Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER
Sie sind das Herzstück des praktischen Tierschutzes: die dem Deutschen Tierschutzbund angeschlossenen Tierheime, Tierschutzvereine und Auffangstationen. Sie kümmern sich jedes Jahr um Hunderttausende Tiere in Not – von Hunden, Katzen, Meerschweinchen, Kaninchen und Vögeln über Schweine, Hühner, Igel und Eichhörnchen bis hin zu den verschiedensten exotischen Tieren. Die Tierschützer*innen setzen dabei nicht nur unendlich viel Herzblut ein, um jedem Tier in Not zu helfen, die Türen ihrer Einrichtungen sind auch niemals verschlossen. Bis jetzt. Denn einer Trendumfrage des Deutschen Tierschutzbundes zufolge berichten 69 Prozent der Tierheime, dass ihre Auslastung mindestens sehr hoch ist. 49 Prozent davon sind voll oder sogar übervoll. Nur 18 Prozent haben überhaupt noch Kapazitäten, um Tiere aufzunehmen. In Folge des Corona-bedingten Haustierbooms mit unüberlegten Tierkäufen gefolgt von allgemeinen Kostensteigerungen und einer Anpassung der tierärztlichen Gebührenordnung ist die Flut abgegebener und ausgesetzter Tiere enorm. Auch die fehlende deutschlandweite Kastrationspflicht für Freigängerkatzen trägt zu einer Überbelegung mit Katzennachwuchs sowie Fundkatzen und verwaisten Kitten von Straßenkatzen bei. „Die Zahl der Menschen, die ihre Tiere loswerden wollen, scheint so hoch wie nie zuvor. Die Tierheime sind überlastet und können nicht mehr für jedes Tier in Not einstehen“, warnt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, der den politisch Verantwortlichen Versagen vorwirft: „Wer den karitativen Tierschutz ausbluten lässt, den Onlinehandel mit Tieren nicht unterbindet und zulässt, dass sich jeder Mensch spontan ein Tier kaufen kann, trägt Mitschuld daran, dass die Tierheime am Limit sind.“
82 Prozent der befragten Tierheime im Deutschen Tierschutzbund berichten davon, dass die Anzahl der zu betreuenden Tiere seit 2022 angestiegen ist. „Zurückzuführen ist das zum einen auf den Haustierboom während Corona und die Tatsache, dass viele Menschen ihre Tiere nach Ende der Pandemie wieder loswerden wollten“, sagt Dr. Katharina Pasche, Leiterin der Abteilung Tierheimberatung beim Deutschen Tierschutzbund. Konkrete Gründe für die Abgabe von Tieren in diesem Kontext sind laut den Ergebnissen der Umfrage vor allem Überforderung, fehlende Zeit, Beißvorfälle mit Hunden und gestiegene Kosten für die tierärztliche Versorgung. Zum anderen nehmen Tierheime all die Tiere aus illegalem Welpenhandel und Animal-Hoarding-Fällen sowie sogenannten Katzenschwemmen aufgrund von unkastrierten Freigängerkatzen und Straßenkatzen auf, die sich unkontrolliert fortpflanzen. Dabei geben 74 Prozent der befragten Tierheime an, sich vermehrt um kranke Tiere kümmern zu müssen, die nur schwer ein neues Zuhause finden und daher viele Plätze auf längere Zeit belegen. „Gleiches gilt für Hunde, die problematische Verhaltensweisen entwickelt haben – oft durch fehlende Sachkunde der Vorbesitzer*innen sowie deren mangelnde Motivation, mit ihren Tieren zu arbeiten“, so Pasche. „Die Summe der hilfsbedürftigen Tiere bringt die Tierheime an den Rand ihrer Existenz – und darüber hinaus“, ergänzt Dr. Christiana Müller, ebenfalls Leiterin der Abteilung Tierheimberatung beim Deutschen Tierschutzbund.
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„Denn zusätzlich zu der nicht mehr handelbaren Anzahl von Tieren wird es bei den explodierenden Energiepreisen, der Inflation und den erhöhten Gebühren immer teurer, die Tierheime zu beheizen, die Tiere unterzubringen, sie zu verpflegen und tierärztlich behandeln zu lassen“, so Müller. Und als sei all das nicht schon genug, haben die wirtschaftliche Entwicklung infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und zurückgehende Spenden die Situation noch einmal deutlich verschärft. „Tatsächlich ist die Lage der Tierheime so dramatisch wie nie zuvor“, sagt Schröder.
Obwohl sie kommunale Pflichtaufgaben erfüllen, sind Tierheime nur in den seltensten Fällen städtische Einrichtungen. Die in der Regel mit den Kommunen abgeschlossenen Fundtierverträge decken mit den darin vereinbarten Beträgen nur einen Teil der Kosten ab. Wenn die Tierschützer*innen Tiere etwa tierärztlich versorgen müssen oder es lange dauert, bis sie ein neues Zuhause für sie finden, wird es für die Tierheime deutlich teurer. In der Folge bezahlen sie den größten Teil aus eigener Tasche. Da helfen auch die Vermittlungs- oder Abgabegebühren nicht. „Das ist doch kein Zustand für ein Land wie Deutschland, das sich dem Tierschutz als Staatsziel verschrieben hat. Es ist dringend an der Zeit, dass Bund, Länder und Kommunen endlich Verantwortung übernehmen“, fordert Schröder. Unter anderem kritisiert er scharf, dass die Ampelkoalition im Bundeshaushalt keine Mittel für die im Koalitionsvertrag versprochene Verbrauchsstiftung für Tierheime eingestellt hat. Bis heute sitzen die Tierheime finanziell auf dem Trockenen, obwohl sich die Lage schon seit einiger Zeit zuspitzt. Jetzt bleibt ihnen nichts anderes mehr übrig, als immer wieder Aufnahmestopps zu verhängen. Denn die Zahl der Tiere, die ein Tierheim tiergerecht unterbringen kann, ist begrenzt. „Den Tierschützer*innen blutet das Herz. Es ist für sie das Schlimmste, wenn ihnen schlichtweg die Kapazitäten fehlen, um ein Tier in sichere Obhut zu nehmen. Aber irgendwann ist das einfach nicht mehr möglich“, sagt Schröder. „Wir als Deutscher Tierschutzbund tun alles dafür, dass die Türen unserer Tierheime offen bleiben – aber auch wir können das alleine nicht stemmen.“