Bayern vorab erstellt und ständig weiterentwickelt werden.

Besonders wichtig ist es jedoch auch, die Bevölkerung über diese Tiere zu informieren, um Vorurteile weiter abzubauen. Die Menschen müssen wieder lernen, mit den Wölfen zu leben. Das bedeutet dennoch, dass Wölfe wild bleiben müssen und Menschen nicht mit Futter in Verbindung bringen sollten. Nur so bleibt die natürliche Scheu vor dem Menschen erhalten. „Aber Wölfe, die sich in der Nähe von Ortschaften aufhalten, bedeuten nicht gleich eine Gefahr für Leib und Leben der Dorf- oder Stadtbewohner“, so Radinger in ihrem Buch. Wir sollten uns freuen, wenn die Wölfe wieder in unseren Wäldern heimisch werden. Die Menschen haben sie vor 150 Jahren ausgerottet. Wir sollten froh sein, dass sie uns noch eine zweite Chance geben, unser Fehlverhalten wieder gutzumachen, anstatt uns Gedanken darüber zu machen, wie wir sie wieder loswerden.

Weiterführende Informationen

  • Informieren Sie sich auf unserer Internetseite zum Thema Wolf.
    www.tierschutzbund.de/woelfe
  • Das Kontaktbüro „Wolfsregion Lausitz“ ist die offizielle Informationsstelle zum Thema Wolf für die Bevölkerung in Sachsen.
    www.wolfsregion-lausitz.de
  • Der Verein „Die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Wölfen zu helfen und sie zu schützen. Hier sind viele Informationen zusammengetragen.
    www.gzsdw.de

Bildrechte: Titelbild: Holly Kuchera/Fotolia, "Wolfsrudel": XK/Fotolia, "Hund einzeln": elvira gerecht/Fotolia, "Hund mit Schafen": Dr. Peter Blanché